Ehrenamt Siegburger Kommunen suchen Schöffen

Siegburg · Ute Reifenhäuser ist seit zehn Jahren ehrenamtliche Jugendschöffin am Siegburger Amtsgericht. Sie sitzt immer dann mit am Richtertisch, wenn bei Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren Strafen von einem Jahr und mehr zu erwarten sind.

 Am Richtertisch: Richterin Stephanie Lauber (links) und Schöffin Ute Reifenhäuser sind bei der Urteilsfindung gleichberechtigt.

Am Richtertisch: Richterin Stephanie Lauber (links) und Schöffin Ute Reifenhäuser sind bei der Urteilsfindung gleichberechtigt.

Foto: Martina Welt

Der Gerichtssaal im Amtsgericht ist gut gefüllt. An der Stirnseite sitzt der Richter in erhöhter Position, links und rechts jeweils ein Schöffe. Auf der Anklagebank hat ein Jugendlicher Platz genommen. Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung. Ein derart schweres Delikt wird immer auch von den Laienrichtern mitbeurteilt.

Schon oft saß auch Jugendschöffin Ute Reifenhäuser auf der Richterbank, wenn es etwa um Körperverletzung, sexuelle Übergriffe, schweren Raub, Brandstiftung oder Gefährdung des Straßenverkehrs ging. "Dabei geht es um den gesunden Menschenverstand, der bei der Urteilsfindung eine große Rolle spielen soll", sagt Reifenhäuser, die seit fast zehn Jahren ehrenamtliche Jugendschöffin am Siegburger Amtsgericht ist und sich mit den Vergehen der 14- bis 17-Jährigen befasst.

Es macht schon was her, wenn der Richter von seiner erhöhten Position aus die richtigen Worte findet. "Da kann man dann beobachten, wie die sogenannten harten Jungs sehr schnell in sich zusammenfallen", berichtet Reifenhäuser. "Ich habe vorher gedacht, dass mehr bestraft würde", blickt sie rückwirkend auf ihre Tätigkeit. Dabei gehe es beim Jugendstrafrecht eher darum, das, was an anderer Stelle etwa von den Eltern versäumt worden sei, nachzuholen und für die Jugendlichen ein anderes strukturierteres Leben aufzubauen, berichtet Reifenhäuser von ihren Erfahrungen. Für die Schöffin eine absolut lohnenswerte Aufgabe, und deshalb wird sie sich auf jeden Fall um eine dritte Periode als Schöffin oder Jugendschöffin beim Amtsgericht Siegburg bewerben.

Sie habe es schon sehr beeindruckend gefunden, wie viele „sanfte“ Möglichkeiten es gebe, um den straffällig gewordenen Jugendlichen zu helfen. "Der Mensch, der da vor uns sitzt, ist meist wirklich noch unfertig und unreif", beschreibt die Mutter von fünf Kindern die jugendlichen Straftäter, die einmal im Monat bei ihrem Einsatz als Schöffin vor ihr sitzen. Oft sei Unreife die Ursache dafür, dass die Jugendlichen straffällig werden. Erstaunt habe sie das Verhalten der jungen Angeklagten vor Gericht. Offenbar seien sie von der Situation doch so beeindruckt, dass sie sich keinerlei Ausraster leisteten.

Dankbar für den Input durch Schöffen

"Fast alle kommen der Aufforderung nach, bei Gericht zu erscheinen, und verhalten sich überwiegend höflich", bestätigt auch Stephanie Lauber, die seit 2001 Jugendrichterin am Amtsgericht ist, das meist regelkonforme Verhalten der Angeklagten. "Ich hatte zunächst den Gedanken, dass ich mir in meine Entscheidungen als Richterin nicht reinreden lassen möchte", erinnert sie sich. Den habe sie jedoch sehr schnell aufgegeben, und inzwischen sei sie über den Input von außen durch die Schöffen sogar dankbar.

"Oft werden von den Schöffen Ideen und Einwände vorgebracht, die ich selbst nicht entwickelt habe. Das hat dann durchaus auch schon mal Auswirkungen auf begleitende Maßnahmen bei den Jugendlichen", sagt sie. Theoretisch können die beiden Schöffen bei der Beratung nach der Verhandlung den Richter auch überstimmen. Das hat es jedoch während ihrer Amtszeit noch nicht gegeben. "Diskussionsbedarf gibt es zum Beispiel bei der Höhe der Geldbußen, die auferlegt werden", so die Richterin. Ansonsten finde man in den Beratungen einen Weg hin zu einem Strafmaß, das von allen mitgetragen werden könne.

Die Schöffen sollen die Bevölkerung verkörpern und haben deshalb bei den gravierenden Entscheidungen ein gleichberechtigtes Mitspracherecht. So sitzen sie immer dann mit am Richtertisch, wenn Strafen von einem Jahr und mehr zu erwarten sind. Möglichst alle Berufssparten sollten sich im Schöffenpool befinden, von der Hausfrau über den Handwerker bis hin zum Akademiker. Am Siegburger Amtsgericht, das für die rechtsrheinischen Kommunen zuständig ist, gibt es 13 männliche und 13 weibliche Schöffen. Die Amtsperiode läuft Ende dieses Jahres aus, sodass die Kommunen derzeit auf der Suche nach neuen Bewerbern für das Schöffenamt sind. Alle Bürger mit deutscher Staatsangehörigkeit im Alter zwischen 25 und 70 Jahren, die der deutschen Sprache mächtig sind, können sich bei ihrer Kommune um dieses Amt bewerben.

Im Herbst wird der Wahlausschuss aus den Vorschlägen der Kommunen die Schöffen für fünf Geschäftsjahre wählen. Der Wahlausschuss besteht aus dem Richter beim Amtsgericht, sowie einem von der Landesregierung zu bestimmenden Verwaltungsbeamten und sieben Vertrauenspersonen als Beisitzer. Die Schöffen werden für fünf Jahre vom Wahlausschuss mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Einmal im Monat sind die ehrenamtlichen Schöffen in der Regel im Einsatz. Die Termine werden langfristig für ein Jahr geplant. Absagen sind daher nur aus gravierenden Gründen möglich. Nachbesetzt wird aus einem Reservepool. Auslagen oder Verdienstausfälle werden ersetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort