Girls' Day Mädchen bei der Bundespolizei und der Feuerwehr

SIEGBURG/SANKT AUGUSTIN · Julia Hildebrandt musste ihre ganze Kraft aufwenden, um das Seitenfenster des alten Ford Fiesta zum Bersten zu bringen. Wachabteilungsleiter Harald Reuter zeigte der Zwölfjährigen, wie die Feuerwehr bei einem Unfallwagen vorgehen würde. "Das sieht so leicht aus, aber ich war überrascht, was da für ein Druck auf dem Fenster war", sagte die Schülerin der Siegburger Alexander-von-Humboldt-Realschule im Nachhinein.

 In voller Montur joggen die Mädchen bei der Bundespolizei über das Gelände.

In voller Montur joggen die Mädchen bei der Bundespolizei über das Gelände.

Foto: Welt

Am Girls' Day hatten Julia und sieben andere Mädchen am Donnerstag die Möglichkeit, bei der Berufsfeuerwehr Siegburg in den Arbeitsalltag hineinzuschnuppern. So wie 60 Mädchen bei der Sankt Augustiner Bundespolizei. Schätzungsweise 130 000 Mädchen und Jungen nutzten bundesweit das Angebot, einen Beruf kennenzulernen, der bisher eher als "typischer" Männer- oder Frauenberuf gilt.

Die 14-jährige Emily Deußen kann sich sehr gut vorstellen, als Feuerwehrfrau zu arbeiten. Bereits jetzt engagiert sie sich bei der Jugendfeuerwehr. Der Schülerin des Rhein-Sieg-Akademie Kunstkollegs in Hennef fiel es daher leicht, das Seitenfenster des Übungsautos an der Feuerwache am Neuenhof einzudrücken.

Mit einem lauten Knall zersplitterte das Glas. Die richtige Schutzkleidung sei dabei besonders wichtig, zeigten die Feuerwehrleute. Neuere Autos seien inzwischen fast alle mit Sicherheitssystemen wie Airbags oder Stahlbalken ausgestattet. "Das ist toll für die Insassen, aber schwierig für uns, wenn wir wirklich jemanden aus dem Wagen retten müssen", erklärte Feuerwehrmann Reuter.

Die Schülerinnen probierten nacheinander Schutzkleidung und Werkzeug aus. Sie waren ganz unterschiedlich auf den Aktionstag und das Angebot der Siegburger Feuerwehr aufmerksam geworden. Die 13-jährige Finja Weckauf wurde von ihrem Nachbarn, der als Feuerwehrmann arbeitet, darauf hingewiesen. Am Siegburger Anno Gymnasium informierte die Klassenlehrerin einer achten Klasse die Mädchen und Jungs über den Aktionstag. Julia Hildebrandts Vater hatte selber einmal als Feuerwehrmann gearbeitet und das Interesse bei seiner Tochter geweckt.

Die acht Mädchen kamen von fünf verschiedenen Schulen aus Siegburg, Hennef und Lohmar. Wer bei der Feuerwehr arbeiten möchte, müsse mindestens einen Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen, erklärte Thomas Glatz, Leiter der Siegburger Feuerwehr. Die Feuerwehrgrundausbildung dauere dann anderthalb Jahre, dazu kommen Weiterbildungen.

Bei der Bundespolizei in Sankt Augustin warteten 25 Polizistinnen an fünf Stationen, die eigens für diesen Tag aufgebaut wurden, auf die 60 Teilnehmerinnen. So durften sie einen brennenden Dummy mit dem Feuerlöscher in Brandschutz-Ausrüstung retten oder sich mit einem so genannten Mehrzweck-Einsatzstock ebenfalls in kompletter Ausrüstung zur Wehr setzten. Auch der Wasserwerfer (WaWe 9), das ältere Modell der beiden in Sankt Augustin vorhandenen Fahrzeuge, wurde den Mädchen vorgeführt.

Für die 14-jährige Eva Marie war dieser Tag auf jeden Fall eine Bestätigung ihres Berufswunsches. Sie besucht das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Bonn und will gerne ihr Berufspraktikum auch bei der Bundespolizei absolvieren und eventuell dann eine Ausbildung anschließen. "Ich fand es toll, dass wir alles ausprobieren durften", strahlt sie, nachdem sie sich soeben vom zweiten Stock eines Gebäudes abgeseilt hatte. So konnte sie erfahren, wie schwer es doch ist, sich in der rund 25 Kilogramm schweren Ausrüstung noch zu bewegen oder gar zu laufen.

Aber genau das gefällt ihr besonders, denn nur im Büro zu sitzen, wäre nicht ihr Ding. Das sieht Pressesprecherin Samut Mukkades ähnlich. Sie kam vor 24 Jahren als eine der ersten Frauen eher zufällig zur Bundespolizei und würde diese Entscheidung jederzeit wieder treffen. Rund 15 Prozent der insgesamt 650 Bediensteten in Sankt Augustin sind Frauen. Bundesweit liegt die Quote der Bundespolizistinnen bei zehn Prozent.

Der Aktionstag

Der Girls' Day und der Boys' Day, auch Mädchen- oder Jungenzukunftstag genannt, sind Projekte des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit. Einmal im Jahr können Schüler an diesem Tag in einen "typischen" Männer- oder Frauenberuf hineinschnuppern. Der Verein setzt sich für Chancengleichheit von Frauen und Männern im Beruf ein und fördern die Vielfalt als Erfolgsprinzip in Wirtschaft und Gesellschaft. Girls' Day und Boys' Day werden vom Bundesbildungsministerium, Familienministerium und dem Europäischen Sozialfonds gefördert.

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