Bürgerkulturzentrum in Windeck-Schladern Das steckt hinter dem Namen "kabelmetal"

Windeck · Das Kulturzentrum kabelmetal ist einer der Hauptanziehungspunkte für Besucher in Windeck. Wo heute Bands auftreten, haben früher bis zu 500 Menschen gearbeitet. Die Produkte, die sie dort herstellten, waren in der ganzen Welt gefragt.

 Gelungene Verwandlung von der Industriebrache zum Kulturzentrum: Die ehemalige Versandhalle von kabelmetal in Schlandern.

Gelungene Verwandlung von der Industriebrache zum Kulturzentrum: Die ehemalige Versandhalle von kabelmetal in Schlandern.

Foto: Stephanie Roller

Vor dem Neuanfang stand die Katastrophe. „Familien stehen vor dem Nichts“, „Hilflose Wut in der alten Fabrik“ oder „Ländchen blutet aus“ – titelte die Lokalpresse. Das war am 15. Oktober 1988. Das Kulturzentrum „kabelmetal“ in Schladern ist heute vor allem Fans von Livemusik, Kabarett, Partygängern am Wochenende und Liebhabern von Klassik und Literatur ein Begriff. Doch bis vor gar nicht langer Zeit stand der Name kabelmetal für etwas ganz anderes. Die Produkte, die hier hergestellt wurden, waren in der ganzen Welt gefragt: nahtlose Kupferrohre. Sie fanden unter anderem Verwendung in der Industrie, Forschung und sogar am Pariser Eiffelturm.

Mehr als 300 Arbeiter waren bei der Osnabrücker Kabel- und Metallwerke Gutehoffnungshütte AG, die hier Rohre produzieren ließ, angestellt. Einer von ihnen war Dieter Steinhauf. Als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender hatte er selbst Ende der 80er Jahre für die Angestellten des Werks gekämpft. „Als es klar war, dass wir schließen, war es ein persönlicher Schock für mich“, sagt der heute 74-Jährige aus Altwindeck.

Die Geschichte von „Kabelmetal“ beginnt im 19. Jahrhundert. 1891 erwirbt der englische Firma Elmore's das Werksgelände mit der unschlagbaren Lage. Dank des künstlich geschaffenen Siegwasserfalls konnte das Werk Strom produzieren, den es für sein damals revolutionäres Produktionsverfahren, die Elektrolyse, benötigte. Damit gelang es zum Beispiel, Walzen für die Papiermaschinen nahtlos zu verkupfern. Bis heute liefert der Siegfall rund 650 Watt Strom.

"kabelmetal" früher und heute
13 Bilder

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In der Halle sammelten sich die Dämpfe der Chemikalien

Stumme Zeugen aus der industriellen Anfangszeit von kabelmetal finden sich noch heute zahlreich auf dem Gelände. So etwa Spuren der Bahntrasse, mit der das Werk 1911 an die Siegstrecke angebunden wurde, die Stahlträgerkonstruktion (heute Vordach) unter der früher Waren verladen wurden, und natürlich die ehemalige Versandhalle, die heute als Konzertsaal dient.

Nach holprigem Start ging es schnell bergauf für das englische Unternehmen. 1902 produziert Elmore's das mit fünf Metern Länge größte nahtlose Kupferrohr der Welt. Später arbeiten zu Hochzeiten rund 500 Angestellte in dem Werk. 1962 übernimmt die Osnabrücker Gutehoffnungshütte. „Unter den Arbeitern hieß es aber immer, man arbeitet bei Elmore's (deutsche Aussprache in drei Silben, Anm. d. Red.) oder halt bei kabelmetal“, sagt Michael Patt aus Dattenfeld. Er hat als Schüler Ende der 70er Jahre in den Ferien in dem Windecker Werk gearbeitet. „Das war ein beliebter Job. Wir haben gutes Geld verdient“, erinnert sich der 55-Jährige. Gearbeitet hatte er unter anderem in der Nickel-Elektrolyse. „Das war ein Gestank sondergleichen“, sagt Patt. In der Halle sammelten sich die Dämpfe der Chemikalien an. „Ich kenne vier, die da gearbeitet haben, die nach ihrem Ruhestand nicht mehr lange gelebt haben“, sagt Steinhauf, der bei Elmore's ab 1957 technischer Zeichner gelernt hatte und dort später als Ingenieur angestellt war.

Heutige Sicherheitsstandards gab es noch nicht. „In der Halle herrschte strenges Rauchverbot. Daran hat man sich aber nicht immer gehalten“, so Steinhauf. Einen schweren Unfall habe es in den 60er Jahren gegeben: Kohlenstaub, der vor der Halle in schweren Behältern gelagert wurde, hatte sich bei einem Unfall entzündet. Es kam zu einer Explosion, bei er zwei Menschen starben.

2010 gelang der Neuanfang in Schladern

Trotz der harten Arbeit habe im Werk eine fast familiäre Atmosphäre geherrscht, sagt Patt, dessen Vater ebenfalls bei kabelmetal gearbeitet hatte. Der überwiegende Teil der Belegschaft kam aus den umliegenden Orten. Umso härter schlug die Nachricht der Werksschließung ein. In manchen Familien hatten gleich mehrere Angehörige bei kabelmetal gearbeitet.

Nachdem 1995 auch die letzten Maschinen abgestellt worden waren, verfiel die Versandthalle zunehmend. Der Neuanfang gelang 2010. Mit der Idee die Versandhalle in ein Bürgerkulturzentrum umzuwandeln, wurden im Zuge der Regionale im selben Jahr vier Millionen Euro an Fördermittel gewonnen. Zusätzlich steckte die Gemeinde eine Million Euro in das Projekt. Seitdem ist wieder Leben zurückgekehrt an den Wasserfall in Schlandern.

Helfende Hände erwünscht

„Wir möchten hier nicht nur Kultur für Bürger bieten, sondern auch die Gelegenheit bieten, dass Bürger selbst Kultur machen“, sagt Frank Christgen, erster Vorsitzender der Kulturinitiative Windeck (KIWi), die für die Programmgestaltung bei kabelmetal verantwortlich ist. Die KIWi hält seit 2015 das notwendige bürgerschaftliche Engagement aufrecht, das 2013 eine Voraussetzung für die Landesförderung war. Betrieben wird das Kulturzentrum von einer gemeinnützige Gesellschaft, bestehend aus drei Gesellschaftern: dem Eigentümer der Halle („Energiepark am Wasserfall“), der Gemeinde Windeck und die Bürgerkulturstiftung Windeck.

Anfangs plante die KIWi zwölf Konzerte pro Jahr. Mittlerweile seien es 40. „Unser Ziel ist es, ein buntes und möglichst breites Programmangebot zu bieten“, so Christgen. Dazu zählen klassische Konzerte, Auftritte von Bands, das „Schwingungen“-Festival für elektronische Musik oder Kabarettabende mit Richard Rogler (13. Oktober) oder Jürgen Becker im kommenden Jahr. „Nach wie vor bedeutet jede Veranstaltung ein Risiko, dass wir in die roten Zahlen rutschen“, so Christgen. Damit das nicht passiert, wird auch 120 Jahre nach Werksgründung bei kabelmetal noch hart gearbeitet. 68 Mitglieder hat die KIWi heute, aber, so Christgen: „Wir können dringend noch helfende Hände gebrauchen.“

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