Friedwald in Lohmar-Heide Letzte Ruhe unter Bäumen

Lohmar · Seit sechs Jahren gibt es den Begräbniswald in Lohmar-Heide - und er wird stetig erweitert. Rechneten die Betreiber anfangs mit 150 Bestattungen im Jahr, sind es inzwischen schon 550 Beisetzungen jährlich.

 Rund 20 Teilnehmer informieren sich bei einer Führung über das Konzept des Friedwalds in Lohmar-Heide.

Rund 20 Teilnehmer informieren sich bei einer Führung über das Konzept des Friedwalds in Lohmar-Heide.

Foto: Christine (FM) Siefer

Zeichen und Nummern im Wald sind nichts Ungewöhnliches. Häufig kennzeichnen Förster Bäume, die weichen müssen. In einem Waldstück im Siegburger Norden werden keine Bäume gefällt und trotzdem sind einige mit bunten Bändern und Nummern gekennzeichnet. In den nächsten 93 Jahren erfüllen sie einen neuen Zweck: als letzte Ruhestätte.

Ingo Kemsies ist einer von sechs Förstern im Friedwald Lohmar-Heide. Nach einer Fortbildung betreut er seit einem Jahr nicht mehr nur den Forst, sondern vor allem Menschen, die in diesem begraben werden wollen. „In den Wurzeln, Blättern, Ästen weiterzuleben und Teil des Kreislaufes zu werden, ist für viele eine Herzensangelegenheit“, erklärt der 56-Jährige bei einer Führung.

Mindestens einmal im Monat können Interessierte das Konzept „Begräbniswald“ kennenlernen. Diesmal haben sich 22 Teilnehmer angemeldet, trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt. Eine Besucherin bricht die Führung jedoch bereits auf dem Wanderparkplatz ab. Der Lärm der Flughafen-Einflugschneise passe für sie nicht mit der Vorstellung der letzten Ruhestätte zusammen. Alle anderen machen sich mit dem Förster auf den Weg zum ersten Musterbaum, der durch ein blaues Band schon von Weitem zu sehen ist. Eine Infotafel erklärt, dass es sich um einen Familien- und Freundschaftsbaum handelt. Der Preis könne an der Farbe der Plakette abgelesen werden, die sich hinter der Baumnummer verberge, sagt Kemsies. Ein Blick in die Infoflyer zeigt, dass bei Familien-, Einzel- oder Partnerbäumen das günstige Angebot bei 2700 Euro liegt. „Sie kaufen jedoch keinen Baum, sondern nur das Anrecht auf Plätze an einem bestimmten Baum“, betont der Förster, „und das gilt ab Eröffnung eines Waldes 99 Jahre.“ Nur bei einem Gemeinschaftsbaum oder einem Basisplatz, wo der Förster den Baum auswählt, würden Fremde zusammen unter einem Baum beerdigt. Ansonsten bestimmen die Vertragspartner, wer in den maximal zehn Urnengräbern bestattet werden darf.

Als vor sechs Jahren das Gebiet zum Begräbniswald wurde, da rechneten die Stadt Lohmar als Träger und das Unternehmen „FriedWald“ mit rund 150 Beisetzungen im Jahr. Inzwischen sind es jährlich 550 Bestattungen auf einer Fläche von rund 60 Hektar. Auf einer Karte zeigt der Förster das Ausmaß des Friedwaldes und mögliche Erweiterungsflächen. Bisher werden rund ein Zehntel des Forstbereiches Rhein-Sieg-Erft genutzt.

Mitten hinein in den bestehenden Friedwald geht nun die Führung. Die kleinen schwarzen Schilder mit Namen oder Sprüchen fallen kaum auf. Es gibt keinen Grabschmuck, Blumen oder religiöse Symbole an den Bäumen. Nur der Wald wirke vor allem im Frühjahr und Sommer mit seinem schützenden Blätterdach wie eine Kathedrale, sagt Kemsies. „Daher nennen wir ihn auch Hallenwald.“ Hinter einer kleinen Brücke liegt eine große Eiche im schattigen Schnee. Die Gruppe bleibt stehen und erfährt, dass auch der gefallene Riese ein Begräbnisbaum sei. Normalerweise würden umgekippte Grabbäume ersetzt. Doch in diesem Fall, hätten die Hinterbliebenen das nicht gewollt. So liegt der Koloss wie ein Boot im Blätterteppich.

Damit Baumschäden verhindert werden, würden nur besonders robuste Exemplare und langlebige Arten ausgesucht. Ein romantischer Platz an einem der Bachläufe käme aufgrund der Feuchtigkeit ebenfalls nicht in Frage, erklärt der Experte, da sonst das Grab schnell voll Wasser laufe. „Und dann schwimme ich weg“, sagt Hans-Joachim Schröder mit einem Augenzwinkern. Der Bonner ist sich noch nicht sicher, wie er das alternative Bestattungskonzept finden soll. „Ich habe lange im Krankenhaus gearbeitet, bin jetzt selbst schwer erkrankt und möchte alles geregelt haben“, sagt der 66-Jährige. Als der Förster ein Mustergrab vorstellt, hat Schröder viele Fragen. Bei seiner Mutter hätte er damals einen Piccolo mit ins Grab gegeben, ob so etwas auch hier möglich wäre, will er wissen. Das ginge nicht, sogar die Urne sei aus einem biologisch abbaubaren Material, beantwortet Kemsies die Frage. Ob trotzdem giftige Stoffe in den Waldboden und somit ins Grundwasser gelangen können, ist nicht hinreichend belegt.

Am Ende der Führung beginnt es zu schneien. Der Andachtsplatz bietet keine Möglichkeit zum Unterstellen. Es gibt keine Kapelle oder asphaltierte Pfade. Statt Friedhofsgärtner bestimmt im Friedwald Lohmar die Natur die Grabgestaltung mit einer Kraft, die für viele Naturfreunde etwas Tröstliches hat.

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