„Es geht mir nicht schnell genug voran“ Landrat Sebastian Schuster kritisiert Bonn

Rhein-Sieg-Kreis · Landrat Sebastian Schuster wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit in der Region. In der Kooperation mit Bonn sieht er jedoch Defizite. Vor allem die gemeinsame Gewerbeflächenpolitik geht ihm zu langsam voran.

Landrat Sebastian Schuster ist ein Verfechter der interkommunalen Zusammenarbeit. Was sperrig klingt, ist aus seiner Sicht von existenzieller Bedeutung: Im Schulterschluss mit den Nachbarn lässt sich mehr erreichen. Ob bei der gemeinsamen Gewerbeflächenpolitik und Wohnraumbedarfsplanung mit Bonn, bei der Regionale 2025 oder in der Metropolregion Rheinland. Was sich Schuster von diesen Projekten verspricht und wo es noch hakt – darüber sprachen mit ihm und .

Wo hat der Landrat in diesem Sommer seinen Urlaub verbracht?

Sebastian Schuster: Ich bin für vier Tage mit meinem 22-jährigen Sohn nach Rhodos geflogen und habe mich gut erholt. Der Jahresurlaub steht Mitte Oktober an. Dann geht es nach Südafrika – ein Geschenk zu meinem Sechzigsten, den ich im vergangenen Jahr gefeiert habe.

Sie sind als Landrat auch Chef der Kreispolizeibehörde. Was sagen Sie zu der Diskussion, wonach die Bonner Polizei überlegt hatte, wegen des Klimagipfels keine Martinszüge zu begleiten? Droht das auch in Ihrem Zuständigkeitsbereich?

Schuster: Nein. Diese Diskussion bezieht sich auf das Einzugsgebiet des Bonner Polizeipräsidiums, das auch für das linksrheinische Kreisgebiet und das Siebengebirge zuständig ist. Wie man jetzt der Presse entnehmen konnte, besteht die Gefahr ja wohl nicht mehr. Ich fände es schade, wenn dieses schöne Brauchtum der Martinszüge in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt würde.

Bonn und der Kreis wachsen weiter zusammen. In Teilen des Kreises ist es schwierig geworden, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Selbst Gutverdiener, die bis zu 400 000 Euro für ein Eigenheim ausgeben würden, werden heutzutage nicht fündig. Was läuft da schief?

Schuster: Ich weiß nicht, ob man da von „schieflaufen“ sprechen sollte. Wir sind eine attraktive Zuzugsregion mit Hochschulen, mit sicheren Arbeitsplätzen und nahezu Vollbeschäftigung, wir haben tolle Landschaften und Freizeitangebote, wir erreichen innerhalb von einer Stunde drei große Flughäfen. Natürlich müssen wir uns der Herausforderung „Wohnraum“ stellen. Wir haben ja die Wohnraumstudie initiiert, die bis 2030 einen Bedarf von 30 000 weiteren Wohneinheiten ergeben hat.

Die Studie wurde 2016 vorgestellt. Sind die richtigen Schlüsse daraus gezogen worden?

Schuster: Manche Städte – etwa Hennef und Königswinter – haben vertiefende Analysen in Auftrag gegeben. Letztlich liegt die Planungshoheit bei den Kommunen. Sie müssen selbst entscheiden, wie viele Einwohner sie noch aufnehmen. In den Ballungsgebieten fehlt teilweise die Bereitschaft, aus verschiedenen Gründen. Manche Kommunen stoßen kapazitätsmäßig an ihre Grenzen. Aber auch die Finanzen spielen eine Rolle, denn Zuzug kostet! Schließlich muss bei weiterem Wachstum die Infrastruktur angepasst werden: Schulen, Kindergärten, Sportplätze – all das kostet Geld. Die Frage ist dann immer, ob das über die Schlüsselzuweisungen des Landes wieder hereinkommt.

Das heißt, im Umfeld von Bonn geht gar nichts mehr?

Schuster: Je weiter man in den Osten des Kreises geht, desto größer wird die Bereitschaft, mehr Einwohner aufzunehmen. Doch kleine Kommunen haben kaum eigene personelle Kapazitäten, das Thema anzugehen. Besonders dort bieten wir Unterstützung an.

Im Zusammenhang mit der Studie kam auch wieder das Thema sozialer Wohnungsbau auf. Gerade dort bestehe enormer Nachholbedarf, beklagen Sozialverbände.

