Verabschiedung in den Ruhestand Interview mit dem Kreisveterinär des Rhein-Sieg-Kreises

Rhein-Sieg-Kreis · Hanns von den Driesch, Leiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Rhein-Sieg-Kreises, blickt zum Abschied zurück. Der promovierte Tierarzt sieht ein hohes Risiko bei der afrikanischen Schweinepest.

Lebensmittelskandale, Tierseuchen, verschmutzte Restaurantküchen und Verstöße gegen den Tierschutz – Hanns von den Driesch ist Krisenmanager von Berufs wegen. Seit 17 Jahren kümmert er sich als Leiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Rhein-Sieg-Kreises um den Schutz von Verbrauchern. Ende des Monates verlässt der Tiermediziner die Behörde und tritt in den passiven Teil seiner Altersteilzeit ein. Im Interview mit GA-Redakteur blickt er zurück auf die aufregendsten Fälle seiner Dienstzeit und berichtet über die Gefahr, die dem Kreis durch die afrikanische Schweinepest droht.

Nach 17 Jahren auf Ihrem Posten – können Sie überhaupt noch unbeschwert im Restaurant essen gehen?

Hanns von den Driesch: Natürlich. Ich gehe sehr gerne in Restaurants. Von den negativen Erfahrungen macht man sich frei. Ich würde auch, wenn ich weiß, dass ich abends in einem Restaurant esse, nicht gucken, wie dort die letzte Kontrolle ausgesehen hat. Bei Imbissbetrieben oder Märkten achte ich schon darauf, ob ein Handwaschbecken vorhanden ist. Hat ein Mitarbeiter beim Bedienen Handschuhe an, wenn er ebenfalls Geld in Empfang nimmt?Nach solchen Dingen sollte eigentlich jeder Verbraucher schauen. Aber man muss auch sagen: Insgesamt steigt das Hygienebewusstsein in den Betrieben.

BSE, Gammelfleisch, Vogelgrippe: Die Liste der Krisen, die Sie bewältigen mussten, ist lang. Gibt es in Ihrem Job überhaupt so etwas wie Routine?

Von den Driesch: Es war wirklich eine intensive Zeit. Jede Krise ist anders und stellt immer wieder eine neue Herausforderung dar. Man kann sich auf diese häufigen Ausnahmefälle nicht wirklich einstellen. Man kommt morgens ins Büro und als erstes hört man Gammelfleisch hier oder Pferdefleisch in der Lasagne dort. Damit rechnet man ja nicht. Letztlich ist es aber auch die Abwechslung, die den Beruf reizvoll macht. Ich habe mich nie als reinen Verwaltungsmitarbeiter gesehen, sondern vor allem als Tierarzt.

Welche Fälle sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Von den Driesch: Dazu zählt sicher der Ehec-Skandal 2011. An dem Erreger sind Menschen gestorben. Auch bei uns im Kreis war eine ganze Familie schwer erkrankt. Und es war im Grunde eine kriminalistische Jagd nach der Ursache. Zuerst standen Salate, Tomaten, Gurken im Verdacht. Die betroffene Landwirtschaft lag darnieder, weil keiner mehr die Produkte kaufen wollte, vor denen zuvor gewarnt wurde. Letztlich gelang es uns im Kreis, den Nachweis zu erbringen, dass Sprossen Träger des Erregers waren. Ein anderer Fall war der Ausbruch der infektiösen Anämie bei Pferden 2012. Das damals erkrankte Fohlen in Bornheim einzuschläfern und dann die Stute zu beobachten, die ganz aufgeregt hin und her rannte – das sind keine schönen Erinnerungen. Der Ausbruch löste die größte Untersuchung bundesweit aus. Es wurden insgesamt rund 2000 Pferde untersucht, davon allein 700 im Rhein-Sieg-Kreis. In vielen Tierschutzfällen sieht man viel Elend. Das ist auch für die Mitarbeiter manchmal eine psychische Belastung.

Nachrichten über Lebensmittelskandale und Tierseuchen werden gefühlt immer häufiger. Warum?

Von den Driesch: Der Handel ist heutzutage globalisiert. Lebensmittel kommen aus der ganzen Welt, auch immer exotischere Lebensmittel. Das bringt neue Herausforderungen und Probleme mit sich. Auf der anderen Seite sind Kontrollen heute viel häufiger, und die Methoden werden immer feiner. Sie finden heute kleinste Rückstände. Zudem verbreiten sich Meldungen heute durch das Internet rasend schnell. Als ich damals angefangen habe, bekamen wir unsere Infos noch über Telefax oder eben die Post. Insgesamt muss man aber sagen, dass die Qualität der Lebensmittel besser ist als vor 20 oder 30 Jahren.

Gibt es ausreichend viele Kontrolleure im Kreis?

Von den Driesch: Die Fallzahlen alleine im Tierschutz sind enorm gestiegen. Bei uns laufen im Jahr rund 550 Tierschutzanzeigen auf, also etwa zweieinhalb pro Arbeitstag. Und wir reden da nicht über Routinekontrollen, die wir auch machen müssen. Der Doppelhaushalt 2019/20 ist in Arbeit, die Personalverhandlungen laufen.

Die nächste Epidemie klopft bereits an unsere Haustür. Ist ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) überhaupt noch zu verhindern?

Von den Driesch: Das Einschleppungsrisiko ist nach Ansicht des Friedrich-Löffler-Instituts sehr hoch. Es gibt keine zuverlässige Methode, den Ausbruch der Seuche, insbesondere bei Wildschweinen, zu verhindern.

Wieso ist es so schwierig, eine Einschleppung zu verhindern?

Von den Driesch: Es besteht die Gefahr, dass das Virus eher indirekt über Fleischerzeugnisse und tierische Lebensmittel eingeschleppt wird als direkt durch eine Übertragung von Tier zu Tier. Speisereste, die aus betroffenen Gebieten in Osteuropa eingeführt und etwa an Raststätten achtlos weggeworfen werden, können das Virus beinhalten. Wildschweine sind Allesfresser, machen sich über die Reste her und infizieren sich.

Was wären die Folgen für den Kreis?

Von den Driesch: Die Auswirkungen wären nicht nur für den Kreis, sondern insgesamt für die schweinehaltende Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion und den Handel in NRW und Deutschland dramatisch. Es droht ein enormer wirtschaftlicher Schaden durch globale Handelsrestriktionen.

Welche Maßnahmen ergreift der Kreis bereits und welche könnten folgen?

Von den Driesch: Eine Maßnahme ist die Reduzierung der Schwarzwildbestände. Wir hatten in den vergangenen Jahren rund 2500 erlegte Wildschweine pro Jahr. Im Jagdjahr 2017/18 werden es mindestens 1000 mehr sein. Das verhindert die Einschleppung nicht, aber im Zweifel die schnelle Weiterverbreitung des Virus. Zudem bereiten wir uns darauf vor, Wildsammelstellen einzurichten, zu denen Jäger ihre erlegten Wildschweine bringen müssen, um sie untersuchen zu lassen.

Was haben Sie für die Zeit Ihres Ruhestands geplant?

Von den Driesch: Ich hab keine Angst, dass ich mich langweilen werde. Einmal werde ich viel reisen. Eine erste Reise nach Asien ist schon geplant. Ansonsten freue ich mich, mehr Zeit für Gartenarbeit und meine eigenen Tiere zu haben. Zudem plane ich, mich ehrenamtlich zu engagieren.

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