Bewegende Foto-Dokumentation aus Tschernobyl Eindrücke aus der Todeszone

Rhein-Sieg-Kreis · Der Dokumentar-Fotograf Sebastian Fuhrmann reiste drei Mal in der Sperrzone nach Tschernobyl und stellt seine Fotos in der Halle "kabelmetall" in Windeck aus.

 Eine Puppe im Schlafsaal des Kindergartens im Dorf Kopachi erinnert an die Katastrophe vor 30 Jahren.

Eine Puppe im Schlafsaal des Kindergartens im Dorf Kopachi erinnert an die Katastrophe vor 30 Jahren.

Foto: Sebastian Fuhrmann

Was fasziniert Sie an der Katastrophe von Tschernobyl?

Sebastian Fuhrmann: Es ist eine Mischung aus allem, die mich fasziniert. Die Physik beziehungsweise die Chemie in der Nukleartechnik interessiert mich und natürlich, welche Ausmaße dieser Unfall für alle Menschen in der Gegend und tatsächlich heutzutage noch hier in Deutschland annimmt. Die Wälder in Südbayern sind zum Beispiel immer noch stellenweise kontaminiert, sodass man heutzutage immer noch kein Wildfleisch aus dieser Region essen sollte.

Sie haben die Sperrzone schon drei Mal bereist. Welche Eindrücke haben Sie dort gesammelt?

Fuhrmann: Es wirkt sehr unrealistisch, dass es dort Städte und Dörfer gibt, die nicht bewohnt sind und die komplett der Natur überlassen werden. Dort liegen sehr viele Sachen unberührt herum, wie zum Beispiel Puppen oder Masken. In Schulen gibt es jede Menge Bücher, die noch aufgeschlagen sind oder korrigierte Diktate. Es sieht aus wie in einem schlechten Film, bis man sich wirklich klar wird, dass dort etwas Schlimmes passiert ist, das bis heute anhält und eine Rückkehr nicht möglich ist.

Hatten Sie keine Angst um Ihre Gesundheit?

Fuhrmann:Es gibt strikte Regeln in der Zone. Man muss festes Schuhwerk tragen, darf keine Sachen auf den Boden stellen und sollte generell nichts anfassen und nicht rauchen. Wenn man sich an diese Regeln hält, dann ist ein Besuch dort unbedenklich. Die am nächsten am Reaktor liegende Stadt Prypjat wurde 1986 dekontaminiert, weil man bis zur letzten Minute geglaubt hatte, dass man die Stadt wieder besiedeln könnte. Daher gibt es dort, vergleichbar mit einem riesigen Flickenteppich, gereinigte Zonen und nach wie vor trotzdem Bereiche, die sehr stark kontaminiert sind. Man wird immer durch einen Guide geführt, der einem die Regeln erklärt und durch die Pfade lenkt, die dekontaminiert worden sind. Alleine darf man die Zone nicht betreten.

In der Zone leben heute trotz gesundheitlicher Risiken noch Menschen. Haben Sie mit ihnen gesprochen?

Fuhrmann: Ich durfte dieses Jahr zu den Rückkehrern fahren. Das sind überwiegend alte Menschen, die damals aus der Zone evakuiert worden sind. Die Leute hatten aber so starkes Heimweh, dass sie unbedingt wieder zu ihren Häusern zurück wollten. Es ist eigentlich offiziell nicht erlaubt, aber die Regierung duldet das bis heute. Es gibt weniger als 200 Menschen, die dort leben. Die Heimat ist ihnen viel wichtiger als die gesundheitlichen Bedenken, und viele glauben auch nicht an einen unsichtbaren Feind, da sie nicht diese physikalischen Kenntnisse haben. Sie glauben einfach nicht an etwas, das man nicht sehen, riechen oder schmecken kann.

Welche Motive sind auf Ihren Bildern zu sehen?

Fuhrmann: Diese sind sehr individuell. Ich habe mittlerweile um die 2500 bis 3000 Bilder in der Zone gemacht. Viele davon sind Panoramabilder oder Architekturbilder, um den Zerfall der Gebäude auf das Bild zu bringen. Allerdings gibt es auch Aufnahmen von Puppen mit Gasmasken, Schulklassen oder auch einfach Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie riesige Bäume aus Schulfenstern herauswachsen. In der Ausstellung zeige ich sämtliche Eindrücke, die mich persönlich sehr berührt haben. Das sind zum Beispiel Anlaufstellen, wo sich Kinder aufgehalten haben, also Kindergärten oder Schulen. Diese Bilder gehen einem ans Herz und sind sehr verstörend.

Die Ausstellung ist noch bis Ende Oktober in der Galerie der Halle kabelmetal, Schönecker Weg 5 in Windeck-Schladern zu sehen. Die Vernissage findet Sonntag um 12 Uhr im Beisein des Fotografen statt. Der Eintritt ist frei.

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