Streit um Flüchtlingsunterbringung in Sankt Augustin Schumacher: Baufirma verstößt gegen Vertrag

SANKT AUGUSTIN · Stadt wirft Unternehmen vor, zu wenig Arbeiter an der Flüchtlingsunterkunft „Am Schützenweg“ einzusetzen. Politik kritisiert Bürgermeister wegen mangelnder Informationen.

Um den Bau der Flüchtlingsunterkünfte am Schützenweg in Niederpleis ist es offenbar schlechter bestellt als die Stadt bislang kommuniziert hat. Nahezu täglich sei die Rücksprache und Intervention der von der Stadt beauftragten Rechtsanwaltsgesellschaft Luther aus Köln nötig, gab Bürgermeister Klaus Schumacher am Montag im Haupt- und Finanzausschuss (Hafa) auf Drängen der Politik zu: Seit Juli würden zwischen Stadt und Baufirma getroffene Absprachen nicht oder nicht vollständig umgesetzt. Das Attribut „konstruktiv“ für die Zusammenarbeit beschreibe nur den Zustand, dass überhaupt gebaut werde, sagte die Verwaltung. In der Hafa-Sitzung, bei der die Politiker mehr Geld für das immer teurer werdende Projekt bereitstellen sollte, kam es beinahe zum Eklat.

Mit Ausnahme der CDU-Fraktion kritisierten alle Fraktionen die Informationspolitik Schumachers. Erneut kämen wichtigste Fakten nur auf Drängen und „scheibchenweise“ auf den Tisch, dramatische Zustände würden bis zur letzten Sekunde schöngeredet. Die Politik werde derart kurzfristig über dringendste Entscheidungen und nachträglich abzusegnende Verträge des Bürgermeisters informiert, dass man gar von „Nötigung“ (O-Ton Stefanie Jung, FDP) oder „Erpressung“ (Denis Waldästl, SPD) reden könnte.

Insgesamt 263 000 Euro sollte die Politik als überplanmäßige Haushaltsmittel freigeben, unter anderem weil das Außengelände der Neubauten teurer (der GA berichtete) werde. Und: Allein 91 000 Euro sollten für den Rechtsbeistand aus Köln abgesegnet werden. Doch wofür genau, verriet der Bürgermeister zunächst nicht. SPD, Grüne, Linke und FDP kündigten an, diese Haushaltsmittel nicht tragen zu wollen. Immerhin entspräche die Summe rund 300 Vollzeit-Arbeitsstunden eines Juristen, umgerechnet zwei Monaten Arbeit, so die Fraktionen.

In rund zweistündiger Debatte kamen die eigentlichen Probleme mit dem Bauunternehmen am Schützenweg ans Tageslicht. „Wir haben derzeit den Fall, dass das vereinbarte Vertragswerk nicht so eingehalten wird, wie es unterzeichnet wurde“, gab Schumacher zu. Seit Juli gebe es Probleme, es werde mit weniger Personal gearbeitet als seit Einschalten der Anwaltskanzlei vereinbart, und „insbesondere in den letzten Wochen wurde es immer schwieriger“. Die anwaltliche Hilfe „benötigen wir dringendst“. Insgesamt 50 000 Euro an Anwaltskosten konnte Schumacher ohne Zustimmung der Politik freigeben. Ende der ersten Augustwoche habe die Stadt das Signal erhalten, dass dieser Betrag nicht ausreiche. Deshalb sei die Zustimmung der Politik notwendig, so Schumacher. Derzeit gehe man von 91 000 Euro bis zum Projektende aus. Stadtkämmerer Stephan Rupp machte klar: Ohne Zustimmung der Politik müsse er dem Bürgermeister empfehlen, die Zusammenarbeit der Rechtsanwaltsgesellschaft sofort einzustellen – ein GAU für das Bauprojekt, den Vereins- und Schulsport und die Flüchtlinge, erkannten die von der erzwungenen Freigabe der Mittel empörten Politiker. Nach Sitzungsunterbrechung und Beratung gab die Politik mit Gegenstimme von Stephanie Jung (FDP) alle Mehrausgaben mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten frei.

In separater Abstimmung wurden die umstrittenen Anwaltskosten bei Zustimmung der CDU, sieben Enthaltungen von SPD und Grünen „zum Wohl der Bürger, der Vereine und der Flüchtlinge“ auf den Weg gebracht. Mit Nein stimmten Waldästl, Krishna Koculan (Die Linke) sowie Jung (FDP), die vom Bürgermeister eine transparentere, wertschätzende Zusammenarbeit mit dem Rat einforderte. Die Anwälte von Luther beschäftigten sich auch mit den verwaltungsinternen Abläufen, die im Zusammenhang mit dem Bau der Unterkunft möglicherweise falsch gelaufen sind. Laut Schumacher ist der Bericht fertig, die Ergebnisse werden im September veröffentlicht. Kosten dafür: 39 000 bis 40 000 Euro.

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