Verunsicherte Pendler Dieselbesitzer aus der Region befürchten Fahrverbote

Region · Drohende Fahrverbote sind Thema bei Pendlern, Handwerkern und Verbraucherzentralen in der Region. Verbraucher können sich einer Musterfeststellungsklage gegen den VW-Konzern anschließen.

In Berlin gibt es bereits ein Dieselfahrverbot, Köln ist auf der Liste für die Diesel-Umtauschprämie, und Bonn versucht als Modellkommune für bessere Luft, die Stickoxidwerte ohne Fahrverbot zu senken. Umtauschen oder umrüsten? Pendler sind nach dem Berliner „Dieselgipfel“ verunsichert, die Autohäuser verzeichnen einen Zulauf ratsuchender Dieselbesitzer.

Wie viele andere Pendler hofft auch Martin Karlein (59), von Fahrverboten verschont zu bleiben – zumal für ihn als Berufspendler, der täglich über den Rhein von Sinzig nach Bad Honnef und wieder zurück fährt, der Öffentliche Personennahverkehr keine Alternative darstellt. Zwei Dieselfahrzeuge älteren Datums – Euro-Normen 3 und 4 – besitzt die Familie. Die Entscheidung für Diesel sei schon angesichts des Feriendomizils in Frankreich gefallen. „Bei langen Strecken ist der Diesel halt einfach wirtschaftlicher“, sagt der IT-Experte aus der Bad Honnefer Stadtverwaltung. Zwar denke er schon länger darüber nach, seinen älteren Diesel gegen ein neues Modell auszutauschen. Aber eine Neuanschaffung sei schließlich eine erhebliche Investition. Karlein: „Und wer sich erst kürzlich im guten Glauben einen Euro-6-Diesel gekauft hat, steht jetzt natürlich besonders dumm da.“ Die Verantwortung sieht er bei der Autoindustrie, die längst über bessere Technik verfüge, und der Politik: „Die Probleme werden auf die Verbraucher abgewälzt.“

Auch Raumausstattermeister Martin Schwiertz (62) schaut besorgt auf die aktuellen Nachrichten: „Ein Fahrverbot für meinen Wohnort Köln hätte für mich extreme Auswirkungen bis hin zum dramatischsten Fall: dem Arbeitsplatzverlust.“ Er pendelt täglich 75 Kilometer von Köln nach Ahrweiler, wo er arbeitet. „Ein Fahrverbot würde für mich bedeuten, dass ich nicht zur Arbeit komme und damit meinen Verdienst verliere“, sagt Schwiertz. Ein neues Fahrzeug als Ersatz für seinen bisherigen Polo-Diesel mit Euro-Norm 4 könne er sich derzeit nicht leisten. „Und das Umsteigen auf den Öffentlichen Personennahverkehr stellt für mich keine wirkliche Alternative dar. Das habe ich mal getestet für einen Zeitraum von drei Monaten“, berichtet der Raumausstattermeister. „Da habe ich von Köln-Longerich bis ins Ahrtal mit der Bahn 2,5 Stunden gebraucht.“

Handwerker befürchten immense Kosten

Für Alexander Eichhorn, Inhaber des gleichnamigen Dachdecker- und Zimmereiunternehmens aus Wachtberg-Villip, wäre ein Dieselfahrverbot „eine Katastrophe“. Nachdem im März 2007 die Verordnung zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen nach Schadstoffgruppen in Kraft getreten war, hatte der Handwerksunternehmer seinen gesamten Fahrzeugpark sukzessive erneuert: „Insgesamt acht Fahrzeuge wurden angeschafft, die über die Euro-Norm 4 und 5 verfügen.“ Ein neuntes Fahrzeug sei sogar Euro 6-tauglich. Käme jetzt ein Fahrverbot, so Eichhorn weiter, müsse er seine noch nicht abgeschriebenen Firmenautos umrüsten oder schlimmstenfalls neu kaufen. Beides ist für ihn keine Alternative: „Eine Nachrüstung wird von den Herstellern überhaupt noch nicht angeboten.“ Ein Neukauf der im Schnitt zwischen 30 000 und 50 000 Euro teuren Fahrzeuge scheitere nicht nur an den Kosten. Hinzu komme: „Meine Firmenfahrzeuge wurden speziell für unsere Einsatzzwecke gebaut, und daher müsste ich bei einer Neubestellung rund ein halbes Jahr auf einen neuen Wagen warten.“ Die große Frage ist für ihn: „Was sage ich in der Zwischenzeit meinen Kunden? Die warten nämlich nicht.“

Wilfried Wirtz, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Wirtz mit Firmensitz in Bornheim, sieht dem Diesel-Fahrverbot hingegen entspannt entgegen: „Ich sehe uns als Unternehmen weniger betroffen. Wir haben 60 Sattelfahrzüge – also 40-Tonner – alle davon erfüllen die Euro-Norm 6“, so Wirtz. Wenn man in die Zukunft investiere, habe man kein Problem: „Schließlich geht es bei den Verboten und Grenzwerten ja auch um unsere Gesundheit.“

Seit 2016 könne man ohnehin keine Fahrzeuge mehr kaufen, die nicht der Euro-Norm 6 entsprechen. „Viele Wagen, die seit über zehn Jahren unterwegs sind, sollten bei Speditionsunternehmen vielleicht auch gar nicht mehr auf der Straße sein“, findet Wirtz. „Ich habe keine Angst vor diesen Verboten. Die Umstellung kann man ganz normal lösen, und Wirtz als Unternehmen muss weder aufrüsten noch neu kaufen.“

"Diesel sind mit viele Unwägbarkeiten verbunden"

In der Siegburger Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW melden sich zurzeit viele verunsicherte Dieselfahrer. „Wir haben laufend Leute hier, die ihren Diesel loswerden wollen. Bei Autos, die finanziert wurden, spielt zum Beispiel die Frage nach dem Restwert eine Rolle“, sagt Martin Wieler, Leiter der Beratungsstelle Siegburg. Die Verbraucherzentralen betrachten das Thema vor allem aus rechtlicher Sicht, ihr Bundesverband bereitet zurzeit mit dem ADAC eine Musterfeststellungsklage gegen VW vor. Das Ziel: Sie wollen gerichtlich feststellen lassen, dass der Volkswagen-Konzern durch Einsatz von Manipulationssoftware Verbraucher vorsätzlich geschädigt hat. Er schulde den Käufern Schadenersatz, meinen die Verbraucherschützer. An die Klage können sich Verbraucher anschließen, Informationen gibt es auf musterfeststellungsklagen.de.

Martin Wieler rät zwar grundsätzlich dazu, umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Bus, Bahn und Rad zu nutzen. Er weiß aber auch, dass der Diesel gerade in ländlichen Regionen als günstiges Fortbewegungsmittel beliebt war. Jetzt noch einen neuen Diesel anzuschaffen, sei „mit vielen Unwägbarkeiten verbunden“, meint er. Kunden sollten genau überlegen, was für ein Fahrzeug sie brauchen und ob das auch zukunftsfähig sei.

Die Autohäuser in der Region sind eher zurückhaltend, wenn es um Stellungnahmen zum Dieselthema geht. Ein Mitarbeiter eines Siegburger Autohauses, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte dem GA: „Nicht jeder Kunde mit einem Auto mit Euro-Norm 5 kann sich einfach einen neuen Wagen kaufen.“ Umrüstungssysteme wären da der richtige Weg. Ein Thema, das Politik und Autoindustrie bislang aber nicht angingen. Auch für mittelständische Unternehmen sei es ein Problem, wenn der Hof voller Diesel stehe.

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