Serie Augustiner Köpfe Die Kräuterfee im Klostergarten

Sankt Augustin · Im Jahr 1974 hat Anne Schwabedal ihre Apotheke in Niederpleis eröffnet. Mit ihrer Familie ist die Apothekerin erst 1986 in das Haus in die erste Etage gezogen. Die Leidenschaft für die Kräuterkunde ist grenzenlos.

Geboren ist sie 1944 in Bad Bevensen, Kreis Uelzen in der Lüneburger Heide. Und eigentlich wollte sie immer Ärztin werden, scheiterte aber am Numerus clausus. Sie studierte schließlich Pharmazie und machte das im Studium nicht besonders geliebte Fach der Heilpflanzenkunde später zu ihrem Steckenpferd. Heute engagiert sich die 71-Jährige überall dort, wo Hilfe gebraucht wird. Die Menschen spielten und spielen in ihrem Leben immer die Hauptrolle.

Ihre Leidenschaft für die Kräuterkunde verdankt Schwabedal ihrer Freundin Mechthild Keller, die in Tansania arbeitete und ein Seminar zum Thema „Heilpflanzen in den Tropen“ anbot. „Ich war fasziniert, sowohl von Mechthild Keller als auch vom Thema, und fragte nach der Rückkehr im Kloster nach einem Stück Land für einen Kräutergarten“. Es gab zunächst Widerstand, aber Schwabedal blieb hartnäckig. Schließlich klappte es doch, gemeinsam mit zehn Unterstützern.

Der Kräutergarten ist als Kreuz angelegt und symbolisiert, dass alle Wege zu Gott führen. Jeden Freitagnachmittag trifft man sich zur Gartenpflege oder zum Fachsimpeln. Eine weitere Station ihres Lebens hat wieder eine Frau geprägt: Mutter Teresa, für die sie schon als Kind geschwärmt hat. „In Mechernich gab es eine Ordensschwester, die zu Mutter Teresa nach Kalkutta gegangen ist. Alle zwei Jahre kam sie und hat mit uns Mädchen getanzt“, erinnert sich Schwabedal, die kurz davor war, selbst Ordensschwester zu werden. „Die Traurigkeit meiner Mutter hielt mich davon ab“.

Aber sie besuchte die Schwestern in Kalkutta und arbeitete jedes Jahr zwei Wochen lang im dortigen Sterbehaus. „Das war für mich wie ein Nachhause kommen, wenn ich gesehen habe, wie liebevoll die Schwestern mit den Kranken umgehen“, erinnert sie sich. Das sei der Anstoß für sie gewesen, im ambulanten Hospizdienst mitzuarbeiten. Sie machte eine Ausbildung zum Sterbebegleiter und zur Hilfskrankenschwester bei den Maltesern.

Und noch ein Projekt wurde durch eine Begegnung mit einem Menschen von ihr initiiert: Ein Mann mit Fahrrad klingelte an ihrer Haustür und bot an, etwas am Haus zu machen. „Er gestaltete meinen Garten um und leistete überall dort, wo ich ihn einsetzte, fantastische Arbeit“, erinnert sie sich.

Sie erfuhr schließlich, dass dieser Mann seine Wohnung verloren hatte. „Der Winter nahte, ich war hilflos und wusste nicht, was ich tun sollte.“ In ihr Haus wollte sie ihn nicht lassen, aber sie machte Platz in der Garage. Auch das war keine Lösung auf Dauer. Die Nachbarn beschwerten sich, und es wurde immer kälter. „Ich habe ihm dann am Wacholderweg eine Einzimmer-Wohnung gekauft, die er selbst sanieren konnte“, erzählt Schwabedal. Das habe auch eine Zeit lang funktioniert. „In dieser Zeit habe ich das Leben von einer ganz anderen Seite kennengelernt“, sagt sie. Auch diese Zwischenlösung eskalierte schließlich wegen der Alkoholprobleme des Mannes.

Sie kontaktierte die Augustiner Tafel und lernte so die Unterkünfte für Obdachlose am Bauhof kennen. „Mir kam der Gedanke, dass ich einmal in der Woche für diese Menschen kochen könnte.“ Das macht sie nun seit zehn Jahren. Immer samstags sitzen am Bauhof zehn bis zwölf Menschen am Tisch und lassen sich ihr Essen schmecken. Fleisch und deftige Hausmannskost stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala. So manch ein Flüchtling würde sich über eine Unterkunft wie die am Bauhof freuen, glaubt die Apothekerin. Denn auch den Flüchtlingen in der Stadt gilt aktuell ihr Engagement. Sie hat eine Familie aus Albanien bei sich einquartiert und kümmert sich um Kinder von Flüchtlingen. „Auf diese Weise habe ich gleich sieben Enkel aus unterschiedlichen Familien bekommen“, freut sie sich.

Sie hat ganz nebenbei den Chor „Querton“ mitbegründet und zeitweise gar in drei Chören mitgesungen. „Denn durch Singen wird die Seele frei“, sagt sie. Was die Ruheständlerin mit dem vollen Terminkalender nicht mag, sind Zank und Streit. „Ich bin sehr harmoniebedürftig. Konfrontation kann ich nicht, und das nervt mich manchmal.“ Letztlich hat sie ihren Weg durch die Begegnung mit Menschen gefunden, und das sind – zwischen Kräutern, Salben und Tinkturen – vor allem Geschichten und Erlebnisse, die sie nicht mehr losgelassen haben und loslassen.

Da wundert es einen nicht, dass es die gute Fee Anne Schwabedal war, die vor Jahren an Heiligabend eine Weihnachtsfeier im Kloster der Steyler Missionare ins Leben rief: für alle Menschen, die an diesem Abend allein sind und gerne mitfeiern möchten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort