Interview mit Jürgen Peter "Es ist viel Überzeugungsarbeit notwendig"

Wenn sich Siegburg als Einkaufsstadt behaupten will, dann müssen Einzelhändler und Immobilienbesitzer umdenken. Das sagt Jürgen Peter, Vorsitzender des städtischen Wirtschaftsförderungsausschusses und des Arbeitskreises "Einkaufs- und Erlebnisstadt Siegburg". Für die Kreisstadt komme die Stunde der Wahrheit, wenn 2017 der zweite Bauabschnitt des Huma-Centers in Sankt Augustin eröffne.

 Bahnhofstraße in Blickrichtung Markt: Dieser Teil der Siegburger City macht Fortschritte.

Bahnhofstraße in Blickrichtung Markt: Dieser Teil der Siegburger City macht Fortschritte.

Foto: Holger Arndt

Herr Peter, waren Sie schon mal im neuen Huma in Sankt Augustin?
Jürgen Peter: Aber ja. Schon 1980 habe ich ihn kennengelernt, als er noch ganz neu war und ich gerade ins Rheinland gekommen war. Das war beeindruckend, denn so eine Mall kannte ich bis dato nicht. Als ich kürzlich den ersten Teil des Neubaus besuchte, sprach er mich nicht an. Wenn ich heute einkaufe, ist mir auch der Wohlfühl-Faktor wichtig. Den habe ich dort nicht so richtig vorgefunden. Was dort an Waren angeboten wird, bekomme ich auch in Siegburg.

Hier das besondere Flair, dort der Zweckbau - warum sind die Siegburger angesichts des Huma-Neubaus so nervös?
Peter: Nervös müssen wir im Augenblick nicht sein. Unsere Innenstadt entwickelt sich gut. Schauen Sie sich die Bahnhofstraße an, den Markt - allein da hat sich einiges getan. Die Daten zur Kaufkraft sehen gut aus: Die Einzelhandelszentralität liegt in Siegburg bei 156 Prozent. Das heißt, dass rein rechnerisch jeder Siegburger in Siegburg kauft, dazu kommen noch Auswärtige. In Sankt Augustin liegt dieser Wert bei 95 Prozent.

Läuft doch alles prima...
Peter: Naja - noch. Die Wettbewerbssituation wird sich 2017/18 ändern, wenn der komplette Huma-Neubau fertig ist und dort ein größeres Textilangebot vorhanden ist. Die geplante Verkaufsfläche von 17 200 Quadratmetern ist überdimensioniert und wettbewerbsverzerrend. Deshalb hat Siegburg mit Troisdorf dagegen geklagt. Bekanntlich ohne Erfolg.

Nun siedelt sich in Siegburg H & M an, und auch Peek & Cloppenburg soll kommen. Damit legt die Stadt doch gerade beim Bekleidungsangebot nach, oder?
Peter: Damit entspannt sich unsere Situation, klar. Trotzdem kann das keine Entwarnung sein. Der Einzelhandel muss sich viel stärker auf diese Konkurrenzsituation durch den neuen Huma einstellen. Denn die Vorteile, die eine Mall hat, sind schon zwingend.

Was heißt das?
Peter: Eine Mall wird zentral organisiert, es gibt Mittel für Werbung und Marketing, zentrale Öffnungszeiten, einen gesteuerten Sortimentmix und freie Parkplätze, in Sankt Augustin zumindest für die ersten zwei Stunden. Dessen müssen wir uns in Siegburg immer bewusst sein. Wir müssen mit mehr Gemeinsamkeit und konzertiert vorgehen, um in unseren historisch gewachsenen Strukturen eine positive Entwicklung zu erreichen. Dabei müssen sich die Einzelhändler einbringen, aber auch die Immobilienbesitzer.

Die werden Sie alle nur dann erreichen, wenn es sich für sie auch rechnet.
Peter: Sicher. Da muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Es geht um die Frage, welchen Weg man wählt. An Eigentümer würde ich appellieren, nicht nur auf das schnelle Geld zu achten, sondern lieber die mittel- und langfristige Gesamtentwicklung im Auge zu haben: Welche Branche fehlt, was könnte die Stadt bereichern? Auch der Einzelhandel bleibt unter seinen Möglichkeiten. Das hat die Händlerumfrage gezeigt. Man vertraut in Siegburg auf Stammkunden, was ja auch in Ordnung ist. Aber nur wenige Geschäfte haben interaktive Internetseiten. Da ist Siegburg Ödland. Die Möglichkeiten des Internets 2.0, neuer Kommunikationselemente oder von Angebotsplattformen müssten viel stärker genutzt werden.

Wie könnte das aussehen?
Peter: Mir gefällt zum Beispiel die Idee einer City-App für das Smartphone, die Auskunft über die Angebote in der Stadt gibt. So kann man dort eine gewisse Vorauswahl treffen und sich in Verbindung mit GPS zu dem entsprechenden Geschäft leiten lassen. Diese Kombination würde Siegburg attraktiver machen. Die Stadtverwaltung prüft gerade, inwieweit sie kostenloses, frei zugängliches WLAN in der Innenstadt einrichten kann.

Sie sprachen eben von Überzeugungsarbeit. Wer soll die leisten? Die Stadt?
Peter: Wir haben mit Silke Göldner eine sehr aktive Wirtschaftsförderin, die ein Netzwerk aufgebaut hat und viele Gespräche führt. Leider sind ihre personellen und materiellen Ressourcen beschränkt. Das ist der Haushaltslage geschuldet. Der Wirtschaftsförderungsausschuss unterstützt Frau Göldner, er ist quasi der Motor der Wirtschaftsförderung. Mir kommt es darauf an, dass wir im Ausschuss gemeinsam agieren und politische Streitigkeiten so weit wie möglich heraushalten.

Es gibt jetzt auch den Arbeitskreis "Einkaufs- und Erlebnisstadt". Was macht der?
Peter: Er ist ein Untergremium des Ausschusses. Die Fraktionen schicken je einen Vertreter, aber es sitzen auch Geschäftsleute und der Verkehrsverein mit am Tisch. Dort können wir uns in Ruhe auf Sachthemen konzentrieren, Informationen zusammentragen und neuen Impulsen nachgehen. Der Verkehrsverein hat ein Zehn-Punkte-Papier vorgelegt, an dem wir uns orientieren.

Also ein reines Diskussionsgremium?
Peter: Nein, wir packen auch selbst an - schon mit Blick auf die begrenzten Ressourcen der Stadt. Wenn demnächst eine Umfrage zum Thema "Vitale Innenstädte" ansteht, dann werden sich einige von uns auch als Interviewer zur Verfügung stellen. Doch wenn am Ende der Einzelhandel nicht mitzieht, würde all das, was wir machen, rein akademisch bleiben.

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