Erinnerungen an die Anfänge Christel Neudeck erzählt in Siegburg von Cap Anamur

SIEGBURG · Sie retteten Tausende vietnamesische Flüchtlinge: Christel Neudeck von der Hilfsorganisation Cap Anamur hat bei einer Lesung in Siegburg von der Gründungszeit und den Einsätze erzählt.

 Christel Neudeck berichtete in einem freien Vortrag von den Einsätzen der Cap Anamur.

Christel Neudeck berichtete in einem freien Vortrag von den Einsätzen der Cap Anamur.

Foto: Paul Kieras

Rund 1,6 Millionen Vietnamesen flohen nach dem Krieg und der kommunistischen Machtübernahme Ende der 1970er-Jahre aus ihrer Heimat. Über die Hälfte von ihnen erreichte nie ein rettendes Ufer. Mehr als zehntausend der sogenannten „Boat People“ aber konnten von der Cap Anamur, einem privaten deutschen Rettungsschiff, in Sicherheit gebracht werden. Christel Neudeck, die damals zusammen mit ihrem 2016 verstorbenen Mann Rupert den gleichnamigen Verein „Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte“ gegründet hat, berichtete am Freitag im Rahmen der Reihe „Kunst auf der Nordempore“ in Sankt Servatius in Siegburg aus der Gründungszeit und über die Einsätze.

Darüber hinaus las sie aus dem Buch „Was man nie vergessen kann“, das ihr Mann begonnen hatte und sie vollendete. Darin hat das Ehepaar Erinnerungen geretteter Flüchtlinge zusammengetragen, die Zeugen unvorstellbarer Grausamkeiten wurden und aufgrund der Verhältnisse in Vietnam lieber den Tod auf dem Meer in Kauf nahmen, als ein Leben ohne Würde zu führen. Aber auch auf der Flucht haben viele unvorstellbares Leid erfahren.

Thomas H. Nguyen, ehemals südvietnamesischer Armeeoffizier, der nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft fliehen und von der Cap Anamur gerettet werden konnte, schreibt: „Wer immer ihnen verdächtig vorkam, den schickten die neuen Machthaber in sogenannte Umerziehungslager. Schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen wurden meist ohne jeden Grund eingesperrt. Etwa 165 000 starben in den Umerziehungslagern. Tausende wurden vergewaltigt oder zu Tode gefoltert. Etwa 200 000 Vietnamesen wurden hingerichtet. Dazu kommen rund 50 000, die durch Sklavenarbeit in den sogenannten Neuen Wirtschaftszonen ermordet wurden.“ Christel Neudeck zitierte in diesem Zusammenhang einen damals oft gehörten Satz: „Wenn die Straßenlaternen fliehen könnten, würden sie es auch sofort tun.“

Unglaubliche Hilfsbereitschaft

Die Autorin wies auf die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Deutschen hin. Nach einem Spendenaufruf im Fernsehen sei innerhalb von nur drei Wochen die stattliche Summe von 1,3 Millionen Deutsche Mark zusammengekommen, in den Jahren danach seien insgesamt rund 20 Millionen DM gespendet worden. Kritisch äußerte sie sich zur damaligen „Willkommenskultur“ im Vergleich zur aktuellen Lage. „Als 1982 das erste Schiff in Hamburg ankam, sind ganze Busse mit Schülern nach Hamburg gefahren, um die Flüchtlinge zu empfangen“, erinnerte sie sich.

Sie verurteilte scharf die heutige Hetze der Populisten, allen voran die der AfD und stellte in Bezug auf die Flüchtlingsfrage fest, dass „Europa nicht funktioniert“. Neudeck vertritt aber auch den Standpunkt, die Aufnahme in Deutschland sei „ein Geschenk“ und Flüchtlinge müssten sich um Integration bemühen. Allerdings hätten die Vietnamesen es vor 40 Jahren einfacher gehabt. Denn mit dem Status als „Kontingentflüchtlinge“ sei ihnen ein langwieriges Asylverfahren erspart geblieben.

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