GA-Serie "Macht und Mehrheit" Lobbyisten – Experten, Berater oder Strippenzieher?

Bonn · Johannes Neukirchen war einst Spitzenbeamter des Landes Rheinland-Pfalz. Heute gilt er als Doyen der Lobbyisten. Im GA-Interview verrät er, wie die Arbeit eines Lobbyisten aussieht.

Der heutige Ehrenpräsident des Adlerkreises, wo Lobbyisten von Großkonzernen sich zu einem exklusiven Zirkel zusammengeschlossen haben, gilt als „Doyen der Lobbyisten“.

Herr Neukirchen, Sie waren früher Spitzenbeamter. Warum haben Sie die Seiten gewechselt?

Johannes Neukirchen: Nach der für die CDU verlorenen Landtagswahl 1991 wurde ich von der neuen Landesregierung in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ich war gerade 50. Die Leiter der Vertretungen der Länder waren in Bonner Zeiten jeweils persönlich einem weiten Publikum sehr bekannt. Ich erhielt umgehend insgesamt acht hochpositionierte Angebote. Ich nahm schließlich das Angebot von BMW an, als Bevollmächtigter des Vorstandes der BMW AG zu agieren.

Warum BMW?

Neukirchen: Ausschlaggebend für mich war die Persönlichkeit des damaligen Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, Eberhard von Kuenheim. Dazu kam die Neugier auf die 'andere Seite'. Außerdem war BMW am weitesten weg von meiner bisherigen politischen Tätigkeit und Verantwortung. Nicht zuletzt hat mich aber die faszinierende Marke BMW gereizt. Nur wenn man von einem Unternehmen überzeugt ist, seinen „Spirit“ verstanden hat und bejaht, kann man das Unternehmen auch glaubhaft „vertreten“ und – was noch viel wichtiger ist: das Unternehmen bei der Formulierung einer Zukunftsstrategie nützlich und damit erfolgreich mitbegleiten.

Was machen Sie als Lobbyist?

Neukirchen: Die Lobbyisten sind gewissermaßen Sprachmittler zwischen Wirtschaft und Politik – und noch vielmehr umgekehrt: Wenn man gut ist, ist man auch so etwas wie ein 'Früherkennungssystem' des Unternehmens für Entwicklungen, Themen und Trends in der Politik. Daher sind für Lobbyisten eine Fülle von Veranstaltungen, wo man sich begegnet und miteinander spricht, Pflicht: Dazu zählen unter anderem Fraktionsveranstaltungen und Parteitage aller Parteien, Themenkongresse und natürlich auch gezielte Begegnungen. Heutige Unternehmensentscheidungen haben eine Laufzeit über mindestens vier Legislaturperioden. Die politische Szene von 2017 ist mit der von 2007 nicht mehr zu vergleichen. Hier liegt die Herausforderung für das strategische Management eines Unternehmens im Umgang mit der Politik, aber auch mit dem Markt. Genauso wichtig sind natürlich auf der anderen Seite die Botschaften des eigenen Unternehmens an die Politik. Das kann ein Einzelproblem sein in der laufenden Gesetzgebung, national oder EU – ich nenne da die Energiewende – oder aber auch der Aufbau eines Kompetenzprofils des Unternehmens in der Einschätzung der Politik.

Was meinen Sie genau damit?

Neukirchen: Eine Möglichkeit hierbei sind Themenveranstaltungen, zu denen öffentlich oder im Expertenkreis auch die Politik eingeladen wird, oder auch Einladungen zu Unternehmensbesuchen mit fachspezifischer Diskussion. Da gibt es noch viele weitere Möglichkeiten.

Wo treffen Sie die Abgeordneten?

Neukirchen: Immer in deren Büros oder ich erhalte Einladungen in parlamentarische Arbeitsgruppen. Weitere Möglichkeiten für Begegnungen mit Politikern gibt es bei Veranstaltungen der Verbände, der Botschaften, Vereinigungen und politischen Gesellschaften sowie bei den Gesprächskreisen der Wirtschaft mit der Politik.

Was bedeutet für Sie erfolgreiche Lobbyarbeit?

Neukirchen: Erfolgreiche Lobbyarbeit ist für mich immer kompetente Mittlertätigkeit mit Erfolg für beide Seiten. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Zeit bei BMW: Als damals die Vorbereitungen für das erste BMW-Werk in den USA liefen, haben wir gegenüber der deutschen Politik deutlich machen müssen, dass Internationalisierung kein Export von Arbeitsplätzen bedeutet und auch unsere Präsenz am Standort Deutschland nicht gemindert wird. So ist es ja auch gekommen. Wir haben die Politiker außerdem davon überzeugen können, dass internationale Präsenz auch der Stärkung des Heimatstandortes dient.

Neukirchen: Zunächst einmal: Die öffentliche Wahrnehmung von Interessen ist durch unsere grundgesetzliche Ordnung mit vorgegeben. Klar muss die Rangordnung sein: Die Politik ist der Entscheider und bestimmt auch Form und Maß von Informationsprozessen. Und die Lobbyarbeit muss transparent und nachvollziehbar sein. In dem Zusammenhang möchte ich auch darauf verweisen, dass die neuere Entwicklung in Form von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGO) Lobbyorganisationen hervorgebracht hat, die ethische Postulate oder gesellschaftspolitische Forderungen zu ihren Kernthemen gemacht haben, sich dabei aber offensichtlich auch gewisse Geschäftsfelder geschaffen haben. Viele gehen nach meiner Beobachtung mit unklarer Struktur und ohne demokratische Legitimierung vor, vielfach zudem mit unklarer oder staatlicher oder sogar verdeckter Wirtschaftsfinanzierung. Da diese Organisationen häufig auch Parteigänger in den Medien haben, haben sie immer wieder versucht, eine Gut-Böse-Polarisierung zu positionieren, also hier ist die schlechte Lobby der Wirtschaft und dort die gute Lobby der NGO.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort