1,4 Millionen Anteile Rhein-Sieg-Kreis soll RWE-Aktien verkaufen

Rhein-Sieg-Kreis · Die SPD und Attac fordern vom Rhein-Sieg-Kreis, sich von seinem RWE-Aktienpaket zu trennen. Während die SPD den Erlös in den Wohnungsbau investieren will, möchte Attac ein Zeichen gegen ein neues Kraftwerk des Konzerns setzen.

Um das RWE-Aktienpaket des Rhein-Sieg-Kreises war es längere Zeit still, nun sorgt es wieder für politische Diskussionen. Sowohl die SPD-Kreistagsfraktion als auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac fordern den Kreis auf, sich von den Aktien zu trennen. Insgesamt besitzt er 1,4 Millionen Stück. Die SPD will den Erlös in den Wohnungsbau und den Breitbandausbau stecken, während Attac ein Zeichen gegen die Planung eines neuen RWE-Kohlekraftwerks in Bergheim-Niederaußem setzen will.

Attac-Vertreter übergaben Landrat Sebastian Schuster am Mittwoch einen Brief: Sie appellieren zusammen mit Partnern wie Greenpeace Köln an die kommunalen Anteilseigner von RWE, ihre Aktien abzustoßen. „Unternehmen, die heutzutage noch Kohlekraftwerke bauen wollen und damit die Klimakrise verschärfen, sollten nicht mit öffentlichen Geldern unterstützt werden“, erklärte Arno Behlau von Attac Rhein-Sieg. Schließlich wolle Deutschland Vorreiter in der Klimapolitik sein, und auch der Kreis habe sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben. Schuster empfing die Attac-Vertreter, „um ihre Arbeit wertzuschätzen“. Auf eine inhaltliche Diskussion mochte er sich jedoch nicht einlassen. Er verwies auf den SPD-Antrag zum Aktienverkauf, der am 13. Juni im Finanzausschuss des Kreistages behandelt werden soll. „Wie wir mit dem Aktienpaket umgehen, ist eine politische Entscheidung.“

Die Beteiligung des Rhein-Sieg-Kreises an dem Energiekonzern ist historisch bedingt. Die 1,4 Millionen Stück RWE-Aktien werden über die Kreis-Tochter Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft gehalten. Die Talfahrt an der Börse schlug sich über die Jahre auf das Eigenkapital des Kreises nieder. So wurde die allgemeine Rücklage 2008 mit 239 Millionen Euro bewertet. Damals stand die RWE-Aktie bei 86 Euro. Infolge ihres Wertverlustes musste die Kreisverwaltung Wertberichtigungen vornehmen, und das Eigenkapital schmolz dahin. Zumindest auf dem Papier. Zum 31. Dezember 2016 betrug es noch 59,2 Millionen Euro. Die Aktie dümpelte damals bei 11,72 Euro, so dass das ganze Paket für den Kreis mit 16,4 Millionen Euro zu Buche schlug. Inzwischen hat sich die Aktie stabilisiert und lag am Mittwoch bei 21 Euro. Der Kreis arbeitet gerade am Jahresabschluss 2017. Gut möglich, dass der Wert der Anteile für den Etat dann wieder höher veranschlagt wird. Man prüfe eine sogenannte Wertaufholung, so Sprecherin Rita Lorenz.

Bieber: Antrag der SPD "sehr populistisch"

Die SPD-Kreistagsfraktion geht von rund 30 Millionen Euro aus. Sie sieht den Zeitpunkt gekommen, das Paket zu verkaufen. „Wir wollen das Geld des Kreises nicht an der Börse anlegen, sondern damit spürbare Verbesserungen für die Menschen erreichen“, sagte der Vorsitzende Dietmar Tendler. Eine Hälfte des Erlöses sollte in die Gründung einer Infrastruktur-Gesellschaft fließen, die etwa in schnelles Internet mit Glasfaserkabel investiert. Die andere Hälfte soll zur Förderung kommunaler Bauprojekte genutzt werden. Folke große Deters, Geschäftsführer der SPD-Kreistagsfraktion: „Wir wollen dauerhaft eine Vielzahl von Wohnungen im öffentlichen Eigentum, damit mehr Menschen zu bezahlbaren Preisen gut wohnen können.“

Bei der CDU stößt die Initiative auf Kopfschütteln. „Das ist ein sehr populistischer Antrag der SPD. Sie kennt sich offenbar nicht im Haushaltsrecht aus“, so der Fraktionsvorsitzende Torsten Bieber. Bei einem Verkauf blieben dem Kreis nicht 30 Millionen Euro, sondern lediglich sechs Millionen Euro, da der Buchwert vom Verkaufswert abgezogen werden müsse. „Den Gewinn darf der Kreis nicht frei verteilen. Er muss zwingend in die allgemeine Rücklage fließen“, so Bieber. Beim Breitbandausbau sei auch nicht fehlendes Geld das Problem, denn das habe der Bund im Koalitionsvertrag für den Gigabitausbau in Aussicht gestellt. Vielmehr werde die Bauwirtschaft mit der Umsetzung nicht hinterherkommen. Beim Wohnungsbau wollen sich CDU und Grüne nicht allein auf geförderte Projekte fokussieren: Jeder Wohnungsbau nehme Druck vom Kessel, lautet die Devise der Koalition. Es fehlen jedoch Wohnbauflächen im Kreis.

Ein Verkauf des RWE-Aktienpakets ist laut Bieber kein Thema: „Man darf nicht nur den Wert sehen. Wichtig sind auch die Dividenden.“ Dem Kreis seien seit 1990 mehr als 50 Millionen Euro zugeflossen, mit denen der Nahverkehr unterstützt worden sei.

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