Gut integriert und doch abgeschoben Familie Canka aus Siegburg wird nach Mazedonien abgeschoben

Siegburg · Am Mittwochabend verließen Eduarda und Zekjir mit ihren fünf Kindern Deutschland in Richtung Mazedonien. Weil ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, hat der Kreis die Familie abgeschoben.

 Hoffen irgendwann auf eine Rückkehr nach Siegburg: Familie Canka und die Sprachhelferin der Diakonie, Renate Fritsch (rechts).

Hoffen irgendwann auf eine Rückkehr nach Siegburg: Familie Canka und die Sprachhelferin der Diakonie, Renate Fritsch (rechts).

Foto: Holger Arndt

Der Abschied kam schneller als erwartet. Nicht einmal drei Wochen blieben Familie Canka in ihrem Siegburger Zuhause letztlich, nachdem sie Ende Januar die niederschmetternde Nachricht der Ausländerbehörde erhielten, dass ihr Schicksal besiegelt ist – drei Wochen, in denen sie ihren Haushalt im Stadtteil Zange auflösen, Eltern, Freunden und Kollegen Lebewohl sagen musste.

Am Mittwochabend verließen Eduarda und Zekjir und ihre fünf Kinder Deutschland in Richtung Mazedonien. Weil ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, hat der Kreis die Familie abgeschoben. Der ursprüngliche Termin am 19. Februar wurde kurzerhand vorverlegt. So konnte die Familie per Nonstop-Flug ausreisen.

Zurück bleiben ratlose Freunde der Familie, Mitschüler der Kinder und Arbeitskollegen von Vater Zekjir. „Ich war entsetzt, als ich von der Ausweisung erfahren habe“, sagt Renate Fritsch. Sie hat Zekjir seit seiner Ankunft 2015 als Sprachpatin der Diakonie betreut. „Sie ist mittlerweile wie eine Mutter für mich“, sagte Zekjir im Gespräch mit dem General-Anzeiger vor wenigen Tagen.

Kinder gingen in Siegburg zur Schule

„Diese Familie hat sich bisher hervorragend integriert. Dies alles wird nun zunichte gemacht durch die Beendigung des Aufenthaltes“, sagt ein Freund der Familie, Ulrich Wißner aus Siegburg. Und auch Zekjir Cankas Arbeitgeber, die Firma „Rahm Zentrum für Gesundheit“ in Troisdorf, hat die Nachricht über die Abschiebung mit Schrecken zur Kenntnis genommen. „Es trifft in diesem Fall einfach den Falschen“, sagt Cankas ehemaliger Vorgesetzter Alexander Niestroj.

Seine Firma setzte sich dafür ein, dass der 39-Jährige bleiben darf. Sein Chef begleitete Canka sogar zur Ausländerbehörde, um ein gutes Wort für seinen Angestellten einzulegen – ohne Erfolg. „Wir haben erfahren, dass unser Anwalt den Antrag auf Bleiberecht nicht wie erwartet eingereicht hat“, sagte Canka. Widerspruch gegen die Ausweisung war danach für die Familie nach eigener Aussage nicht mehr möglich. Eine Rückkehr nach Deutschland sei frühestens in zehn Monaten möglich.

Die Kinder der Familie gingen in Siegburg zur Schule oder in den Kindergarten. Die jüngste Tochter kam sogar in der Kreisstadt zur Welt. „Ich verliere meine Freunde. In Mazedonien kann ich nicht mehr lesen und schreiben“, sagt Tochter Aida, die die dritte Klasse der Adolf-Kolping-Schule besuchte.

Viel Gewalt im Heimatdorf

Dass sich die Familie so schnell in Siegburg integrieren konnte, liegt vor allem an Mutter Eduarda Canka. Sie kam bereits 1992 mit ihren ihren Eltern nach Deutschland, die Anfang der 1990er Jahre vor den Kriegen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens flüchteten. In Siegburg besuchte die heute 33-Jährige erst die Grundschule Stallberg, später die Hauptschule Neuenhof. 2005 kehrte sie nach Mazedonien zurück, um sich um ihren Opa zu kümmern. Er lebte zuvor ebenfalls in Deutschland. „Mein Großvater wollte in seiner Heimat sterben, und ich habe mich in dieser Zeit um ihn gekümmert“, sagte Eduarda. In Mazedonien verliebte sie sich in Zekjir.

Sie heirateten, gründeten eine Familie. Doch 2015 – Eduarda war mit Zwillingen schwanger – wurde die Familie kurzzeitig getrennt. Im Norden des Landes verstärkten sich die Spannungen zwischen Albanern und der slawischen Mehrheit der Bevölkerung. „Albaner werden bis heute diskriminiert“, sagt Zekjir. Aus diesem Grund engagierte er sich in seiner Heimat in einer Oppositionspartei, die sich für die Rechte der albanischen Minderheit einsetzt. Auch deshalb fürchtete er um seine Sicherheit. Aus Angst um ihre Gesundheit und ihre Kinder reiste die schwangere Eduarda zurück nach Siegburg. Wenig später folgte ihr Mann.

In der Stadt Kumanovo, nicht weit entfernt von ihrem Heimatort Debar, kam es erneut zur Gewalt. 22 Personen verloren bei Kämpfen ihr Leben. „Ich war so froh, hier einfach wieder in Sicherheit zu sein“, sagte Eduarda. Nachdem die Familie erfahren hatte, dass die Frist ihres Aufenthaltstitels abgelaufen war, folgte sie der Aufforderung der Ausländerbehörde und bereitete ihre Ausreise vor.

„Familie Canka hat ihre freiwillige Ausreise in enger Abstimmung mit meiner Ausländerbehörde geplant“, teilte Landrat Sebastian Schuster auf GA-Anfrage mit. Die Familie habe ihm gesagt, dass sie mit der Behörde in gutem Kontakt stand und sie sich für die Hilfsbereitschaft, die sie erfahren habe, ausdrücklich bedanke. Was bis zu ihrer möglichen Rückkehr jetzt aus der Familie werden soll, weiß sie indes nicht. Auf Fotos zeigte Zekjir Bilder von einer Wohnung, in der die Familie leben soll. Kaum Möbel, lediglich Matratzenlager erwarten sie dort. Zekjir Canka stellt klar: „Ich habe den größten Respekt vor den Gesetzen in diesem Land. Ich würde am liebsten alleine gehen, wenn die Kinder bloß hier in der Schule bleiben dürften.“

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