Großer Andrang beim „syrischen Nachmittag“ in Mülldorf Berührungsängste sind der Neugierde gewichen

SANKT AUGUSTIN · Gefüllte Weinblätter, üppig beladene Shawarma-Rollen, frittierte Kibbeh-Bällchen und reichlich Tabouleh-Petersiliensalat - die Berge an Essen, die die syrischen Flüchtlinge in Mülldorf für ihren „syrischen Nachmittag“ am Samstag vorbereitet hatten, waren opulent und beeindruckend. Doch der Nachmittag im Pfarrheim in Mülldorf war mehr als kulinarische Völkerverständigung.

 Gemeindereferentin Anne Linden und Ashraf Matar, Mitorganisator des syrischen Nachmittags, freuen sich über den Andrang.

Gemeindereferentin Anne Linden und Ashraf Matar, Mitorganisator des syrischen Nachmittags, freuen sich über den Andrang.

Foto: Thomas Heinemann

Während die neuen und alten Nachbarn sich über das Land und die Kultur Syriens, über Traditionen, Folklore und Geschichte unterhielten, wurden neue Kontakte geknüpft und so manche Freundschaft geschlossen. Derart groß war der Andrang, dass der Pfarrsaal die Mülldorfer kaum fassen konnte.

Das große Interesse sah Ashraf Matar gern. Vor einem Jahr und acht Monaten floh der heute 34-jährige Syrer vor Krieg und Zerstörung aus einem Land, an dessen kultureller Vielfalt und Pracht er am syrischen Nachmittag nur mit Videos und Fotos aus Archiven erinnern konnte.

Nach seiner Flucht war der Architekt in Mülldorf mit offenen Armen und viel Unterstützung aufgenommen worden. „Dafür bin ich unendlich dankbar“, sagte Ashraf Matar in sehr gutem Deutsch.

Er habe mit großem Engagement gelernt und besuche weitere Kurse, berichtete Heike Sorge, Flüchtlingshelferin der ersten Stunde: „Er hat die ersten Kurse mit Bestnoten abgeschlossen.“ Vor drei Wochen sind auch seine Frau und die zweijährige Tochter aus dem zerstörten Syrien nach Deutschland nachgezogen.

Bei den Formalitäten habe die Gemeinde geholfen, dankte der junge Familienvater: „Wir sind hier längst nicht mehr Paten und Flüchtlinge, sondern wir sind Freunde geworden.“

Freundschaften, von denen es noch zu wenige gebe, stellte Anne Linden, Gemeindereferentin im katholischen Seelsorgebereich Sankt Augustin, beim syrischen Nachmittag fest. „Wir merken, das Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit lässt langsam nach und es kommen keine neuen Gesichter mehr dazu. Genau das wäre jetzt aber so wichtig“, so Linden.

Diese Beobachtung teilte auch Ines Pocha, die in Menden und Meindorf die Flüchtlingsarbeit der Kirche koordiniert. Nach der Phase der Nothilfe bei der Ankunft sei nun die mitunter schwierige Arbeit der nachhaltigen Integration angelaufen: „Das reicht von Hilfe bei der Suche nach Praktika oder Jobs über Alphabetisierungskurse speziell für Frauen, Angebote für Mütter mit Kindern bis zur Suche nach Wohnungen. Das sind alles Dinge, die für eine gute Zukunft der Flüchtlinge entscheidend sind und bei denen man am Ball bleiben muss. Wir können da jede Hilfe gebrauchen – selbst wenn es nur das Abtelefonieren von Wohnungsinseraten ist.“

Ehrenamtliche Unterstützer würden aber heute überall dringend gesucht, sagte die Koordinatorin, „und wir spüren bei vielen Helfern auch das Gefühl, von der öffentlichen Hand oder der Stadt nicht ausreichend unterstützt zu werden. Und wenn man dann die Fälle von Flüchtlingen vom Balkan oder aus Tunesien ohne Bleibeperspektive hautnah miterlebt, geht man als Helfer natürlich auf dem Zahnfleisch.“

Umgekehrt gebe die Arbeit mit den neuen Nachbarn viel zurück, sagte Ines Pocha mit einem Blick in den übervollen Pfarrsaal, der im Laufe des Nachmittags dank stetig nachströmender Mülldorfer endgültig zu klein werden sollte.

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