Gericht in Sankt Augustin Nachbarinnen streiten wegen Schildkröten-Kamera

BONN/SANKT AUGUSTIN · Eine Frau aus Sankt Augustin fühlt sich von der Schildkröten-Kamera der Nachbarin belästigt. Nachdem das Siegburger Amtsgericht die Klägerin zunächst abblitzen ließ, landete der Fall jetzt vor dem Bonner Landgericht.

Es war der Überwachungsdruck, der ihr missfiel: Weil sie sich von einer Videokamera auf dem Fensterbrett ihrer Nachbarin beeinträchtigt fühlte, ist eine Frau aus Sankt Augustin vor Gericht gezogen. Der Vorwurf: Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Allerdings war das Überwachungsgerät nicht auf den Lebensbereich der Klägerin gerichtet, sondern auf das Schildkrötengehege der Beklagten.

Wegen erwiesener Unschuld hatte bereits das Siegburger Amtsgericht die Klägerin abblitzen lassen. Dagegen war sie in Berufung gegangen und scheiterte nun vor dem Bonner Landgericht erneut. Nach dem deutlichen Hinweis der 8. Zivilkammer auf den wahrscheinlichen Ausgang des Verfahrens, nahm sie ihren Berufungsantrag zurück.

Bereits seit Jahren sind die Nachbarinnen einander in inniger Abneigung verbunden. Die Anfänge des Zwistes blieben zwar vor Gericht im Dunkeln, aber im Kern ging es um die Nutzung einer Freifläche hinter dem Haus, die ursprünglich allen Mietern gemeinsam zustand. Auf die blickten beide Frauen von den Fenstern ihrer Wohnungen, die nebeneinander im ersten Stock des Gebäudes liegen. Eine parallel zum Haus gespannte Wäscheleine lieferte den Stoff für erste Auseinandersetzungen: Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, wer welchen Teil der Leine benutzen durfte, legte die Vermieterin zunächst fest, dass jede nur noch den Teil direkt vor ihrer Wohnung nutzen dürfe. Weil das aber keine Besserung brachte, ließ sie die Leine samt Ständern vollständig demontieren.

Die so gewonnene Freifläche vor ihrer Wohnung nutzte die Beklagte dann auf neue Weise: Sie errichtete ein Schildkrötengehege und im hinteren Bereich einen Schuppen. Damit sie die kaltblütigen Reptilien immer gut im Blick behalten kann, installierte sie auf ihrem Fensterbrett eine Kamera. Die habe sie doch nur besorgt, um sie zu überwachen, mutmaßte die Klägerin. Dafür spreche insbesondere, dass die Kamera ja auch vor Ort bleibe, wenn die Schildkröten sich gar nicht im Gehege befänden. Ihr sei bereits ein Jungtier abhanden gekommen, hatte die Beklagte ihrerseits als Grund für die Installation der Schildkrötenüberwachungsanlage angegeben. Und selbstverständlich könnten die Tiere als Kaltblüter nicht das ganze Jahr im Freien verbringen, daher diene der Schuppen im hinteren Bereich der Freifläche als Winterquartier.

Im Übrigen habe sie die Anlage fest auf dem Fensterbrett verschraubt, was auch sicherstelle, dass der Gartenbereich der Nachbarin eben nicht ins Blickfeld der Kamera geraten könne. Um festzustellen, ob das wirklich so ist, hatte die Kammer eigens einen Gutachter beauftragt: Der kam schließlich zu dem Ergebnis, dass ein Holzkasten, den die Beklagte um die Kamera gebaut hatte, tatsächlich den Blickwinkel auf das Gehege beschränkt. Dem Einwand der Klägerin, dass ja ihre Kontrahentin Oberwasser bekäme, wenn sie jetzt einen Rückzieher mache, begegnete ein Beisitzer im Verfahren mit der Bemerkung, dass die Klägerin vielleicht noch einmal ihre Rechtsauffassung überdenken solle: Schließlich seien mittlerweile vier unabhängige Juristen zum selben Ergebnis gekommen.

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