Großübung im Rhein-Sieg-Kreis 600 Retter proben den Ernstfall "Sturzflut"

RHEIN-SIEG-KREIS · Am Samstagmorgen lief im Rhein-Sieg-Kreis die Großübung „Sturzflut 2017“. Etwa 600 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk (THW), Deutschem Roten Kreuz (DRK) und von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) probten den Ernstfall.

Regen wie bei einer „Sturzflut“ hat am Samstag mehr als 600 Einsatzkräfte aus dem Rhein-Sieg-Kreis und Teilen Nordrhein-Westfalens über Stunden beschäftigt – und das bei wolkenlosem Himmel. Bei der Großübung simulierten Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk, die Wasserrettungszüge des Deutschen Roten Kreuzes, Strömungsretter der DLRG, die Bundespolizei und der Malteser Hilfsdienst verschiedene Einsatzszenarien, wie sie bei Hochwasser und Starkregen an vielen Orten in Deutschland immer wieder eingetreten sind.

Explodierende Feuerbälle, schreiende Verletztendarsteller, zertrümmerte Fahrzeuge, Rauch, lautstark mit Martinshorn anrückende Fahrzeugkolonnen und rennende Helfer brauchte es für diese Übung nicht. Ruhig, stoisch und konzentriert ging es zu, eben genau so, wie Wasser auf Straßen und Pegel in Flüssen allmählich steigen würden: fast unaufhaltsam. Denn die Einsatzkräfte bewiesen, dass sie wichtige Handgriffe vermutlich selbst mit verbundenen Augen und in fast reibungslosem Zusammenspiel selbst mit wenig bekannten Kollegen anderer Hilfsorganisationen bewältigen könnten. So etwa an der Brücke zwischen Siegburg-Deichhaus und Sankt Augustin-Buisdorf.

Durch wurde, so die Simulation, bei Hochwasser unter der Brücke eine Gasleitung beschädigt. „Um die Gasleitung zu sichern, wollen wir ein Arbeitsgerüst unter der Brücke aufbauen“, erklärte Michael Grohe von der DLRG die Herausforderung: Da die Böschung zu steil war, musste das THW mit einem hochwassertauglichen Kranfahrzeug die leistungsstarken Transportboote des DRK Wasserrettungszuges ins Wasser lassen – eine routiniert laufende Übung, wenn auch der Bootsmotor zunächst nicht anspringen wollte.

600 Retter proben den Ernstfall "Sturzflut"
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Leichtes Spiel für THW und DRK

An einem anderen Abschnitt des Siegufers drohte derweil die Sieg über den Deich zu schwappen. Für THW und DRK ein leichtes Spiel: Binnen weniger Minuten erhielt der Deich mit 700 Sandsäcken eine Aufkadung, wie die Erhöhung und Beschwerung des Deichs genannt wird. Weil der Sandsack-Nachschub je nach Gefahrenlage nicht immer per Fahrzeug oder von Hand erfolgen konnte, probten die Helfer zusammen mit der Bundespolizei bei Stoßdorf eine Luftbrücke: Bis zu 2,5 Tonnen Sandsäcke konnte der Aerospatiale AS 332 oder „Super Puma“ genannte Hubschrauber in einem Netz an seinen Haken nehmen, sagte Fiona Roloff, Sprecherin der Bundespolizei-Fliegergruppe. „Das Technische Hilfswerk hilft beim Verladen der Sandsäcke und hat dafür speziell ausgebildete Flughelfer, die unter dem fliegenden Hubschrauber arbeiten dürfen und die Netze einhängen.“

Beladen, Transportieren und punktgenaues Abladen – all das funktionierte am Samstag im Akkord. Dabei blieb für das Technische Hilfswerk sogar Zeit, ein Messsystem zu erproben, das die Erschütterungen beim Abladen der Sandsäcke auf dem Deichfuß registrieren sollte.

Pilotversuch der Bundespolizei

Einen Pilotversuch machte die Bundespolizei zusammen mit der Feuerwehr mit einem zweiten Hubschrauber vom Typ Eurocopter 135: Per Wärmebildkamera, die sonst für die Personensuche und Überwachung eingesetzt wird, wurde geschaut, ob man aus der Luft messen kann, ob Wasser bereits tief in einen Deich eingedrungen ist. Roloff: „Wir sammeln heute Erfahrung, die im Ernstfall Zeit sparen und eine rechtzeitige Sicherung des Deichs ermöglichen könnte.“

Genau das war auch das Ansinnen von Siegburgs Wehrführer Thomas Glatz und mit seinen Helfern. Sie erprobten den „Biber“: Das 100 Meter lange Schlauchsystem kann in weniger als einer Stunde auf einem Deich aufgebaut werden und diesen erhöhen, ohne dass stundenlang Sandsäcke geschaufelt werden müssen. Weitere „Biber“ gibt es in Lohmar und Eitorf, auch in Siegburg soll eine weitere der rund 46 000 Euro teuren Hochwassersperren angeschafft werden, so Glatz.

Baumstämme wurden gesichert

Das, was der Biber in der Natur macht, also künstliche Dämme bauen, kann auch bei Hochwasser geschehen. Verklausungen werden die Barrieren aus Treibgut genannt, die Flüsse blockieren und über die Ufer steigen lassen können. Gut gesichert stiegen die Strömungsretter der DLRG in den Mühlengraben, um dort mit einer Seilwinde und einem speziellen Bagger des THW verkantete Baumstämme zu sichern und zu entfernen. Wenige Meter weiter taten massive Hochleistungspumpen von Feuerwehr und THW ihren Dienst: So wurde das Abpumpen von Wasser zum Beispiel aus gefluteten Straßenzügen simuliert.

„Wir haben heute viele Übungserkenntnisse gesammelt, die eventuell für zukünftige Einsätze von großer Bedeutung sein können“, zog Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg Bilanz. „Wir haben gute Technik und gut ausgebildete Helfer. Daher ist es jetzt auch gut zu wissen, was zum Beispiel nicht gut funktioniert hat, ob es Probleme gab, aus denen wir lernen können. Das wird aber erst die Auswertung nach der Übung zeigen.“

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