Birlinghoven feiert seinen 900. Geburtstag Wo die Pleistalbahn Station machte

Sankt Augustin · Wenn Michael Schliefer am Sonntag das Rednerpult betritt, um den Festvortrag anlässlich des 900. Geburtstags des Ortes Birlinghoven zu halten, kann er immerhin über 84 Jahre aus eigener Anschauung berichten.

Er hat sein gesamtes Leben in Birlinghoven verbracht. Von seinem Elternhaus, das dort stand, wo jetzt das Pfarrheim der evangelischen Kirchengemeinde ist, zog er in das alte Haus seiner Tante Katharina Sulzbach. „Sie war Köchin im Schloss Birlinghoven von 1916 bis 1936 und hat dort den Eigentümer Louis Levi-Hagen und dessen Nachkommen versorgt“, berichtet er. 1953 verkaufte Elisabeth Freifrau von Wrede, geborene Hagen, das Schloss an einen Doktor Kaiser von der Kurbetriebsgesellschaft Boppard. Der Wald auf den Ländereien, die sich auf bis zu 1000 Morgen vergrößert hatten, ging an die Familie Horstmann. Schon sechs Jahre später wechselte das Schloss erneut den Besitzer und wurde an die Shell Grundlagenforschung verkauft. Seit 1968 ist die Bundesrepublik Deutschland Besitzer des Kleinods und beherbergt dort das Fraunhofer Forschungszentrum Informationstechnik.

Neben dem höfischen Leben im Schloss ging es jedoch weiter unten im Ort eher bodenständisch zu. Vor 900 Jahren, am 29. März, schenkte Erzbischof Friedrich I. der Abtei Siegburg unter anderem den Ort Bertelinghoven (Birlinghoven) der deshalb am 29. März 1117 erstmals urkundlich erwähnt wird.

1803 erhielt der Ort aus dem Besitz des Stiftes Vilich große Ländereien, die zum heutigen Schlosswald gehören. Sie wurden nicht dem gesamten Ort, sondern den einzelnen Hausbesitzern als Eigentum übertragen. Das waren nur wenige Landwirte, und die kamen so zu beachtlichem Reichtum. „Es gibt eine Bodenkarte, in der die Parzellen des Stiftes noch registriert sind“, so Schliefer.

Angesichts des Wohlstands, den die Birlinghovener beim Schlossbau oder mit dem Bau der Pleistalbahn noch vergrößerten, halten sich bis heute geflügelte Worte, die Schliefer noch kennt. „Lohmar im Sand, Birlinghoven im Wald“, habe es geheißen, nachdem die Birlinghovener den wertvollen Wald bekommen hatten und das arme Lohmar sich mit sandigen Böden zufrieden geben musste. Aber auch die Hennefer wurden von den „Sprücheklopfern“ bedacht: „Hüte dich vor Edgoven und segne dich vor Birlinghoven.“

Dieser Spruch ist wiederum den vielen Wegekreuzen und Heiligenhäuschen an den Einfallstraßen geschuldet. „Die Birlinghovener haben sich mehrmals am Tag bekreuzigt. Das war ihre Art, sich für Reichtum zu bedanken und der Toten zu gedenken“, so Schliefer. Als wär es heute gewesen, erinnert er sich daran, wie er als kleiner Steppke seine Großmutter Agnes Sulzenbach mit einem Stuhl zum Antoniushäuschen begleitete. „Sie betete dort im Mai jedes Jahr den Rosenkranz als Dank für Gottes reiche Segnungen des Waldes.“

Schliefers Vater arbeitete bei Glöckner Mannstaedt als Former. Im Nebenberuf gab es jedoch eine Landwirtschaft, vor allem für den Eigenbedarf, und da musste auch der kleine Michael ran, denn es gab immer etwas zu tun. „Wir hatten zwei Kühe, und ich weiß noch, dass die Milch immer mit der Kanne Nummer 41 abgeholt wurde.“ Wichtiger Meilenstein für den Ort war natürlich die Pleistalbahn. Am 1. Mai 1892 fuhr zum ersten Mal ein Zug von Niederpleis nach Oberpleis. Birlinghoven bekam eine Bahnstation, und der Handel mit Getreide, Kohle und Baustoffen begann. Seit dieser Zeit war Birlinghoven auch Poststation für Rauschendorf, Dambroich, Nieder- und Oberscheuren.

Die Entscheidung der Birlinghovener, anlässlich der Kommunalreform 1969 zu Sankt Augustin gehören zu wollen und damit der Stadt Königswinter den Rücken zu kehren, findet Schliefer auch heute noch richtig. „Wir hatten einen engen Bezug zu Niederpleis und sind damals rundgelaufen und haben für den Anschluss an das Amt Menden und später an die Stadt Sankt Augustin Unterschriften gesammelt.“ Die gute Beziehung kam auch daher, weil der Niederpleiser Chor mit Willi Wessel denselben Chorleiter hatte wie die Birlinghovener. Schliefer ist als 17-Jähriger dem Chor beigetreten und bis heute Vorsitzender des ältesten Vereins im Ort, des Männerchors 1872 Birlinghoven.

Politisch war Schliefer sein gesamtes Leben für seinen Heimatort aktiv. Ab 1964 saß er im Stieldorfer Rat, ab 1969 im Rat von Sankt Augustin und war dort für die CDU auch Vorsitzender des Umwelt-, Planungs- und Verkehrsausschusses. Ziemlich stolz ist er auf den Park mit Spielplatz und Brunnenanlage im Herzen des Ortes, für den er als Ratsherr gekämpft hat. Außerdem war er so lange Ortsvorsteher von Birlinghoven, dass er nicht mehr weiß, wie viele Jahre das genau waren.

Nach dem Krieg wurde der SV Birlinghoven gegründet. Es folgten der Bürgerverein, in dem fast die Hälfte der heute 2000 Birlinghovener Mitglied sind und schließlich die Pappnasen und das Umweltbildungszentrum als jüngster Verein im Ort. Das Haus Lauterbach in dem der Auftakt der Jubiläumsfeiern im Ort stattfindet, gehört dem Männerchor.

Die Jubiläumsveranstaltung beginnt am Sonntag, 26. März, um 15.30 Uhr im Bürgerhaus „Haus Lauterbach“, Mühlenweg 11.

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