Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge Projekt zur Flüchtlingsintegration an Siegburgs Schulen

Siegburg · Ein Kooperationsprojekt soll die Integration an Schulen vereinfachen. Für das Projekt, das wissenschaftlich begleitet wird, stellte die Stadt Siegburg zwei Sozialarbeiterinnen ein, die sich in das Schulleben einbringen.

 An einem neuen Integrationsprojekt, das wissenschaftlich begleitet wird, nehmen Realschulleiterin Iris Gust (links) Lehrer René Hörscher teil.

An einem neuen Integrationsprojekt, das wissenschaftlich begleitet wird, nehmen Realschulleiterin Iris Gust (links) Lehrer René Hörscher teil.

Foto: Holger Arndt

Ein Projekt, das es in der Region so bisher noch nicht gibt, haben die evangelische Kirche als Vorhabenträger, das Schulzentrum Neuenhof und die Stadt Siegburg entwickelt: Eine Sozialpädagogin und eine Studentin kümmern sich künftig um Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien im Schulzentrum, zu dem drei Schulen gehören. Auch ihre Eltern werden bei dem sozialpädagogischen Kooperationsprojekt einbezogen. So erhoffen sich die Beteiligten eine funktionierende Integration in den Lebensalltag und den Schulen.

„Im Januar dieses Jahres haben wir uns mit den drei Schulleitern der Real-, Gesamt- und Hauptschule zusammengesetzt“, sagt Stephan Langerbeins, Geschäftsführer des Evangelischen Kinder- und Jugendreferats An Rhein und Sieg und Bonn. „Dabei haben wir herausgestellt, wo die Herausforderungen bei jungen Menschen sowohl schulisch als auch in ihrer Freizeit liegen.“ Probleme, die geflüchtete Kinder mitbringen, seien etwa ihre traumatische Flucht und die damit verbundenen Erfahrungen.

„Sie sind in ihrem Leben bereits stark gefordert worden und laufen dann manchmal in eine falsche Richtung.“ Außerdem soll das Projekt auch die Integration der Zuwanderer untereinander vereinfachen. Denn laut Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn gehen sie hämisch miteinander um, etwa wenn der eine Bleiberecht hat und der andere nicht. „Daher unterzeichnen wir einen Kooperationsvertrag für die kommenden drei Jahre, um für ein vernünftiges Miteinander an den Schulen zu sorgen“, so Huhn. Für das Projekt wurden zwei Sozialarbeiterinnen eingestellt, die sich in das Schulleben einbringen. Am kommenden Freitag beginnt eine Sozialpädagogin, die auch Therapeutin und Ethnologin ist, in Vollzeit. Seit Oktober ist zudem eine Ergänzungskraft im Dienst, die als Dual-Studentin eine 20-Stunden-Stelle hat.

Projekt finanziert sich rein aus kommunalen Mitteln

Die Arbeit wird wissenschaftlich begleitet. Aus den Erkenntnissen erhoffen sich die Kooperationspartner einen Schub für die große Aufgabe der Integration. Mit 100 000 Euro finanziert sich das Projekt rein aus kommunalen Mitteln. Für die Arbeit der beiden Frauen steht das ehemalige Lehrerarbeitszimmer in der Alexander-von-Humboldt-Realschule zur Verfügung. Auch werden sie sich im Kulturcafé des Evangelischen Jugendreferats aufhalten, um Gespräche außerhalb des Unterrichts mit den Jugendlichen zu führen.

Einige Erfahrungen haben die Schulleiter bereits mit jungen geflüchteten Menschen gemacht: „In der fünften Klasse haben Kinder aus Afghanistan auf der Überfahrt gesehen, wie ihre Mitmenschen ertrunken sind“, so Jochen Schütz, Schulleiter der Gesamtschule Siegburg. „Oder sie sahen morgens in der Schule Videos von ihren toten Freunden in den Nachrichten.“ An ein Kind erinnert sich Anna-Maria Steinheuser, Schulleiterin der Ganztagshauptschule mit Inklusionsklassen: Es trug ein Jahr lang jeden Tag dieselben Kleidungsstücke. „Auf der Flucht wurde es irgendwo in München ausgesetzt – nur mit einer Telefonnummer“, so Steinheuser.

„Das sind Erfahrungen, die die Kinder mit an die Schulen nehmen. Sie sind stark traumatisiert, und es dauert lange, bis sie darüber reden.“ Hinzu komme, dass die Eltern oft hilflos seien und ihren Kindern nicht beistehen können. Viele geflüchtete Kinder und Jugendliche sind seit rund drei Jahren an den Schulen. „Wir haben mehr als 50 Kinder, die von Beginn an im System stehen und an der Schule geblieben sind“, sagt Iris Gust, Schulleiterin der Realschule. An der Hauptschule sind es laut Steinheuser 65 Kinder und Jugendliche, Schütz zählt an der Gesamtschule 44. „Dabei kommen rund 20 Nationen zusammen, etwa aus der Türkei oder Polen“, sagt Schütz. Wichtig ist allen Beteiligten, jeden einzelnen Menschen zu sehen und somit Einzelfallberatung anzubieten.

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