Staatsanwältin forderte Freispruch Acht Jahre Haft für Vergewaltigung von Jugendlicher in Hennef

Bonn · Für die Vergewaltigung einer 14-Jährigen am Allner See in Hennef muss ein 27-Jähriger für acht Jahre in Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte am Ende überraschend einen Freispruch gefordert.

Im Fall der Vergewaltigung einer 14-Jährigen am Allner See in Hennef hat die Jugendschutzkammer des Landgerichts Bonn am Dienstag ein Urteil gefällt: Der 27-jährige Angeklagte, ein Asylbewerber aus Eritrea, muss für acht Jahre in Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte überraschend auf Freispruch plädiert, weil sie den Tatbestand einer Vergewaltigung nicht als erwiesen ansah.

Mit dem Urteil hatte Lisa M. (alle Namen geändert) schon gar nicht mehr gerechnet. Die 14-Jährige, die sich unter einer schwarzen Wollmütze versteckt hatte, konnte es kaum fassen. Wenige Minuten vor der Urteilsverkündung noch war das Mädchen verzweifelt gewesen, hatte sich in den Armen ihrer Mutter versteckt und geschluchzt. Denn die Staatsanwältin hatte dem Opfer im Bonner Vergewaltigungsprozess gegen den Asylbewerber Ramir T. aus Eritrea nicht geglaubt. Sie hatte Zweifel, ob die Vergewaltigung am Allner See in der Nacht zum 17. Mai sich tatsächlich so abgespielt hat, wie es die 14-Jährige ausgesagt hatte. Die Jugendschutzkammer des Bonner Landgerichts hingegen glaubte der jungen Schülerin ohne Einschränkungen.

„Es kann nur so gewesen sein, wie das Mädchen es geschildert hat“, betonte Kammervorsitzender Wolfgang Schmitz-Justen in seiner ausführlichen Urteilsbegründung. Ihre Aussage sei besonders detailliert, psychologisch stimmig und glaubwürdig gewesen. Von einem „freiwilligen Schäferstündchen“, wie der Angeklagte es behauptet hatte, könne keine Rede sein: Der Tatort unter einer Autobahnbrücke an der Sieg sei ein „reines Kampffeld gewesen“. Überall wurden später Utensilien der 14-Jährigen verstreut gefunden: Zigaretten, Tabak, eine Haarspange. „Was das Opfer in dieser Nacht erlebt hat“, so Schmitz-Justen, „war ein ganz massiver brutaler Übergriff mit Gewaltszenen und gleich mehreren Sexualpraktiken. Zusätzlich noch das Entsetzen über einen Vertrauensmissbrauch“, so Schmitz-Justen.

Denn Ramir T. war zwei Jahre lang ihr bester Freund gewesen, dem sie sich anvertraut hatte. Beim Chillen und Kiffen hatte sie ihn am Allner See kennengelernt und ihm sogar ein Geheimnis anvertraut. Ein Jahr zuvor war Lisa M. schon einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. Aber diese Geschichte hatte die damals 13-Jährige selbst provoziert, weshalb sie sich schuldig fühlte. Gemeinsam mit zwei Freundinnen hatte sie sich in einem Portal als 20-jährige Asiatin ausgegeben, die zum Sex bereit sei. Aber dieser Spaß pubertierender Mädchen wurde missverstanden. Einer der Freier verfolgte Lisa M., lauerte ihr an der Schule auf und missbrauchte sie. Seither mied sie die Nähe zu Männern. Das wusste auch der verliebte Ramir T., den sie immer wieder zurückgewiesen hatte.

„Lisa M. ist keine Schauspielerin“, hieß es im Urteil. Im Gegenteil: Sie habe ein wahres Geschehen geschildert. Allein die Verletzungen der 14-Jährigen durch den Kampf mit Ramir T. seien objektiver Beweis genug. Auch hatte nicht sie die Polizei in der Tatnacht alarmiert, sondern eine Freundin, der sie die Geschichte „völlig aufgelöst, zitternd und bleich“ erzählt hatte. Die Folgen für das Mädchen: Angstzustände, Selbstvorwürfe, Schulversagen. Vor dem Prozess war sie im Oktober vier Wochen in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. „Ein ganz typisches Indiz für ein Vergewaltigungsopfer“, so Schmitz-Justen: Es mache sich hässlich, zeige nicht, dass es ein Mädchen ist. So auch Lisa M., die sich ihre langen Haare kurzgeschoren hat und eine schwarze Wollmütze tief im Gesicht trägt.

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