Polizei im Rheinland Wenn Unterbesetzung zur Lebensgefahr wird

Der Kampfsportler und ehemalige Polizist Nick Hein schreibt ein Buch über seine Arbeit am Kölner Hauptbahnhof. Heute kommt das Werk auf den Markt.

 Nick Hein veröffentlich ein Buch über seine Arbeit bei der Bundespolizei und klärt über dortige Missstände auf. Erscheinungstermin von „Polizei am Limit“ ist der 16. Dezember.

Nick Hein veröffentlich ein Buch über seine Arbeit bei der Bundespolizei und klärt über dortige Missstände auf. Erscheinungstermin von „Polizei am Limit“ ist der 16. Dezember.

Foto: Holger Arndt

Worum geht es in Ihrem Buch genau?

Nick Hein: Es geht um die Missstände im Polizeidienst. Da sind lasche Strafverfolgungen und katastrophale Zustände, was das Equipment betrifft. In NRW haben wir beispielsweise die niedrigste Stufe im Digitalfunknetz. Weil die Funkgeräte nur außerhalb von Gebäuden funktionieren, haben normale Zwei-Personen-Streifen am Hauptbahnhof meistens vier Funkgeräte und mindestens drei Handys dabei. Außerdem müssen sich Polizisten auch Handschuhe, kleine Taschenlampen und Stichschutzeinlagen für ihre Schussweste selber kaufen.

Wie kommt ein ehemaliger Bundespolizist dazu, seinen Ärger über den Beruf in einem Buch zu veröffentlichen?

Hein: Ich habe in meiner Dienstzeit als Kontroll- und Streifenbeamter erkannt, dass die Kritik maximal bis zum Tisch im Aufenthaltsraum gelangt und dahinter interessiert sie keinen mehr. Ende 2014 habe ich gekündigt, um mich meiner Sportlerkarriere zu widmen. Als dann ein Jahr später die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln passierten und die Polizei in den Medien die Schuld zugewiesen bekam – und es war genau meine alte Kollegengruppe, die dort im Einsatz war – habe ich einen Post bei Facebook veröffentlicht. Dieser hat so eingeschlagen, dass ich Angebote bekommen habe, ein Buch zu schreiben.

Meinen Sie, es war Zufall, dass genau Ihr Beitrag so viel Aufmerksamkeit bekommen hat?

Hein: Ich habe wohl einfach den richtigen Ton getroffen und ich war in der Position, offen darüber reden zu können. Es gibt viele Leute bei der Polizei, die über die Missstände qualifiziert sprechen könnten, sich aber nicht trauen, weil sie so ihre berufliche Laufbahn riskieren. Bei mir war das egal.

Sie waren in der Silvesternacht nicht im Einsatz, weil Sie nicht mehr bei der Bundespolizei tätig waren. Wie haben Sie die Vorfälle empfunden?

Hein: In dem Moment habe ich meine Kündigung bereut, ich wäre gerne dabei gewesen, um zu helfen. Aber ich weiß, dass ich nichts hätte ändern können. So eine Situation haben wir in den ganzen vorherigen Dienstjahren noch nie erlebt.

In Ihrem Buch „Polizei am Limit“ äußern Sie starke Kritik. An wen richtet sich diese?

Hein: Im Großen an die Politik – dort fehlt es an Rückhalt. Wir sind maßlos unterbesetzt, aber über Arbeitsstellen entscheidet nicht die Polizei selbst. Natürlich, fast überall gibt es Unterbesetzung, aber in manchen Berufen ist das lebensgefährlich. Vieles ist eine Frage des Geldes. Aber wir wollen ja keine schnelleren Autos, sondern nur, dass unsere Funkgeräte funktionieren.

Haben Sie Lösungsvorschläge?

Hein: Man könnte zum Beispiel das Strafgesetz verändern. Intensive Wiederholungstäter sollten nicht mehr strafmildernd behandelt werden, sondern die vollen Auswirkungen unseres Rechtssystems zu spüren bekommen. Außerdem sollten alle Angriffe gegen Polizisten bestraft werden. Viel hilft viel – zum Beispiel in Form von Polizisten und Geld für neues Equipment.

Ihre früheren Kollegen sind begeistert, dass Sie die Missstände offen legen. Wie war die Reaktion Ihrer ehemaligen Vorgesetzten?

Hein: Mit denen habe ich noch nicht gesprochen. Aber ich weiß, dass meine Äußerung bei Facebook scharf daraufhin betrachtet wurde, ob ich irgendwelche Dienstgeheimnisse ausgeplaudert hätte. Und noch ist das Buch nicht veröffentlicht – dann rechne ich mit einigen Repressalien.

Plaudern Sie in Ihrem Buch denn über geheime Dinge?

Hein: Ich nehme mir die Fakten ungeschönt vor. Zum Beispiel sage ich, dass es Stellen im Kölner Hauptbahnhof gibt, an denen die Funkgeräte nicht funktionieren. Aber ich sage natürlich nicht, wo das ist – sonst würde ich auch alte Kollegen in Gefahr bringen. Ich möchte, dass das Buch Diskussionen hervorbringt und dass mehr Menschen etwas unternehmen. Eine Möglichkeit ist, in die Politik zu gehen – vielleicht mache ich das auch mal irgendwann.

Noch eine letzte Frage: Wie passt Kampfsport zu einem Job bei der Bundespolizei?

Hein: Das eine ist Beruf, das andere Sport. Die beiden Sachen schließen sich nicht gegenseitig aus. Ich liebe Kampfsport – aber es ist eben Kampf, der auf den Sport reduziert ist.

Das Buch „Polizei am Limit“ von Kampfsportler und Ex-Polizist Nick Hein erscheint am Freitag, 16. Dezember, im Rowohlt Verlag. Es ist auch als E-Book erhältlich und kostet 9,99 Euro.

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