Landgericht in Bonn 11,5 Millionen Euro Schaden für die Sozialkasse

Bonn/Niederkassel · Bonner Landgericht verurteilt Bauunternehmer aus Niederkassel zu vier Jahren und drei Monaten Haft . 56-Jähriger hatte Bauarbeiter für seine deutschen Bauprojekte allesamt aus der Türkei einfliegen lassen, aber in Deutschland über Jahre keine Sozialabgaben für sie abgeführt.

Fast sieben Monate und 27 Verhandlungstage hat der aufwendige und millionenschwere Prozess gegen einen 56-jährigen Bauunternehmer aus Niederkassel gedauert. Gestern hat die 9. Große Strafkammer des Bonner Landgerichts das Urteil gegen den erfolgreichen Geschäftsmann gesprochen, der einer türkischen Bauunternehmer-Dynastie entstammt. Wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialabgaben, gewerbsmäßigen Betrugs sowie Steuerhinterziehung wurde der Familienvater zu vier Jahren und drei Monaten Jahren Haft verurteilt. Darüber hinaus werden 11,5 Millionen Euro aus seinem Vermögen eingezogen. Das ist die Summe, die der Angeklagte über viele Jahre an den deutschen Steuerbehörden und der Rentenkasse vorbeigeleitet hat und die illegal in der eigenen Tasche gelandet ist.

Der zentrale Vorwurf: Der Angeklagte hatte die Bauarbeiter für seine deutschen Bauprojekte allesamt aus der Türkei einfliegen lassen, aber in Deutschland für sie keine Sozialabgaben abgeführt. Der Angeklagte berief sich auf das deutsch-türkische Sozialabkommen, das 2002 sogar auf seine eigene Initiative zustande gekommen war, und glaubte sich damit im Recht. Die Bedingung des Vertragswerks jedoch: Nur wenn sich der Hauptsitz des Unternehmens in der Türkei befindet, können die Bauarbeiter nach Deutschland entsendet werden.

Das funktionierte zunächst reibungslos, weil der Angeklagte mit seinem Bruder kooperieren konnte, der ein Bauimperium in der Türkei führte. 2002 jedoch kam es zum Zerwürfnis der Brüder. Von da an ließ sich der Niederkassler Unternehmer viel einfallen, um gegenüber deutschen Behörden zu verschleiern, dass die in seiner alten Heimat gegründete GmbH nur ein kleines „Personalvermittlungsbüro“ mit vier Mitarbeitern war, aber keinesfalls ein großes Bauunternehmen mit 555 Baustellen.

Für die angeblichen Bauvorhaben soll der Angeklagte, der in Deutschland Bauingenieurwesen studiert hat, zunächst gefälschte Verträge vorgelegt haben. Allesamt Luftnummern, wie er auch eingeräumt hatte. Allenfalls, so die Bonner Richter, habe er für Freunde und Bekannte mal die Kelle schwingen lassen, aber das sei alles schwarz gewesen. Mit diesem „mafiösen Konstrukt“, so der Staatsanwalt, der siebeneinhalb Jahre gefordert hatte, hatte der Angeklagte die Sozialabgaben für seine eingeflogenen Leiharbeiter gedrückt und der Rentenversicherung den Millionenschaden zugefügt.

Auch die Bonner Kammer kommt – nach ausführlicher Prüfung des „auslegungsbedürftigen“ deutsch-türkischen Abkommens – im Urteil zu dem klaren Ergebnis: „Eine Voraussetzung für eine privilegierte Entsendung der Bauarbeiter lag nicht vor“. Fraglos hätte er die Sozialabgaben für seine Mitarbeiter in Deutschland zahlen müssen. Der Geschäftsmann ist weiterhin gegen hohe Auflagen von der Untersuchungshaft verschont und bis zum Haftantritt auf freiem Fuß.

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