VRS prüft Tarife Bahnfahrer zahlen in der Region unverhältnismäßig hohe Preise

RHEIN-SIEG-KREIS · Wer mit Bus und Bahn über Tarifgrenzen innerhalb des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg hinaus fährt, ,muss mit „Preishärten“ rechnen. Jetzt überprüft der VRS die Preissprünge im Tarif.

Wer mit Öffentlichen Verkehrsmitteln vom Rhein-Sieg-Kreis nach Bonn fährt, ist unter Umständen schneller am Ziel als mit dem Auto. Die lästige Parkplatzsucherei entfällt, und man kann sich die Parkgebühren sparen. Aber natürlich fallen Kosten für die Fahrkarte an.

Wer kein Dauerticket besitzt, muss für jede Fahrt einen Fahrschein ziehen. Und das kann gerade für Bürger aus der näheren Nachbarschaft Bonns – also Alfter, Sankt Augustin, Königswinter, Wachtberg – unverhältnismäßig teuer sein. Denn die Tarifgrenzen innerhalb des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) sind identisch mit kommunalen Grenzen. Sobald man sie mit Bus und Bahn überschreitet, steigt der Fahrpreis. Der VRS spricht von „Preishärten“ und überprüft aktuell seine Tarifstruktur. Bei einem Besuch im Planungs- und Verkehrsausschuss des Kreises machte Michael Vogel, Leiter Tarif/Vertrieb beim VRS, allerdings keine Hoffnung auf Ausnahmeregelungen.

„Wir bewegen uns in einem ständigen Ziel“, sagt Vogel. 2004 hat der VRS seine Tarifstruktur geändert. Sie sollte einfacher und durchschaubarer werden, zugleich wirtschaftlich und möglichst gerecht sein. Doch können schnell Preissprünge auftreten. Für maximal vier Stationen gilt in Bus und Straßenbahn die Kurzstreckenkarte, die 1,90 Euro kostet. Wer also zum Beispiel in Hangelar West in die Stadtbahn 66 steigt und bis zum Konrad-Adenauer-Platz auf Bonner Stadtgebiet fährt, löst dieses Ticket.

Das macht bei einer Distanz von 3,94 Kilometern einen Kilometerpreis von 48 Cent. Fährt man aber in Bonn nur eine Station weiter, bis zum Bertha-von-Suttner-Platz, verlässt man die Kurzstrecke und zahlt den normalen Tarif 2b. Der liegt dann bei 3,80 Euro pro Fahrt; das sind 74 Cent pro Kilometer. Der selbe Tarif wird fällig, wenn man von Sankt Augustin Kloster bis knapp hinter die Bonner Stadtgrenze (Vilich-Müldorf) will. Dann liegt der Kilometerpreis schon bei 94 Cent.

Besonders schlecht gestellt sind Fahrgäste aus der Alfter

Ähnlich teuer ist eine Fahrt von Oberdollendorf nach Ramersdorf. Innerhalb des selben Tarifs sind aber auch preisgünstige Fahrten möglich: 3,80 Euro würden auch dann fällig, wenn man mit der Linie 66 von Sankt Augustin-Mülldorf bis Königswinter Denkmal fährt. Bei einer Distanz von 27,5 Kilometern entspricht das einem Kilometerpreis von 14 Cent.

„Wir sehen bei der Stadtbahnlinie 66 keinen akuten Handlungsbedarf“, so Vogel mit Blick auf die VRS-Statistik. 7,31 Prozent der Fahrgäste der Linie 66 sind Einzelticketnutzer. Davon müssten lediglich 1,18 Prozent mit Preishärten leben, was 0,09 Prozent aller Fahrten entsprecht. In dieser Statistik sind jedoch nur die tatsächlichen Fahrgäste erfasst – nicht die, die womöglich aufgrund der Fahrpreise gar nicht erst einsteigen. Oder diejenigen, die mit dem Auto über die Bonner Stadtgrenze fahren und dort parken, um anschließend beim Tarif zu sparen.

Besonders schlecht gestellt sind Fahrgäste aus der Gemeinde Alfter, die mit der S 23 (Voreifelbahn) nach Duisdorf wollen. Von Impekoven oder Witterschlick sind es nur wenige Kilometer bis in den Bonner Stadtteil, der mit Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie das nächstgelegene Zentrum bildet. Obwohl man nur wenige Minuten und ein bis zwei Haltestellen unterwegs ist, greift der volle Tarif von 3,80. Der Grund: Der Zugverkehr ist aus dem Kurzstreckentarif ausgenommen, weil man damit in der Regel viel größere Entfernungen zurücklegt.

„Darüber sind wir Alfterer ziemlich sauer. Es ist unbegreiflich, dass man für ein so kurzes Stück so viel bezahlen muss“, sagt Verkehrspolitiker Michael Schroerlücke (Grüne). Er regt einen niedrigeren Tarif für den Schienenverkehr an, der entfernungsabhängig ist. Quasi eine Kurzstrecke, die nach Kilometern bemessen ist.

VRS will an der bestehenden Struktur nicht rütteln

„Ich kann Vorschläge wie diese gut verstehen“, sagt Vogel, der jedoch Probleme bei der Umsetzbarkeit sieht. Ausnahmeregelungen würden das ganze Tarifsystem wieder unübersichtlicher machen, nicht vor neuen Ungerechtigkeiten schützen oder zu Mindereinnahmen führen. Zudem sei es schwierig, Einzelfälle bei der Bezirksregierung durchzubekommen: Denn sie muss das ganze Konstrukt genehmigen. Der CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Krauß, Verkehrsexperte im Kreistag, sieht dennoch Handlungsbedarf.

„Entscheidend ist, dass der Kunde vergleicht und den Öffentlichen Nahverkehr in anderen Regionen günstiger findet“, gibt er zu bedenken. „Wir hatten seit 2004 einige prozentuale Preissteigerungen. Damit ist bei den Preisen die Gerechtigkeitslücke größer geworden.“ Es gebe beim VRS-Tarif keinen Königsweg, der 100-prozentige Gerechtigkeit bringe, meint sein SPD-Kreistagskollege Dietmar Tendler. Was ihm wichtig ist: Gerade ältere Menschen müssten weiterhin einen einfachen Zugang zum ÖPNV haben.

Auch wenn der VRS an der bestehenden Struktur nicht rütteln mag, will er doch Neues ausprobieren: den e-Tarif. Damit wird das Smartphone zur Fahrkarte, und der Preis könnte dann von der tatsächlich zurückgelegten Entfernung abhängig gemacht werden. „Wir denken über ein Pilotprojekt nach“, sagt Vogel, der mit Interesse in Richtung Rhein-Neckar-Region blickt. Der dortige Verkehrsverbund testet seit 2015 ein Modell mit einem Festpreis von einem Euro pro Fahrt plus 20 Cent pro gefahrenem Kilometer. „Das wäre für Gelegenheitsnutzer interessant und könnte auch bei uns ein Mittel sein, um Preishärten abzumildern“, so Vogel.

Schon jetzt gibt es im VRS Handytickets. Sie orientieren sich am bestehenden Tarifsystem, sind aber ein paar Cent günstiger als die Fahrkarte aus dem Automaten. So zahlt man beispielsweise auf der Strecke von Siegburg nach Bonn statt der üblichen 5,10 Euro nur 4,94 Euro. Das hinter den Handytickets liegende System ist kostengünstiger als der klassische Fahrkartenverkauf, und davon soll der Kunde profitieren.

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