Ein Jahr und fünf Monate Angeklagte im Fall von Ruppichteroth erhält Bewährungsstrafe

Ruppichteroth · Das Gericht hat die 29-jährige Angeklagte im Missbrauchsfall von Ruppichteroth zu einem Jahr und fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ihr mitangeklagter Ehemann war zwischenzeitlich verstorben.

Wie beim Prozessauftakt im Januar war auch zur Urteilsverkündung am Freitag der Medienrummel im Bonner Landgericht groß. Die Angeklagte hatte sich eine Kapuze über den Kopf gezogen hielt eine rote Aktenmappe vors Gesicht, um sich Blicken und Kameras zu entziehen. Vor der 3. Großen Strafkammer gab es in dem aufsehenerregenden Prozess um ein Ehepaar aus Ruppichteroth, das eine 27-Jährige bei sich aufnahm, zeitweise einsperrte und misshandelte, nun ein Urteil. Die 29-jährige Angeklagte, deren Ehemann im vergangenen Dezember gestorben war, wurde von der Kammer wegen gefährlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilt. Einbezogen in die Strafe wurde auch ein Urteil des Amtsgerichts Siegburg aus dem Jahr 2015. Damals wurde das Ehepaar wegen gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil es die damals 23-Jährige auf offener Straße attackiert und in sein Auto gezerrt hatten.

Nachdem das Opfer im Rahmen von Vernehmungen rund 20 Stunden lang ausgesagt hatte – davon allein zehn Stunden während der Hauptverhandlung – war für die Kammer unter Vorsitz von Richter Klaus Reinhoff klar: „Wir sind davon überzeugt, dass die Geschädigte in allen Punkten die Wahrheit sagt.“ Die heute 27-Jährige, so stellte der Kammervorsitzende in der Urteilsbegründung fest, wurde im Hause der Familie mental umprogrammiert: „Es ist erschreckend: Sie brauchen einen Menschen gar nicht permanent einzusperren, wenn sie mit psychologischen Mitteln seinen Willen brechen.“

Der 48 Jahre alte Ehemann habe als Haupttäter die junge Frau immer wieder erniedrigt und misshandelt. Einen vermeintlichen SM-Vertrag zwischen ihm und dem Opfer, den der Rechtsanwalt der Angeklagten im Laufe der Verhandlung als Beweismittel eingeführt hatte, wurde im Urteil als „äußerst peinlich“ und reiner Rechtfertigungsversuch eingestuft.

Die 29-Jährige war in einem Fall, als ihr Ehemann das Opfer zu erniedrigenden Handlungen nötigte, zugegen und wurde deshalb wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt. In einem zweiten Fall soll sie die gleiche Handlung alleine begangen haben. Deshalb wurde ihr von der Bonner Staatsanwaltschaft ursprünglich Vergewaltigung vorgehalten. Allerdings profitierte die Angeklagte bei ihrer Verurteilung von einem alten Paragrafen im Strafgesetzbuch, der 2016 geändert wurde und deshalb nicht für die Tat, die zwischen August 2013 und Februar 2014 begangen wurde, angewendet werden konnte. In dem konkreten Fall fehlte es nach dem alten Paragrafen 177 sowohl an der Androhung von Gewalt als auch an Gegenwehr des Opfers, um die Tat als Vergewaltigung zu werten.

Nach dem Urteil kündigte der Rechtsanwalt der 29-Jährigen an, in Revision gehen zu wollen. Für die Nebenklagevertreterin, Dagmar Schorn, ist das Urteil indes eine Erleichterung: „Ich bin sehr froh darüber, dass die Kammer meiner Mandantin in allen Punkten Glauben schenkt und auch die Schuld des verstorbenen Ehemanns anerkennt. Der Prozess war für sie sehr anstrengend und aufwühlend, daher wird sie jetzt vorerst aufatmen können.“

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