Erst Bischof, dann Mann mit Pfeife Deshalb gibt es Weckmänner zu Sankt Martin

Rhein-Sieg-Kreis · Mit dem Beginn der Martinszüge werden in der Region wieder Tausende Weckmänner verteilt. Sie schmecken am besten, wenn man sie teilt. Aber warum gibt es die teigigen Typen eigentlich?

Sie haben derzeit Hochsaison: Seit einigen Wochen bevölkern die Weckmänner wieder die Auslagen der Bäckereien – in den unterschiedlichsten Variationen. Denn Weckmann ist nicht gleich Weckmann. Neben dem Klassiker mit weißer Tonpfeife gibt es zum Beispiel den gesundheitsbewussten Nichtraucher mit Lolli in der Hand, den genderneutralen „Weckmensch“ aus dem Biomarkt und Weckmänner mit Schokostückchen oder Zuckerstreuseln.

Bei Franz-Josef Gilgen, Geschäftsführer der Gilgens Bäckerei und Konditorei aus Hennef, kommt nur der klassische Weckmann aus der Backstube. „Der hat weder eine Schokohose noch Zuckerguss“, sagt Gilgen. Dafür bei ihm aber immer genau sechs Rosinen: vier für die Knöpfe und zwei für die Augen. Und natürlich die Tonpfeife, die das Unternehmen aus dem Westerwald bezieht.

Sie sei verhältnismäßig teuer, aber ohne die sei ein Weckmann kein Weckmann, sagt der Geschäftsführer. „Entscheidend ist für mich auch, dass es ein Hefeteig ist.“ Dabei entstehen die Weckmänner alle von Hand aus einem länglichen Teigstück, dass in mehreren Schritten zum Männchen geformt wird. „Es sind alles Unikate“, sagt Gilgen. „Da sind dann auch schon mal welche darunter, die nicht Mister Universum werden können.“

"Hierzemann" in einigen Landstrichen des Rheinlands

Aber warum gibt es die teigigen Typen eigentlich und wie wurden sie zu Pfeifenrauchern? Laut Georg Cornelissen, Leiter der Abteilung Sprachforschung im Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), wurden früher in der Zeit um Nikolaus, Weihnachten und Neujahr allerlei Gebildbrote gebacken: „Brote, die eine besondere Gestalt hatten: Es gab Tiere, die wie ein Hirsch aussahen und dann auch so genannt wurden; auf Platt war das ein Hierz. Das Gebildbrot in der Gestalt eines Mannes hieß passend dazu Hierzemann.“ Der Dialektbegriff hat sich in einigen Landstrichen des Rheinlands erhalten, in den meisten Bäckereien wird er aber heute als Weckmann verkauft.

Außerdem fand das LVR-Institut im Rhein-Sieg-Kreis die Bezeichnung Stuttemann, aus Walberberg und Rheinbach kam der Meärtesweck, aus Hennef-Stoßdorf der Piefekerl. „In Ahrweiler zum Beispiel gibt es ebenfalls den Hierzemann, aber man scheint dort auch Hierzekeal oder einfach Hierz zu sagen“, so Cornelissen. Im Osten des Rheinlands und in Westfalen wird der Weckmann dagegen Stutenkerl genannt.

Alois Döring berichtet in seinem Buch „Rheinische Bräuche durch das Jahr“, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den Nikolausgaben nicht nur Nüsse, Äpfel und Birnen aus dem eigenen Garten gehörten, sondern auch der Weckmann mit seinen Rosinenaugen und der eingebackenen Pfeife. Die war laut Döring unterschiedlich angebracht: „Einmal hält der Weckmann sie mit dem Kopf nach oben, sodass sie entfernt an einen Bischofsstab erinnert und damit einen vagen Bezug zum heiligen Nikolaus herstellt. Vielfach zeigt der Pfeifenkopf nach unten, das Stielende ist dem Weckmann in den Mund gesteckt, als würde er Pfeife rauchen.“

Rund 3000 Stück pro Tag

Früher hätten die Kinder mit der Pfeife erste Rauchversuche gemacht und sie mit Kamillentee, Kastanienblättern oder der Rinde von Wacholdersträuchern gestopft, weiß Döring. Die Kleineren pusteten Seifenblasen. Heute ist das Spielzeugangebot größer und die Warnungen vor dem Rauchen sind allgegenwärtig, so dass einige Bäcker auf die Pfeife verzichten.

Statt Lollis könnten sie auch eine kleine Flöte in den Teig stecken, denn die ist historisch belegt: „Die Tonpfeifen zum Weckmann haben im 16. Jahrhundert Tonflöten als Vorläufer. Historische Zeugnisse der frühen Neuzeit belegen den Brauch, Gebildbroten am Nikolausfest kleine Tonobjekte beizulegen“, schreibt Döring. Diese Bäckerflöten seien noch bis in die 1970er Jahre im Westerwald produziert worden.

Vom ursprünglichen Nikolaustermin hat sich das Festtagsgebäck im Laufe des 20. Jahrhunderts gelöst. Der Weckmann wird heute bei den Martinszügen verteilt und soll an die Großzügigkeit des Heiligen Martin erinnern, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Das Bonner Münster ließ vor einigen Jahren Tüten mit der Aufschrift „Hallo, ich bin ein Weckmann“ und Informationen rund um den süßen Inhalt und das Martinsfest drucken. Es gibt auch einen Tipp, wie man das Gebäck am besten isst. Die Kinder sollen mal überlegen, wem sie teilen möchten: „So richtig lecker schmecken wir Weckmänner erst, wenn man uns mit anderen gemeinsam isst.“

Deshalb läuft an den Tagen rund um den Sankt-Martins-Tag in der Backstube der Gilgens Bäckerei die Weckmann-Produktion auf Hochtouren. Dann werden laut Franz-Josef Gilgen am Tag leicht 2000 bis 3000 Stück gebacken. Derzeit seien es rund 850 täglich, so der Geschäftsführer. Gestartet ist die Produktion in der Backstube im September. Bis Nikolaus wird es in seinen Filialen noch Weckmänner geben. Danach verschwinden sie bis zur nächsten Saison aus den Auslagen.

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