Serie Kennzeichen SU Klagen gehören zum Alltag

RHEIN-SIEG-KREIS · In der Serie „Kennzeichen SU“ stellen wir ab sofort jeden Montag Menschen und ihre für den Rhein-Sieg-Kreis bedeutenden Themen vor. Im ersten Teil haben wir Achim Baumgartner besucht. Er tritt mit dem BUND konsequent für Naturschutz ein – ein ständiger Kampf.

Ein goldener Herbsttag in Sankt Augustin-Niederpleis. Hinter einem unscheinbaren Wohnhaus stehen Anhänger, bestückt mit Pflänzchen. Achim Baumgartner greift zur Gießkanne. Trocken ist es – zu trocken. Kein günstiger Zeitpunkt, das zarte Grün an den eigentlichen Bestimmungsorten einzupflanzen: Wirbeldost und Büschelnelken für Bornheim, Blutweiderich für das Naafbachtal in Lohmar.

Das unscheinbare Haus ist Sitz der Kreis-Geschäftsstelle des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Achim Baumgartner ist dessen Sprecher. Die ehrenamtlich geprägte Kreisgruppe wurde vor 20 Jahren gegründet und ist keineswegs unscheinbar. Sie engagiert sich vielerorts in der Biotop-Pflege und im Artenschutz, vor allem aber als politisches Sprachrohr des Naturschutzes. Der BUND nimmt kreisweit Einfluss auf Planungen. Oft als Bedenkenträger, der Konflikte und Klagen nicht scheut.

Deshalb eilt Baumgartner und seinen Mitstreitern der Ruf ideologisch getriebener Verhinderer voraus. Die Papstmesse zum Weltjugendtag 2005 in Hangelar? Abgeblasen, auch wegen Naturschutzbedenken. Der schicke Glaskubus auf dem Drachenfels? Muss nach einer BUND-Klage Streifenmuster zwecks Vogelschutz tragen. Die neue Rheinbrücke zwischen Wesseling und Niederkassel? Das gesamte Spektrum von Politik und Wirtschaftsverbänden ruft laut „Ja!“, nur der BUND lehnt das Großprojekt grundsätzlich ab.

Verband schaut genau hin

Wie es sich anfühlt, immer als Spielverderber zu gelten? „Ich könnte mir auch Schöneres vorstellen, als den Buhmann zu spielen“, sagt Baumgartner, ein hoch aufgeschossener Mann von Mitte 40. Er wirkt gelassen, in sich ruhend. Und doch lässt er keinen Zweifel daran, dass sein Verband genau hinschaut, wenn irgendwo im Kreis geplant und entwickelt wird. Der Naturschutz, sagt er, ziehe immer wieder den Kürzeren. Er werde in Kommunen wie auch auf Kreisebene – dort ist die Untere Landschaftsbehörde angesiedelt – durch Ausnahmeregelungen unterlaufen und ausgehöhlt. Und das, obwohl es sich um geltendes Recht handele, das in vielen Fragen keinen Ermessensspielraum lasse. „Die Rechtswendung ist Sache der Behörden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn es von der Zivilgesellschaft eingefordert werden muss“, sagt Baumgartner.

Der BUND schaltet sich mit Stellungnahmen in politische Diskussionen und Genehmigungsverfahren ein, an denen er auch formal beteiligt ist. Nicht selten kommt es zur Klage. So zum Beispiel beim Ausbau der Bahnstrecke für die S 13 zwischen Troisdorf und Oberkassel. Erst als die Vernetzung von Biotopen sichergestellt war, willigte der Verband ein. In Swisttal-Heimerzheim ist ein Klageverfahren wegen der Einrichtung eines Friedwalds anhängig, dort sieht der BUND Greifvögel gefährdet. Besonders konfliktträchtig ist das Siebengebirge: Auf der einen Seite stehen Tourismus, Naherholung und bauliche Nutzung, auf der anderen die Naturschutzziele des Flora-Fauna-Habitat-Gebiets. „Laut Bundesnaturschutzgesetz sind Nutzungen dort nur dann zulässig, wenn die Schutzziele nicht gefährdet sind. Diese Hürde wird im Siebengebirge klar gerissen“, sagt Baumgartner.

Häufige Interventionen im Siebengebirge

Entsprechend häufig intervenierte der BUND dort, sei es bei der Sicherung des Siegfriedfelsens, sei es bei der neuen Nutzung für den ehemaligen Jugendhof. Bei der Gestaltung des Glaskubus auf dem Drachenfelsplateau hatte der BUND mit einer Klage Erfolg, bei der Sanierung des touristisch bedeutenden Eselswegs nicht. Überall, monieren die Naturschützer, rücke der Mensch Flora und Fauna auf die Pelle. Mit dem Ergebnis, dass bestimmte Arten kaum noch vertreten seien. Bei Schwarzstörchen und Wanderfalken gibt es laut BUND jeweils nur noch ein Brutpaar. Zwar habe das neue Wegenetz Naturschutz-Belange berücksichtigt, doch werde dies den Bürgern nicht ausreichend klargemacht, so Baumgartner, der von Haus aus Landschaftsarchitekt ist.

Einen ganz ähnlichen Konflikt – Tourismus versus Naturschutz – wird der BUND demnächst an der oberen Sieg ausfechten: Bei Schladern soll eine Lücke im Siegtalradweg geschlossen werden, durch eine Brücke am Siegufer. Der Kreis ist überzeugt, eine verträgliche Lösung gefunden zu haben, doch sein Landschaftsbeirat zieht nicht mit. Auch Baumgartner findet die Planung fragwürdig. Aktuell arbeitet er an einer Stellungnahme, sie wird sehr umfangreich ausfallen.

Vergleichbare Streitigkeiten sind programmiert. Der von sehr unterschiedlichen Landschaftsformen geprägte Kreis wächst. Die Einwohnerzahl von derzeit 596 000 wird steigen, 2040 werden es nach aktuellen Daten von IT.NRW mehr als 615 000 sein. Zudem drängt Bonn mit neuen Gewerbeflächen ins Kreisgebiet. Natürlich müsse es Entwicklung geben, sagt Baumgartner, der in Sankt Augustin groß geworden ist und schon mit 14 beim BUND mitwirkte. Nur wünscht er sich mehr Dialog mit Entscheidungsträgern. Und: Er wirbt dafür, dass auch der Naturschutz ein Wirtschaftsfaktor sein kann, begünstigt durch Fördermittel, die auch der BUND über Stiftungen, EU und Land NRW besorgen könne.

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