Eine Stunde mit.... Ugur Sezer Schavur, Spitzkappes und Piefen

SIEGBURG · Der "waschechte Siegburger" und Markthändler mit türkischen Wurzeln ist fast täglich im Vorgebirge unterwegs, um frische Waren einzukaufen.

 Ugur Sezer auf dem Bornheimer Bauernhof.

Ugur Sezer auf dem Bornheimer Bauernhof.

Foto: Sofia Grillo

In eine kleine Hofeinfahrt manövriert Ugur Sezer seinen Sprinter gekonnt in einem Zug. Kaum ist die Tür auf, schon dringt der scharfe Geruch von frischen Lauchzwiebeln in die Nase. Weiter im Hof wird der Geruch stärker. Kistenweise stapelt sich das Gemüse vor der alten Bäuerin. Sie hat an dem späten Nachmittag noch alle Hände voll zu tun. Das junge Grün muss gesäubert werden. „Du bist viel zu früh“, ruft die Schwester der Bäuerin Sezer zu.

Das klingt erst einmal schroff, ist aber die normale Begrüßung. Im grantig-herzlichen Ton geht die Unterhaltung zwischen beiden weiter: Wie ein altes Ehepaar unterhalten sie sich im tiefsten rheinischen Dialekt. „Ich will was mitnehmen“, ruft Sezer im fordernden Tonfall. „Wie heißt das Zauberwort?“ ist die Antwort der robusten Bäuerin.

Der 48-Jährige möchte an diesem späten Nachmittag Gemüse für den nächsten Tag auf dem Bornheimer Hof kaufen, am liebsten auch schon was fürs Wochenende. Rote Bete, Zucchini, Gurken, Mangold – alles was das Herz eines Gemüsehändlers begehrt, stapelt sich auf dem Hof. Doch gerade jetzt ist ein ungünstiger Zeitpunkt. „Wir sind lange nicht fertig, du musst morgen wiederkommen!“ bekommt der Siegburger zu hören. Auch wenn er jetzt keine Ware einpacken kann, nutzt Sezer die Chance und sichert sich sein Gemüse für den nächsten Morgen. „Einmal Schavur, zweimal Fenchel, Spitzkappes... und was haste noch? Ach Piefen!“ Für das ungeschulte Ohr verbinden sich die rheinischen Wörter nur schwer mit Gemüsesorten. Schavur ist der Wirsing, Spitzkappes der Spitzkohl und Piefen sei ja wohl klar, die Lauchzwiebeln, erklären Sezer und seine Bäuerin des Vertrauens.

Gemüse einkaufen, das heißt vor allem eines: weite Strecken mit dem Sprinter zurücklegen. Sezer kommt ins Reden. „Das Kommunizieren ist fast das Schönste an meinem Beruf. Auf den Höfen, wie dem in Bornheim, ist man noch schön ehrlich“, erklärt er. Da bekomme man noch gesagt, ob die Ware gut sei. Außerdem erfahre man viel, was den Markt betreffe, beispielsweise, dass dieses Jahr die Ernte wegen des Wetters extrem schlecht für die Bauern ausgefallen sei, so der Gemüsehändler.

Von Kindesbeinen an arbeitet Sezer im Familiengeschäft „Spanischer Garten“. Sein Vater Mahmut, in den 1960er Jahren als türkischer Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, hat das Geschäft gegründet. Ugur Sezer führt es seit dem Tode seines Vaters mit seiner Frau Fadime weiter. Auch wenn er in einem türkischen Haushalt aufgewachsen ist, nennt er sich einen waschechten Siegburger. „Ich fühle und denke wie ein Deutscher.“

Schnell wird eins klar: Sezer ist mit Leidenschaft bei allem dabei – sei es beim Autofahren, bei Diskussionen über Herzensangelegenheiten oder eben beim Handeln. Was sein Lieblingsgemüse sei? Der Spargel! Den kocht er auch selbst und zeigt lachend dabei auf seinen Bauch: „Das sieht man doch!“ Der Spargel sei ja nicht fettig, aber „dat Sößchen, die Kartöffelchen, dat Bütterchen“ das mache ihn eben dick.

„Junge, jetzt fahr doch mal! Schlafen kannst du später.“ In seinem Sprinter kommt Sezer richtig in Fahrt, als er sich durch die engen Straßen Hersels kämpfen muss. Manche Autofahrer würden einfach das Gehirn nicht einschalten, sagt er mit einem Augenzwinkern. So ziemlich alles, was sich auf den Straßen fortbewegt, wird mit einem Kommentar bedacht. Es wirkt fast wie ein kleines Hobby des robusten Gemüsekönigs.

Doch unter der harten Schale verbirgt sich ein weicher Kern. „Für mich steht immer der Mensch im Vordergrund“, sagt er nachdenklich. „Meine Reste gebe ich an die Tafel oder an Flüchtlinge. Man muss sich mal überlegen, was die alles durchgemacht haben.“ Schon hat er ein weiteres Thema, über das er mit erhobener, aber einfühlsamer Stimme zu philosophieren weiß. So vergeht die Zeit schnell, bis er seinen Sprinter zum Niederkasseler Geflügelhof Wirtz gelenkt hat. Auch dort geht es ruppig-herzlich zu. Nachdem er jedem freilaufenden Huhn einmal „Hallo“ gesagt hat, sucht er Lena auf.

„Ich habe Feierabend, bedien' dich selbst“, ruft sie ihrem vertrauten Kunden zu. „Dass du keine Lust hast zu arbeiten, weiß ich“, stichelt Sezer. Doch die Selbstbedienung ist ihm vertraut. „Ich nehm mir einmal 10er und einmal 6er“, sagt er und greift sich zwei Stapel leere Eierkartons, einmal für zehn und einmal für sechs Eier. Dann füllt er sich noch privat einen Karton mit gekochten bunten Eiern. „Party-Eier“ nennt er sie lachend.

Eines der Hühner, die er vorher begrüßt hat, ist ihm in die Lagerhalle gefolgt. „Ey, du Huhn, Lena hat Feierabend“, ruft er, steigt in den Sprinter und düst wieder davon. Feierabend hat er leider noch nicht. Er muss noch an den Schreibtisch: Rechnungen abgleichen, Lieferscheine sortieren – und und und....... Am nächsten Morgen klingelt der Wecker Ugur Sezer um 2.45 Uhr aus dem Bett. Dann geht er auf den Großmarkt, trifft die Bäuerinnen vom Bornheimer Hof wieder und bekommt seinen Schavur und die Piefen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort