Häftling wurde vor der Flucht verurteilt Ein Jahr und drei Monate ohne Bewährung

Siegburg · Der geflüchtete Straftäter muss wegen mehrfachen Einbruchdiebstahls und Körperverletzung ins Gefängnis. Ein Schöffengericht verurteilte ihn direkt vor seiner Flucht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung.

Der 24-jährige Serbe kam bereits aus der Untersuchungshaft, als er sich vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Ulrich Wilbrand verantworten musste. Nach der Urteilsverkündung sollte er gleich wieder in die Siegburger Justizvollzugsanstalt (JVA) überführt werden. Beim Transport dorthin gelang ihm jedoch die Flucht (wir berichteten).

Bereits von Mitte März des Jahres bis zum 10. Mai hatte der Mann in der JVA eingesessen, war dann aber von der Haft verschont worden, um ihm die Gelegenheit zu geben, einen Schulabschluss zu machen.

Die Beweisführung vor Gericht gestaltete sich allerdings alles andere als einfach: Der Angeklagte stritt zwei von drei Einbrüchen ab. Beweise hatte er an den Tatorten nicht hinterlassen. Darum konnte sich das Gericht nur auf die Aussage eines Tatbeteiligten stützen, der in der Sache bereits verurteilt war und nun den Angeklagten schwer belastet hatte.

Mehrere Beutezüge in der Region

Im März und April 2015 waren die beiden auf Beutezug gegangen. Mit dabei war noch ein 21-jähriger Mann, der noch anderweitig verfolgt wird. Die Einbrecher drangen damals gemeinsam in ein Wohnhaus in Sankt Augustin (März) und in ein/e Wohnhaus/Zahnarztpraxis in Siegburg ein. In Sankt Augustin klingelten sie zunächst mehrfach an der Tür. Als niemand öffnete, zerschlugen die Terrassentür. Im Haus wurden sie dann fündig und nahmen Schmuck, einige Kameras, Bargeld, ein Sparbuch und einen Flachbildfernseher mit.

In der Zahnarztpraxis zerschlugen sie ein Fenster und verschafften sich somit Zugang zum Haus. Von den Praxisräumen aus soll dann der Angeklagte in die Wohnräume der Mutter des Zahnarztes vorgedrungen sein. Die Beute fiel dort allerdings mager aus: Zwischen 100 und 130 Euro stahlen die Einbrecher aus einer kleinen Geldkassette.

Im Juli 2017 unternahmen die Täter dann wieder einen Beutezug und drangen in ein Restaurant an der Siegburger Zeithstraße ein. Weil dort aber die Alarmanlage ansprang, türmten sie, ohne Beute gemacht zu haben. Allerdings hatte sich der Angeklagte dort verletzt und über einen Blutstropfen eine DNA-Spur hinterlassen.

Mühsame Befragung des Angeklagten

Was sie denn zu den Einbrüchen motiviert hätte, wollte Richter Wilbrand wissen. Sie hätten was zum „Rauchen“ kaufen wollen. Aber davon wolle er so gerne abkommen, versuchte der Angeklagte mit leiser Stimme das Gericht von einer verzweifelten Lage zu überzeugen. Was bei einem satten Vorstrafenregister und einigen Haftstrafen naturgemäß recht schwierig ist. Auch wolle er gerne eine Drogentherapie machen, und überhaupt wolle sein ehemaliger Kumpan ihm nur eins auswischen, um sein Leben zu zerstören. Der wäre auch eifersüchtig auf ihn gewesen wegen irgendwelcher Mädchen und hätte Übles über ihn geredet, etwa, dass er eine „Schwuchtel“ wäre.

Der wiederum reagierte im Zeugenstand anfangs recht patzig und aggressiv auf die Fragen des Gerichts: „Ich mag Ihre Fragen nicht“, ranzte er den Richter an und wollte von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. „Dann gehen Sie sofort in die Zelle, wenn sie hier nicht aussagen“, drohte Richter Wilbrand. Da war es plötzlich im Gerichtssaal so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören können. Die Drohung zeigte jedenfalls Wirkung, und der Zeuge, ein gelernter Koch, plauderte nun etwas geschmeidiger aus dem Nähkästchen.

Sie wären beide „drin“ gewesen, sagte der ehemalige Kumpan. Aber da habe er herauskommen wollen und einen vom Angeklagten geplanten Einbruch in ein Uhrengeschäft auf dem Brückberg nicht mehr mitmachen wollen. Bei einem Treffen mit dem Angeklagten an seiner Arbeitsstelle in einem mediterranen Restaurant in Siegburg soll der ihn sogar mit einem Elektroschocker verletzt haben, weil er sich auf eine neue Tour nicht einließ. Jedenfalls zeigte er den Angeklagten wegen der Körperverletzung an, worauf der Bruder des Angeklagten bei ihm erschien und ihn unter Drohungen aufforderte, die Anzeige zurückzunehmen. Was der Bruder allerdings nicht wusste, dass es bei gefährlicher Körperverletzung (mittels Werkzeug) keiner Anzeige bedarf, weil es ein Offizialdelikt ist, bei dem die Behörden in eigener Zuständigkeit ermitteln.

Staatsanwalt forderte noch höhere Strafe

Die Staatsanwaltschaft jedenfalls war von den Aussagen des Zeugen überzeugt. „Sie sind ein notorischer Straftäter“, hielt der Staatsanwalt dem Angeklagten vor, auch mit Blick auf sechs Vorstrafen wegen Verbrechenstatbeständen und mehreren Jahren Haftstrafen. So forderte er dann auch zwei Jahre und neun Monate Haft für den Angeklagten und zudem, den Haftverschonungsbeschluss aufzuheben. Der Verteidiger sah das anders und plädierte wegen der mangelnden Beweise auf eine Haftstrafe von sechs bis neun Monaten. Das Schöffengericht indes verurteilte schließlich wegen des Einbruchs und der gefährlichen Körperverletzung zu einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung.

Am Freitagnachmittag veröffentlichte die Polizei auf richterlichen Beschluss ein Fahndungsfoto von Cavit J. samt einer Personenbeschreibung. J. ist etwa 1,80 Meter groß und hat eine schlanke Statur. "Die dunklen Haare und den Bart trägt er mittlerweile deutlich länger als auf dem Foto", so die Polizei in ihrer Mitteilung. An seiner rechten Schläfe hat der Gesuchte eine Pigmentstörung.

Bei seiner Flucht war er nach Angaben der Polizei mit einer Jogginghose und einem Pullover bekleidet. Wer Hinweise zum Gesuchten geben kann, wird dringend gebeten, sich unter 02241/5413121 oder dem Notruf unter 110 zu melden.

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