Männergesangverein in Mülldorf Abschied ohne Tränen

Sankt Augustin · Die Sängerlust aus Sankt Augustin hat genug und löst sich nach 148 Jahren auf. Nur elf Mitglieder kommen zur außerordentlichen Versammlung, früher waren es einmal 84 Aktive.

Um 19.32 Uhr ist am Montagabend alles vorbei. Dieter Grewe, Vorsitzender des Männergesangvereins (MGV) Sängerlust Mülldorf, blickt kurz in die Runde, dann sagt er zu den anderen zehn Mitgliedern: „Damit ist die Geschichte des MGV beendet. Ich hätte mir ein anderes Ende gewünscht, aber was nicht ist, ist nicht.“ Neun Ja-Stimmen, jeweils eine Enthaltung und eine Nein-Stimme. Damit ist die erforderliche Dreiviertelmehrheit in den Ratsstuben erfüllt. Die elf Mitglieder votieren dafür, den Verein aufzulösen – nach 148 Jahren. Es ist ein Abschied ohne Tränen.

Alles Kämpfen hat sich nicht gelohnt. Das ist schnell klar bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung, die mit 15 Minuten Verspätung beginnt – ganz so, als ob die elf Mitglieder das Aus noch ein bisschen herausschieben wollen. Doch an diesem Abend geht es einzig und allein um das Ende – im dritten Anlauf. Im vergangenen November hat eine Stimme zur Auflösung gefehlt, im Februar tritt der Vorstand um Grewe während einer Versammlung zurück, macht dann aber einen Rückzieher, gibt dem Verein eine letzte Chance. Innerhalb von drei Monaten soll ein Stammtisch neue Ideen bringen. Nur: Das zweimalige Aufschieben bringt nichts. Das wird schnell klar.

Keine Resonanz auf Treffen

Laut Grewe kommen nur fünf Mitglieder zu den Treffen. Er sagt: „Wir hatten gute Ideen, aber mit so wenigen Leuten ist das nicht realisierbar.“ Das letzte halbe Jahr hätte man sich schenken können. Und: „Das Dorf hat gesagt: Weg mit dem Verein. Und das haben sie uns auch spüren lassen.“

Knapp 60 Mitglieder hat der Verein laut Kassierer Wolfgang Doepner mittlerweile noch, nur acht aktive Sänger. Zu wenige für Proben, für Auftritte, also für das, was einen MGV ausmacht: Singen. Dazu beigetragen haben auch interne Querelen, vor allem Grewe und Ehrenmitglied Bernhard Spang haben sich etliche Wortgefechte im Februar geliefert. Spang ist am Montagabend nicht da – wie so viele andere. Geschäftsführer Bruno Hartfelder sagt: „Wenn keiner da ist, ist kein Interesse da.“

Nicht allen fällt es leicht, das Aus zu akzeptieren. Ein Mitglied fragt: „Sollen wir den Verein wirklich eineinhalb Jahre vor dem 150-jährigen Bestehen dahingehen lassen?“ Da ist die beschlossene Auflösung allerdings schon 16 Minuten alt, das Ende also besiegelt. Hartfelder sagt: „Das nützt jetzt nichts mehr.“

Trotzdem erhebt sich Brigitte Schmidt, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins. Sie pustet kurz durch, dann sagt sie: „Ich möchte mich bedanken. Ihr werdet mir fehlen, das wollte ich nicht ungesagt lassen. Mit euch verbinden uns viele schöne Stunden.“ Es ist der emotionalste Moment des Abends, die Auflösung für einen kurzen Moment weit weg. Sogar ein Abschlussfest verabreden die elf Mitglieder, für einen Moment ist so etwas wie Begeisterung zu spüren.

Doch das hält nur kurz an, denn der Verein muss schließlich ordnungsgemäß aufgelöst werden. Ordnung muss sein. Dafür braucht es sogenannte Liquidatoren. Was auf den ersten Blick eher an Kriegsrhetorik erinnert, sieht das Bürgerliche Gesetzbuch tatsächlich so vor (siehe Info-Kasten). Die Versammlung wählt Grewe und Doepner. Beide versichern, dass die bestehenden Finanzen ausreichen, um die Liquidation durchzuführen. Zudem muss ein Zweck für die restlichen Gelder aus der Vereinskasse gefunden werden, per Abstimmung fällt die Wahl auf die Feuerwehr. Sollte die ablehnen, käme der Verein „Karren“ zum Zug. Doch es bleibt nicht beim Geld, es geht auch um die Vereinsfahne oder die Zelter-Plakette, eine vom Bundespräsidenten gestiftete Auszeichnung. „Die kommen ins Stadtarchiv“, sagt Grewe.

Als er um kurz nach acht die Versammlung schließen will, geht er noch einmal auf die Gründe für das Aus ein, bedauert die verpasste Zusammenarbeit mit den Sängern aus Meindorf vor zwei Jahren. Um 20.09 Uhr sagt Grewe: „Aber daran lässt sich nichts mehr ändern, der Verein ist seit einer halben Stunde Geschichte.“ Dann ist es vorbei. Nach 148 Jahren.

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