Prozess vor dem Bonner Landgericht Hennefer kassiert mit fiktiven Verträgen 670.000 Euro

Hennef/Bonn · Ein Versicherungsvertreter ist wegen vielfachen Betruges angeklagt. Die Krankheit seines Partners und die Anerkennung in einem internen Wettbewerb nennt der Familienvater als Gründe für die Betrügereien.

 Symbolbild

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Foto: Benjamin Westhoff

Jahrelang hat der Mann auf der Anklagebank bei der Versicherung, für die er als Vertreter arbeitete, abkassiert. 670 000 Euro Provisionen und Boni erhielt der 59-jährige Inhaber der Versicherungsagentur in Hennef für Verträge, die er schlichtweg erfunden hatte. Nun sitzt der vierfache Familienvater zerknirscht vor dem Bonner Landgericht und gibt alle Fälle des gewerbsmäßigen Betruges, die ihm die Anklage vorwirft, unumwunden zu. Und erklärt, wie es dazu gekommen ist.

Seit seiner Jugend arbeitete der Mann bei der betroffenen Versicherung, wo er auch seine Ausbildung gemacht hatte, bis er sich 2008 zusammen mit einem Partner mit der Agentur für den Konzern selbstständig machte. Nun war er als freier Vertreter davon abhängig, so viele Verträge wie möglich abzuschließen, um die Provisionen zu erhalten. Und begann im Juli 2011, Verträge zu fingieren.

So schloss er unter anderen auf die Namen von Bekannten und deren Kindern private Rentenversicherungen ab, von denen die natürlich nichts ahnten. Er fingierte reihenweise Verträge über Gebäudeversicherungen für Grundstücksgesellschaften, teilweise mit Adressen, wo überhaupt kein Gebäude stand. Das ergaunerte Geld teilte er redlich mit seinem Partner, der von seinen Machenschaften, wie er nun im Prozess versichert, keine Ahnung hat. Denn, so erklärt der Angeklagte: Mit ein Grund für die Betrügereien sei die Erkrankung des Partners gewesen.

Angeklagter spricht offen über Motive

Denn nun habe er die Agentur allein am Laufen halten, das Ansehen hochhalten und Geld verdienen müssen. Aber, so räumt er auch ein: Es sei ihm nicht nur ums Geld gegangen, sondern auch um die Anerkennung, um bei der Versicherung im internen Wettbewerb beim „Club der Besten“ mithalten zu können. Natürlich seien auch die Bonuszahlungen bei einer bestimmten Zahl von Vertragsabschlüssen ausgesprochen verlockend gewesen. Der Angeklagte gibt alles so freimütig zu, dass Kammervorsitzender Klaus Reinhoff sagt: „Dass jemand so offen mit uns redet, haben wir auch nicht so oft.“

Im Januar 2014 war das falsche Spiel vorbei. Denn der Schwindel flog auf, als einige seiner Kunden zu einer anderen Agentur wechselten, und der neue Vertreter alle Verträge unter die Lupe nahm. So kam heraus, dass den Kunden, ohne das sie es merkten, Beträge für nie abgeschlossene Versicherungen von der Assekuranz abgebucht waren. Der neue Versicherungsvertreter schaltete die Innenrevision ein, der Angeklagte wurde zur Rede gestellt, gab sofort alles zu und war seine Agentur auf der Stelle los. Da er inzwischen unter Depressionen leidet und nicht mehr arbeitsfähig ist, erhält er eine Erwerbsunfähigkeitsrente – von immerhin 4700 Euro monatlich. Denn er hat mit privaten Versicherungen gut vorgesorgt.

Allerdings muss er den angerichteten Schaden auch wiedergutmachen. Eine Lebensversicherung, die im nächsten Jahr fällig wird, will er abtreten an die Versicherung, die ihn auf Schadensersatz von 672 000 Euro verklagt hat. Inzwischen hat die Assekuranz ihm angeboten: Wenn der 59-Jährige in den nächsten 15 Jahren 350 000 Euro in monatlichen Raten zurückzahlt, wird ihm der Rest erlassen. Seinen Partner, der ahnungslos die Hälfte des ergaunerten Geldes annahm, will er nicht in die Pflicht nehmen und erklärt: „Ich bin allein verantwortlich.“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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