Prozess nach Tötungsdelikt in Niederkassel Mühsame Suche nach der Wahrheit

Niederkassel/Bonn · Im Prozess um den Mord an seiner Mutter redet der Angeklagte viel, sagt jedoch wenig zur Tat.

Als der Angeklagte von Justizwachtmeistern in den Saal gebracht wird, versteckt er sein Gesicht vor den Kameras hinter einer Akte seiner Verteidiger. Das ist auch das einzige, was der 32-Jährige, der am 7. April 2016 seine betende Mutter in Niederkassel-Ranzel mit 80 Messerstichen getötet haben soll, von seinen beiden Anwälten annimmt. Denn der Mann, der laut Gutachter unter Paranoia leidet, vertraut seinen Anwälten nicht und wirft ihnen vor: „Sie haben mir geraten zu lügen, obwohl ich doch die Wahrheit sagen will.“ Wie am ersten Prozesstag vor dem Bonner Schwurgericht klar wird, vertraut er auch sonst niemandem. Und die Wahrheitssuche ist trotz seiner Ankündigung mühsam.

Oberstaatsanwalt Robin Faßbender wirft dem Mann heimtückischen Mord vor und ist sicher: Als sein Mutter, eine gläubige Muslima, am 7. April gegen sechs Uhr morgens auf ihrem Gebetsteppich betete, soll ihr jüngster Sohn von hinten auf sie eingestochen haben. Mehr als 80 Stiche wurden bei der Obduktion festgestellt, vor allem in Hals und Herz. Als ihr Mann, der in einem anderen Zimmer gewesen war, seine Frau wenig später fand, war es zu spät.

Der Anklage zufolge hatte der 32-Jährige die Nacht in der Wohnung der Eltern verbracht, weil die sicherstellen wollten, dass er am Tattag einen Termin in Aachen wahrnimmt: Der Angeklagte sollte dort zu einer Anhörung bei Gericht, wo geprüft werden sollte, ob er für eine psychiatrische Begutachtung in einer Klinik untergebracht werden muss. Hintergrund dafür war ein Strafverfahren gegen ihn wegen mehrfacher Vergewaltigung und schwerer Misshandlung seiner früheren Freundin.

Ob der tödliche Angriff auf seine Mutter im Zusammenhang mit diesem Verfahren und dem Gerichtstermin steht, ist ungeklärt. Und ob das Motiv für diese Tat nun im Prozess ermittelt wird, ist zumindest fraglich: Denn der 32-Jährige erklärt sich zwar bereit, sich zu der „Kerntat“ zu äußern. Doch er beantwortet keine Frage wirklich, klagt über alles und jeden, fühlt sich ungerecht behandelt, vor allem in der forensischen Klinik, in die er aus der U-Haft verlegt wurde, weil er inzwischen als paranoid und wahnhaft gilt. Und als gefährlich. Er ergeht sich in ellenlangen Erklärungen, statt auf die Frage zu antworten, was an jenem Morgen des 7. April geschehen sei. Und vor allem, warum. Wiederholt hält ihm Schwurgerichtsvorsitzender Josef Janßen vor: „Sie reden und reden hier, aber Sie beantworten keine einzige Frage.“

Wieder und wieder fragt ihn der Richter: „Haben Sie Ihre Mutter getötet?“ Und wieder und wieder antwortet der Angeklagt, der nach der Tat die Polizei angerufen und die Tat gestanden hatte: „Lesen Sie, was ich zur Polizei gesagt habe.“ Außerdem wolle er erst hören, was seine Familie dazu sage, „um zu kontern“. Und er versichert: Er sei nicht psychisch krank. Er wolle nicht in einer Klinik untergebracht werden, sondern bestraft werden und ins Gefängnis. Erst nach zähem Frage- und Antwortspiel gibt er schließlich zu: Was er zur Polizei gesagt habe, stimme. Und nach mehr als vierstündiger Verhandlung erklärt er schließlich: Er habe im Streit auf seine Mutter eingestochen. Aber von vorne und auch nicht so oft, und gebetet habe sie zu dem Zeitpunkt auch nicht. Als der Richter wissen will, worum es in dem Streit gegangen sei, verweigert er erneut die Antwort.

Die Vorwürfe, die ihm in Bezug auf seine Ex-Freundin gemacht werden und die nun im Prozess mitverhandelt werden, streitet der 32-Jährige indes rundweg ab und liefert dafür lange und teils verschwörungstheoretische Erklärungen. Laut Anklage hat er die 31-Jährige bedroht, mehrfach vergewaltigt und misshandelt, unter anderem, indem er ihren Kopf in die Toilette drückte und sie mit Zigaretten verbrannte. Der Prozess soll acht Tage dauern.

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