Blumensiedlung in Sankt Augustin Bürger aus Mülldorf darf E-Auto nicht im Vorgarten laden

Sankt Augustin · Dirk Hoffmann aus der Blumensiedlung in Mülldorf möchte sein Hybridauto künftig gerne in seinem Vorgarten aufladen. Einen Stellplatz darf er dafür aber nicht anlegen - der Bebauungsplan aus dem Jahr 1970 verbietet es.

 Dirk Hoffmann aus Mülldorf darf sein Elektroauto nicht im befestigten Vorgarten aufladen. Der Stellplatz vor der Straße ist ihm auch nicht garantiert, und ein Kabel auf dem Gehweg ist tabu.

Dirk Hoffmann aus Mülldorf darf sein Elektroauto nicht im befestigten Vorgarten aufladen. Der Stellplatz vor der Straße ist ihm auch nicht garantiert, und ein Kabel auf dem Gehweg ist tabu.

Foto: Thomas Heinemann

Strom, am besten Ökostrom aus nachhaltiger Quelle, ist der Kraftstoff für die Mobilität der Zukunft. Die Bundesregierung und nun auch die Automobilindustrie wollen noch mehr Hybrid- und Elektroautos auf den Straßen sehen. Ihren Kraftstoff, den Strom, erhalten E-Autos nicht an handelsüblichen Tankstellen, sondern aus Schnellladestationen oder der „normalen“ Steckdose, an der ein Ladevorgang aber deutlich länger dauert. So einfach die Theorie, so kompliziert die Praxis, hat Dirk Hoffmann aus Sankt Augustin erfahren müssen.

In wenigen Wochen kommt sein Hybridfahrzeug, dessen Akku per Kabel aufgeladen werden kann. An einer Ladestation, die es in der Blumensiedlung in Mülldorf nicht gibt. Gern würde Hoffmann eine Lademöglichkeit auf eigene Kosten errichten und dafür seinen Vorgarten für einen Ladeplatz aufgeben. Machen dürfe er das aber nicht, sagt der E-Mobilitätspionier vom Tulpenweg: „Die Stadt hat mir mitgeteilt, dass der gültige Bebauungsplan 504 dies nicht gestattet.“ Der Plan stammt aus dem Jahr 1970, als es so gut wie keine E-Autos gab und niemand an Ladestationen dachte. Das Dokument schreibt für die Blumensiedlung unter anderem vor: „Vorgärten sind als Ziergärten anzulegen und als solche zu unterhalten.“

Vorgaben wie diese seien wichtig und Anfang 2000 in der Blumensiedlung sogar von einer Bürgerinitiative verteidigt worden, erklärt Stadtsprecherin Eva Stocksiefen auf Nachfrage: „Es ist ein gültiger Bebauungsplan. Im Moment gibt es keine Bestrebungen, das zu ändern. Wir wollen, dass der Charakter der Siedlung erhalten bleibt.“ Er schätze das Wohnen und Leben in der markanten Blumensiedlung sehr, betont Dirk Hoffmann: „Aber die Politik und die Regierung sagt, wir sollen Elektroautos kaufen, und wie es dann weitergeht, darum kümmert sich niemand.“

Damit stößt Hoffmann in die offene Wunde der noch nicht vorhandenen Infrastruktur, die für den Ausbau der Elektromobilität dringend notwendig wäre. Gerade in dicht bebauten Städten, wo die vor Ort emissionsfreien Elektroautos Luftverbesserungen bringen könnten, sind ausreichende Lademöglichkeiten nicht vorhanden – und Kabeltrommeln, die von Dutzenden Balkonen und Fenstern zur Straße abgelassen werden, kaum vorstellbar.

Strom per Kabeltrommel durch den Vorgarten zum Straßenrand zu legen, das sei keine Option, sagt Hoffmann: „Das Kabel wäre auf dem Bürgersteig eine ständige Stolpergefahr.“ Und der Garagenhof, in dem auch Dirk Hoffmann eine Garage hat, verfügte über keinen Stromanschluss. Den könne man theoretisch legen lassen, doch „das wäre sehr aufwendig und teuer. Zudem kann ich dann weder die kfw-Förderung nutzen, noch später meinen selbst auf dem Hausdach erzeugten Solarstrom.“ Einzig möglich wäre derzeit, das Stromkabel in einer Konstruktion über den Gehweg in mindestens 2,20 Metern Höhe hinweg zum Auto zu führen. Eine Konstruktion mit Ausleger und herunterbaumelndem Kabel, die einem Galgen gleicht. Für diesen „Stromgalgen“ habe er grünes Licht erhalten, sagt Hoffmann. Das bestätigt auch Stadtsprecherin Eva Stocksiefen, die an den Bericht zur KlimasiedlungPlus erinnert, der als mittelfristiges Ziel etwa eine gemeinsame Lademöglichkeit für mehrere Nachbarn skizziert.

Professor prognostiziert Wildwuchs

In der Tat könnte es mit den stetig steigenden E-Autozulassungen in der Blumensiedlung zu einem „Galgenwildwuchs“ kommen, prognostiziert Professor Manfred Schrödl, internationaler Elektromobilitätsexperte und Vorstand des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe an der Technischen Universität in Wien. Er hat angeboten, bei der Konstruktion eines solchen Galgens, der ein Pilotprojekt für andere Städte sein könnte, persönlich behilflich zu sein und schlägt eine geerdete und ausfahrbare Teleskoplösung aus Metall vor. Besser aber sei eine „intelligente Gehsteigkante“, in der von jedem Hausbesitzer mit Wetter- und Reifenschutz Stromkabel sicher zum Auto geführt werden könnten.

Technischer Clou wäre eine induktive, also kabellose Ladeeinrichtung im Gehsteig, für die es allerdings weder Erfahrungswerte noch einheitliche Standards gebe, sagt der Forscher: „Aber wenn Fördergelder da sind, könnte man so etwas als Muster bauen.“

Doch das kostet Zeit, die Dirk Hoffmann nicht hat. Daher investiert er nun für einen Stromanschluss im Garagenhof rund 3000 Euro – also rund doppelt so viel, wie er als E-Auto-Prämie von der Bundesregierung als Kaufanreiz bekommen wird. Hoffmann ist verärgert: „Aber irgendwie muss ich mein Auto aufladen. Mit einem Stellplatz im Vorgarten wäre das einfacher und günstiger, zumal mindestens andere Häuser in der Siedlung Stellplätze im Vorgarten haben.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort