76-Jähriger im Interview Der Künstler Markus Lüpertz stellt in Siegburg aus

Siegburg · Markus Lüpertz, einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart, steht am kommenden Sonntag im Zentrum eines großen Kunst-Events in Siegburg. Das Katholisch-Soziale Institut und das Stadtmuseum zeigen Ausstellungen des Stars.

Man nennt Sie häufig „Malerfürst“. Wie stehen Sie dazu?

Markus Lüpertz: Die Bezeichnung ist eine Erfindung der Presse. An welchem Hof soll ich Fürst sein? Ich bin lediglich ein gut gekleideter, älterer Herr und ein großer Maler. Wenn das reicht...!

Sie werden am Sonntag Ihr grafisches Werk in Siegburg ausstellen. Im KSI sind Sie mit einer Ausstellung unter dem Titel „Hirte“ und im Stadtmuseum, am Fuße des Michaelsberges, unter dem Titel „Michael Engel“ zu sehen. Der Bezug zu Michelangelos zwanzig Jünglingen an der Decke der Sixtinischen Kapelle ist unübersehbar. Spüren Sie zu Michelangelo, dem Universalkünstler, auch eine persönliche Geistesbeziehung?

Lüpertz: Durch die Auseinandersetzung mit Michelangelos Werk, mit den Jünglingen an den tragenden Ecken der Sixtus habe ich eine intensive Berührung mit ihm erfahren. Er war ein Bildhauer, den man auch über seine Poesie erfahren kann. Die Bezeichnung „Universalkünstler“ mag ich allerdings nicht für mich. Ich habe nur ein Talent, die Malerei, aus der alle anderen entspringen.

Mit Ihren Skulpturen und Gemälden sind Sie sehr bekannt. Was ist besonders an Ihren Lithografien?

Lüpertz: Es ist ein Versuch, die Lithografie als Lithografie zu entdecken. Ich möchte Grafik nicht als Illustration der Malerei verstehen, sondern suche noch das, was die Lithografie ausmacht. Ich habe eine eigene Affinität zu dieser Kunst und versuche noch immer, meinen eigenen Weg zur Grafik zu finden.

Ihre Skulpturen im öffentlichen Raum sind ja nicht nur wegen Ihrer Größe sehr präsent, sondern fallen auch mit Ihrer prallen Farbigkeit sehr stark ins Auge. In einigen Ihrer Siegburger Grafiken, wie dem „Arkadischen Manifest“, spielt Farbe zwar weiterhin eine große Rolle. .Im „Werkzyklus Toscana“ und „Michael Engel“ allerdings arbeiten Sie nur Schwarz auf Weiß – war die Arbeit ohne das Schwelgen in Farben eine besondere Herausforderung für Sie?

Lüpertz: Erst mal bin ich Maler und kann es nicht lassen, alles mit Farbe zu beschmieren. Auch in der Antike haben die Bildhauer ihre Skulpturen anschließend von Malern bemalen lassen. Ganz davon abgesehen, dass das Wesen einer Lithografie verloren geht, wenn man sie mit Aquarellfarbe bearbeitet, ist sie auch ohne bunte Farbe eine Suche nach dem Eigentlichen, dem Wesenhaften. Und letztlich ist es das Wesen der Kunst und die Berufung des Künstlers, nach diesen Dingen zu suchen.

In Siegburg werden Sie auch als Gesprächspartner von Dominik Meiering, Generalvikar des Erzbischofs von Köln, über Kunst und Kirche sprechen. Ist eine tiefe Religiösität des Künstlers die Voraussetzung für die künstlerische Auseinandersetzung mit religiösen Themen?

Lüpertz: Die Kirche setzt wie die Kunst eine besondere Fähigkeit des Menschen voraus. Es ist die Fähigkeit, zu glauben. Das fehlt den Menschen heute oft. Sie suchen Beweise. Aber der Beweis nimmt die Liebe. Am Beweis stirbt die Liebe. Als Mensch und als Künstler möchte ich die Fähigkeit nicht verlieren zu glauben.

Sie sind vom protestantischen Glauben zum katholischen Glauben konvertiert. Welchen Grund dafür hatten Sie?

Lüpertz: Da war optisch mehr los. Aber die Kirchen haben grundsätzlich immer auch einen kulturellen Auftrag zu erfüllen.

Wenn man sich das abstrakte Fenster von Gerhard Richter im Kölner Dom anschaut, dann ist der Zugang der Kunst zur theologischen Aussage ein ganz anderer als der, den Sie in Ihren bildhaften zwölf Kölner Glasfenstern in Sankt Andreas geben.

Lüpertz: Zwischen Richter und mir besteht natürlich eine Polarität. Richter hat mit seinem Fenster eine abstrakte Illustration von Licht geschaffen, ein Mysterium des Glaubens. Er hat das gekonnt gemacht und genial gelöst – auch wenn ich es anders gemacht hätte.

Sie lesen am Sonntag ja auch aus eigenen Texten. Was sind die persönlichen Impulse Ihrer Literatur und welche Themen beschäftigen Sie schriftstellerisch?

Lüpertz: Es ist die permanente Selbstreflexion. Ich schreibe über meine Position als Künstler und über das, was ich unter Literatur verstehe. Über unsere ganze Kultur. Die europäische Kultur basiert auf dem Scheitern. Seit der Antike ist das den Menschen klar. Die Torsi stehen für das Unvollendete als einzige uns mögliche Form der Vollendung. Als Künstler brauchen wir die permanente Unzufriedenheit.

Sie galten als Schüler ja lange Zeit als Enfant terrible und flogen sogar von der Kunstakademie, deren Rektor sie später wurden.Was ist Ihr Ratschlag für die Jugend? Besitzt Rebellion ein eigenes kreatives Potenzial?

Lüpertz: Wir haben heute eine andere Zeit. Meinen eigenen Weg kann man niemandem raten. Es gibt auch keine neue Kunst, sondern immer nur neue Künstler.

Provokation ist das Wort, das oft im Zusammenhang mit Ihnen genannt wird. Was meinen Sie, was an Ihnen die Menschen provoziert?

Lüpertz: Ich provoziere dadurch, dass ich authentisch bin. Nicht mehr und nicht weniger. Dabei wollte ich als Künstler immer nur begeistern und geliebt werden.

Und ab wann wussten Sie, dass Ihre Kunst die Malerei ist?

Lüpertz: Schon immer. Ich bin ein Maler, der auch Skulptur macht, ein Maler, der auch Musik macht und ein Maler, der auch schreibt. Meine Musik ist natürlich dilettantisch, aber ich finde sie großartig. Nennen Sie es Hybris... Ich bin ein Meister, der vom Himmel gefallen ist!

Wen von Ihren Zeitgenossen sehen Sie denn als den großartigsten Künstler?

Lüpertz: Wir haben gerade eine großartige, glückliche Zeit für die Kunst mit großartigen Künstlern, von denen ich viele als meine Freunde schätze. Es gibt einige große Kollegen, aber ich werde ganz bestimmt jetzt keinen Namen nennen...

In der Siegburger Ausstellung ist auch der „Maler Genius“ als eine Ihrer typischen farbigen Bronze-Skulpturen zu sehen. Ein Selbstbildnis?

Lüpertz: Ich mache keine Selbstbildnisse. Das ist einfach eine Skulptur, die einen Maler darstellt. Den Maler mit einer großen, farbigen Palette, aus der er schöpfen kann. Und das ist auch kein Beruf, sondern eine Berufung.

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