Gegen Gewalt an Frauen Runder Tisch gegen häusliche Gewalt im Rhein-Sieg-Kreis feiert Jubiläum

Siegburg · Jede vierte Frau hat ein Mal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Das Tabuthema öffentlich machen will der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis.

 Der Internationale Tag der Gewalt gegen Frauen wurde im Kreishaus Siegburg zelebriert.

Der Internationale Tag der Gewalt gegen Frauen wurde im Kreishaus Siegburg zelebriert.

Foto: Holger Arndt

Es ist eine Erfahrung, die Frauen mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten verbindet: die Begegnung mit Gewalt – physischer, psychischer, sozialer, finanzieller oder sexueller Art. Wie sehr, zeigen aktuell viele Frauen, die unter dem Hashtag #Me too ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Missbrauch publik machen. „Jede vierte Frau hat ein Mal in ihrem Leben Gewalt erlebt“, weiß Kreisdirektorin Annerose Heinze im Vorfeld des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am Samstag zu berichten. Es sei wichtig, den Mantel des Schweigens zu lüften und das Tabuthema öffentlich zu machen. Dieses Ziel verfolgt seit nunmehr 15 Jahren der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis.

„Wir haben in dieser Zeit viel erreicht“, sagt Jacqueline Michal von der Frauenberatungsstelle Bad Honnef, die von Anfang an mit am Tisch sitzt. „Vieles, was heute selbstverständlich ist, hat sich erst durch den Runden Tisch so entwickelt.“ Seit 2002 kommen Vertreter von Polizei, Frauenberatungsstellen und -häusern, Jugendämtern, verschiedener Wohlfahrtsverbände sowie Gleichstellungsbeauftragte regelmäßig zusammen, um den Schutz von Frauen und Kindern bei häuslicher Gewalt zu verbessern. „Wir wollen verlässliche Hilfestrukturen im gesamten Kreis etablieren und Standards für die Zusammenarbeit zum Abbau häuslicher Gewalt entwickeln“, erklärt die Kreisgleichstellungsbeauftragte Brigitta Lindemann. Eine Vernetzung sei dafür elementar wichtig.

Wie dies in einer akuten Situation funktioniert, erläutert Günter Brodesser, leitender Polizeidirektor bei der Kreispolizeibehörde Rhein-Sieg. Polizisten, die in einem Fall von häuslicher Gewalt ermitteln, vermitteln den Betroffenen sofort einen Kontakt zu den Frauenberatungsstellen und geben ihnen eine Broschüre an die Hand. Parallel informieren sie die Frauenberatungsstelle, die binnen drei Tagen ein Gespräch anbietet. Und auch das Jugendamt wird benachrichtigt, wenn Kinder und Jugendliche im Haushalt leben.

Mehr Möglichkeiten einzugreifen

2016 nutzten im Bereich der Kreispolizeibehörde, zuständig für den rechtsrheinischen Kreis ohne Bad Honnef und Königswinter, 157 von 387 Frauen das Angebot. Das Kommissariat Opferschutz ist die Schnittstelle. „Wir bearbeiten jede Anzeige und vermitteln bei Wunsch den Kontakt zu den Beratungsstellen“, sagt Opferschützerin Lisa Thiebes.

Als Paradigmenwechsel bezeichnet Brodeßer das neue Gewaltschutz- und Polizeigesetz 2002. Die Polizei habe seither mehr Möglichkeiten, bei häuslicher Gewalt einzugreifen. „Wir können den Täter der Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot aussprechen“, sagt er. Damit sei der Täter weg, und das Opfer habe Zeit, sich Hilfe zu suchen. Die Beamten überwachen, ob das Rückkehrverbot eingehalten wird.

„Das ist enorm wichtig für die Frauen“, sagt Ulla Hoefeler von der Frauenberatungsstelle Troisdorf. Sie gewönnen so ein wenig Sicherheit. 210 Frauen haben 2016 Hilfe im Frauenzentrum Troisdorf gesucht. Die Beamten der Kreispolizeibehörde waren im vergangenen Jahr 451 Mal wegen häuslicher Gewalt im Einsatz. „Die Zahlen sind rückgängig“, sagt Lindemann. Allerdings spiegelten sie auch nur die Zahl der Frauen wieder, die Hilfe suchen. Die Dunkelziffer liege höher. Und der Runde Tisch hat noch einiges an Arbeit vor sich: Täterberatung, Wohnungsnot, digitale Gewalt und Hilfe für Kinder sind nur einige der Themen. Über allem steht die zentrale Botschaft: „Gewalt an Frauen wird ernst genommen.“

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