Schuster: Wir brauchen sozialen Wohnungsbau, doch letztlich muss es eine gute Mischung geben. Ich halte nicht viel von Planwirtschaft. Es wäre nicht richtig, wenn man zum Beispiel bei jedem Bebauungsplan 30 Prozent sozialen Wohnungsbau festlegen würde. Aber man muss dieses Thema im Auge behalten. Wo Wohnraum nicht mehr bezahlbar ist, gibt es Verdrängungseffekte. Die Menschen, die sich die Mieten nicht mehr leisten können, ziehen dann in günstigere Gegenden und bringen dort unter Umständen auch soziale Probleme mit – mit Folgekosten für die Kommunen.

Wie wollen Sie verhindern, dass die ärmeren, ländlichen Gebiete im Osten des Kreises abrutschten?

Schuster: In Form der Regionale 2025 haben wir den entscheidenden Hebel. Die damit verbundenen Förderprogramme im dreistelligen Millionenbereich geben uns die Chance, das Gefälle abzufedern. Digitalisierung, Mobilität und demografische Entwicklung sind dabei die großen Themen. Wir stimmen uns gerade mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis und dem Oberbergischen Kreis über die Gründung einer Projektgesellschaft ab, die all das ab Januar mit Volldampf in Angriff nimmt.

Das klingt noch vage.

Schuster: Ich nenne mal ein mögliches Beispiel: Wir könnten uns vorstellen, dass die Hochschulen auf dem Land mehr Präsenz zeigen. Im Gespräch ist eine Außenstelle der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg in Neunkirchen-Seelscheid. Aber im Moment ist noch nichts spruchreif. In einem Ideenspeicher sammeln wir ab Januar unter Beteiligung von Politik und Kommunen Projekte und entscheiden dann, welche davon in die Förderkulisse passen und umgesetzt werden. Ich bin davon überzeugt, dass das ein Erfolg wird. So wie die Regionale 2010, von der etwa der Drachenfels und die Chorruine Heisterbach profitiert haben.

Stichwort Digitalisierung: Wie steht es mit dem Breitbandausbau?

Schuster: Wir liegen im Plan. Die Verträge mit den Telekommunikationsunternehmen sind fast fertig, das ganze Paket geht nach den Sommerferien nach Berlin. Und dann bekommen wir den endgültigen Förderbescheid. Seitens des Bundes und des Landes stehen bis zu 20 Millionen Euro zur Verfügung, die zum Ausbau des schnellen Internets eingesetzt werden können. Ende 2018 sind 95 Prozent des Kreises mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde ausgerüstet. Davon profitieren allein mehr als 2000 Unternehmen.

Wie weit sind die Pläne gediehen, mit Bonn gemeinsame Gewerbeflächenpolitik zu betreiben?

Schuster: Wir warten auf eine klare Aussage der Bonner, die dazu noch ein Gutachten in Auftrag gegeben haben. Dabei liegen die Fakten längst auf dem Tisch. Aus der von uns in Auftrag gegebenen Studie von 2015 geht hervor, dass Bonn mindestens 80 Hektar Gewerbeflächen braucht, selbst aber kurzfristig nur sieben oder acht verfügbar hat. Bonn wird also nur noch im Kreisgebiet wachsen können, vor allem im Linksrheinischen. Wir müssen langsam zu Potte kommen, sonst laufen uns weitere Firmen weg. Ich bin froh, dass wir uns Anfang September mit dem Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Stefan Raetz als Sprecher der Bürgermeister bei Regierungspräsidentin Gisela Walsken treffen.

Ihr guter Draht zum Bonner OB Ashok Sridharan konnte das Verfahren nicht beschleunigen?

Schuster: Das Verhältnis zwischen uns ist wirklich gut, aber in Bonn dauert alles etwas länger, was ich zum Teil nachvollziehen kann. Ich würde mir wünschen, dass dort der interkommunalen Zusammenarbeit mit dem Kreis höhere Priorität eingeräumt wird. Das Denken in größeren Zusammenhängen wird immer wichtiger, weil wir uns international messen müssen. Deshalb ist mir auch die Metropolregion Rheinland so wichtig, bei der die Städte und Kreise der Rheinschiene zusammenarbeiten. Aber auch da bin ich da etwas ungeduldig, es geht es mir nicht schnell genug voran.

Wieso?

Schuster: Fünf Monate nach der Gründung gab es noch nicht einmal eine Mail- oder eine Postadresse. Nach fünf Monaten! Das bekommt jeder ehrenamtlich geführte Verein schneller hin. Wir haben jetzt zwei Interims-Geschäftsführer, und es geht voran.

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