Kampf um angemessene Vergütung Rechtliche Betreuung im Rhein-Sieg-Kreis in der Krise

Rhein-Sieg-Kreis · Immer mehr Betreuungsvereine in der Region müssen aus finanziellen Gründen aufgeben. Seit nunmehr 13 Jahren hat sich an der Bezahlung nichts verändert.

 Die Anforderungen steigen, die Bezahlung bleibt: Immer mehr Betreuungsvereine müssen aus finanziellen Gründen schließen.

Die Anforderungen steigen, die Bezahlung bleibt: Immer mehr Betreuungsvereine müssen aus finanziellen Gründen schließen.

Foto: picture alliance / Julian Strate

Heinz Kurtenbach ist einer von fünf rechtlichen Betreuern der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Bonn/Rhein-Sieg. Er hilft in finanziellen Belangen, bei Behördengängen oder bei der Gesundheitsfürsorge – und zwar den Menschen, die all das selbst nicht mehr können. Rund 50 Menschen betreut der ausgebildete Sozialarbeiter, 20 mehr als noch vor 15 Jahren. Die Anforderungen steigen, rechtliche Betreuer müssen die Anzahl der von ihnen Betreuten erhöhen. Die Zeit und vor allem das Geld reichen dafür aber nicht mehr aus. 157 Millionen Euro fehlen in Deutschland im Bereich der rechtlichen Betreuung. „Wir machen eine qualitätsvolle Arbeit mit Menschen. Seit 13 Jahren sind wir aber auf demselben Stand der Bezahlung“, sagte Awo-Geschäftsführer Franz-Josef Windisch bei einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft (AG) der Betreuungsvereine im Rhein-Sieg-Kreis. 3,5 Stunden im Monat werden pro Betreutem bezahlt. Oftmals ist der Zeitaufwand aber viel höher.

Seit 2004 betreut Heinz Kurtenbach einen 54-jährigen alkoholkranken Mann. Etwa acht Stunden im Monat nimmt die finanzielle, behördliche und gesundheitsfürsorgliche Betreuung in Anspruch. Doppelt so viel wie im Endeffekt bezahlt wird. Aus der jahrelangen Betreuung zwischen dem 54-Jährigen und Kurtenbach hat sich in den letzten 15 Jahren eine Freundschaft entwickelt. „Die Betreuung hat ihm Stabilität gegeben“, sagte Kurtenbach. Warum Menschen rechtlich betreut werden müssen, ist unterschiedlich. Oftmals geht dem eine Erkrankung oder ein schwieriger Lebensweg voraus. Wie auch hier: Nachdem er als Kind von Pflegeeltern eingesperrt und misshandelt wurde, wurde der heute 54-Jährige obdachlos. „Ich bin irgendwann abgehauen, habe auf der Straße gelebt und Alkohol getrunken“, erzählt er. Schreiben und Lesen durfte er in seiner Kindheit nie lernen. Heute hat der 54-Jährige eine Wohnung und arbeitet als Hausmeister. Auch darum hat sich Heinz Kurtenbach gekümmert. Als rechtlicher Betreuer hält er Kontakt zu Arbeitgeber und Vermieter. „Das ist ein bemerkenswerter Lebensweg“, sagte Kurtenbach. „Das ist aber nicht mein Verdienst, sondern seiner.“ Der 54-Jährige schätzt die Beziehung zu seinem Betreuer: „Ich bin sehr stolz auf seine Hilfe und traurig, wenn er mal in Rente geht.“

Vergütet wird Kurtenbach als rechtlicher Betreuer nach Tarif. Das Geld fehlt bei den Vereinen: Immer mehr Betreuungsvereine müssen aus finanziellen Gründen schließen. „Wir wollen keine Gewinne machen, sondern kostendeckend arbeiten. Aber das klappt nicht“, sagte Awo-Geschäftsleiter Windisch. „Das ist ein hohes professionelles Betreuungswesen, das in Deutschland aktuell in Gefahr ist“, meinte auch Michael Pfeiffer vom Katholischen Verein für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis (SKM).

Seit fast zehn Jahren betreut er als Vereinsbetreuer einen 71-Jährigen aus Sankt Augustin, der ohne soziales Umfeld mit den täglichen Aufgaben überfordert ist. „Oft fehlen Angehörige und Freunde. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Es gibt immer mehr Menschen, die wirklich allein sind“, berichtete Jutta Oehmen, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen. Der 71-Jährige arbeitete als Lehrer und studierte Medizin. Später rutschte er in die Alkoholkrankheit und geriet immer mehr in einen Kaufrausch. „Ich habe mein Geld großspurig ausgegeben. Das war irgendwann so viel, dass das jetzt Herr Pfeiffer für mich regeln muss“, erzählte er. Auch Krankenhausaufenthalte und Behördengänge regelt Pfeiffer für den 71-Jährigen.

„Weitere Schließungen von Betreuungsvereinen sind bereits angekündigt. Das ist ein ganz großer gesellschaftlicher Einschnitt, der dann droht“, sagte Pfeiffer. Der Bundesrat diskutiert aktuell über die Erhöhung der Stundensätze. Für Jutta Oehmen nach 13 Jahren ohne Erhöhung dringend notwendig: „Das ist wirklich eine Geduldsstrapaze.“

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