Infonachmittag Marokkanischer Kulturverein in Sankt Augustin will sich öffnen

Sankt Augustin · Lange blieb die Arbeit des konservativen Marokkanischen Kulturvereins der Öffentlichkeit verborgen. Der neue Vorsitzende will das ändern. Das bringt ihm Lob, aber auch kritische Fragen ein.

 Offenheit, Transparenz und Beteiligung am Stadtleben hat der neue Vorsitzende Ismail Ben-Haddou für den Marokkanischen Kulturverein Sankt Augustin angekündigt.

Offenheit, Transparenz und Beteiligung am Stadtleben hat der neue Vorsitzende Ismail Ben-Haddou für den Marokkanischen Kulturverein Sankt Augustin angekündigt.

Foto: Thomas Heinemann

Brücken bauen ist keine leichte Aufgabe. Erst recht, wenn sich die Menschen beider Ufer kaum kennen, es bislang weniger Kontakt gab, dafür aber Unwissenheit, wenig Erfahrung und Vorurteile. Doch der neu bekundete Wille des Marokkanischen Kulturvereins Sankt Augustin, eine Brücke in die Mitte der Gesellschaft von Sankt Augustin schlagen zu wollen, ist spürbar. Am Samstag lud der Verein in seine Räumlichkeiten in Niederpleis ein.

Man wolle sichtbar werden, transparent sein und sich aktiv ins Stadtleben einbringen, sagte Ismail Ben-Haddou. Der 38-Jährige ist seit Dezember erster Vorsitzender des Kulturvereins, den es bereits seit 15 Jahren in Sankt Augustin gibt und den doch kaum jemand kennt.

Verein erweitert Räumlichkeiten

In der Geschäftszeile Am Engelsgraben hat der Kulturverein die Räume eines früheren Friseurbetriebes zuerst gemietet, später erworben und dann einen Ort zum Treffen und Feiern errichtet, aber auch, „um arabisch und die Grundlagen der islamischen Religion“ zu unterrichten und gemeinsam zu beten, wie Ben-Haddou am Samstag erklärte: Vertreter der Ratsfraktionen und der Presse waren der Einladung gefolgt, sich über den konservativen Verein, dessen neue Öffnung und eine geplante Erweiterung der Räume in Niederpleis zu informieren.

Schon länger hatte der Verein, der rund 140 Mitglieder zählt und etwa 100 Kinder und Jugendliche unterrichtet, nach einem größeren Domizil gesucht. Mit angesparten Mitgliedsbeiträgen und Spenden sei nun die benachbarte Gaststätte „Zum Engel“ erworben worden, so der Vorsitzende. Am Freitag wurde bei der Stadt der Antrag auf Nutzungsänderung eingereicht. „Wir wollen uns erweitern und auch Räume für die Jugend- und Seniorenarbeit anbieten“, sagt der Vorsitzende. „Aber wir überlegen auch, Deutsch- und Integrationskurse anzubieten. Hier ist alles sehr eng. Und wir wollen uns öffnen, nicht nur über Integration reden, sondern sie auch leben.“

Zwei Sankt Augustiner schlossen sich dem IS an

Mit ihm als Vorsitzenden gehe der Verein neue, offene Wege, signalisierte der 38-Jährige, der sehr wohl um die Brisanz der Thematik wusste: „Ja, es gibt überall Fanatiker und Extremisten. Auch aus unseren Reihen sind Leute den Weg des Extremismus gegangen, ohne dass wir sie davon abhalten konnten.“ Zwei Sankt Augustiner hätten sich bereits zu Beginn des Syrien-Konfliktes dem IS angeschlossen, sagt Ismail Ben-Haddou: „Mir wurden die Namen mitgeteilt, ich kenne sie nicht persönlich.“

Der Verein gehöre keiner Dachorganisation an, werde nicht fremdfinanziert und distanziere sich vom Extremismus, betonte er. Stattdessen nutze man nur in Europa zugelassene Lehrbücher und übersetze alle Freitagspredigten ins Deutsche. „Wir wissen alle, dass der Glaube Islam unter Grundverdacht steht“, brachte Wolfgang Köhler von der Partei Aufbruch die Stimmung der ersten Fragerunde auf den Punkt.

Denn gleich bei der ersten Runde wurde der Vorstand mit einer ganzen Fragewelle konfrontiert – zur Rolle der Frau im Verein, zum Zeitpunkt der Öffnung, zu Lehrinhalten, zu Möglichkeiten der Kooperation, aber auch zur möglichen Finanzierung durch ausländische Staaten und der „Nähe zu Syrien“ – das zumindest geografisch mit 3500 Kilometern Entfernung zur marokkanischen Staatsgrenze 900 Kilometer weiter entfernt ist als Deutschland von Syrien.

Kreis und Polizei würdigen Transparenz des Vereins

Peter Enzenberger, stellvertretender Leiter des Kommunalen Integrationszentrums des Rhein-Sieg-Kreises und selbst als Gast dabei, ergriff das Wort: „Um es einmal deutlich zu sagen: Die Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Kulturverein ist einzigartig im Kreis und sehr vertrauensvoll. Der Verein ist ein Vorbild für die Arbeit mit anderen Migrantenorganisationen.“ Denn von Offenheit und Transparent seien alle anderen großen Vereine noch weit entfernt, so Enzenberger.

Dem schloss sich Jürgen Weißberg an, der im Auftrag der Polizei Rhein-Sieg Kontakt zu muslimischen Institutionen pflegt: „Das ist gelebte Integration. Wir brauchen mehr Kommunikation untereinander, mehr Verzahnung – dann läuft Integration fast schon von allein.“ Und es brauche passende Angebote, sprach der Vereinsvorsitzende Ismail Ben-Haddou aus familiärer Erfahrung: „Dann werden Angebote auch angenommen. Erst nimmt man die Hürde der Sprache, dann vielleicht auch sich und anderen die Ängste.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Ein Tropfen
Kommentar zu Straßensanierungen Ein Tropfen