Aktion für Flüchtlinge in Sankt Augustin Karnevalskostüme mit Tüll und Glitzer

SANKT AUGUSTIN · Hangelarer Frauen nähen immer freitags in der Nähwerkstatt zusammen mit Flüchtlingsfrauen.

 Sieg ar Augustin Hangelar Altenstube nähen mitFlüchtlingen

Sieg ar Augustin Hangelar Altenstube nähen mitFlüchtlingen

Foto: Holger Arndt

Die zusammengeschobenen Tische mit den sieben Nähmaschinen sind übersät mit bunten Stoffen, Garnen und Bändern. Es wird gelacht, debattiert und mit den Nähmaschinen hantiert, denn so wie jeden Freitagnachmittag treffen sich vier oder mehr Frauen aus der nahe gelegenen Hangelarer Flüchtlingsunterkunft zum gemeinsamen Nähen in der Altenstube im Hangelarer Gemeindehaus der Katholischen Kirchengemeinde. Betreut wird die Nähwerkstatt von Rebecca Fenninger, Julia Rohlfs und Heidi Bergmann.

Die Frauen kannten sich vorher nicht und haben über das Nähen und ihr Engagement für Flüchtlinge in Hangelar zueinander gefunden. „Inzwischen treffen wir uns auch privat mit den Familien“, meint Bergmann. Wichtige Koordinatoren dabei waren der Vorsitzende des TV Hangelar, Otto Deibler, und die einstige Ortsvorsteherin Marika Roitzheim. Hinzu kam Pfarrer Peter Emontzpohl, der die Räume für das Flüchtlingsprojekt, das im August 2015 startete, zur Verfügung stellte. „Es ist für die Frauen eine hervorragende Möglichkeit, der Langeweile der Unterkunft, in der sie zum Nichtstun verdammt sind, zu entfliehen“, sagt Bergmann.

Deshalb belädt sie jeden Freitag ihr Auto bis unters Dach mit den Zutaten, aus denen dann zum Beispiel Karnevalskostüme für die Kinder entstehen. Angefangen hatte alles mit Kissenbezügen, um zunächst die Nähmaschinen besser kennenzulernen. „So ein Kuschelkissen kann man auch immer dann gut gebrauchen, wenn man traurig ist“, meint Bergmann. Manche haben sich deshalb auch gleich mehrere Kissenhüllen genäht, in die sie dann die Kissenfüllung, die für jeweils 99 Cent angeschafft wurde, einsteckten. Es wurden Stofftaschen gefertigt und die Sternsingerumhänge, Tücher genäht und jetzt eben Karnevalskostüme. Die meisten Frauen konnten erst wenig oder gar nichts mit den Bräuchen an Karneval anfangen. „Wir haben aus der Bücherei zunächst ein Karnevalsbuch entliehen und dann Kostüme begutachtet“, berichtet Bergmann. Die Flüchtlingskinder werden garantiert mit ihren bunten selbstgenähten Kostümen am Straßenrand stehen und Kamelle sammeln, wenn der Hangelarer Zoch kommt.

Die Töchter der Albanerin Ida werden als Prinzessinnen ausstaffiert. Weiße Stoffe mit Tüll und Glitzereinlagen sollen die Mädchenträume von Hortensia (10) und Ikeliana (5) wenigstens an diesem einen Tag wahr werden lassen. Vor dem Engagement hatte sich Julia Rohlfs das alles viel schwerer vorgestellt. „Ich hatte Angst, dass es sehr schwierig wird mit der Verständigung, aber das geht viel besser als gedacht“, meint die Patentanwältin. Nähen könne man auch ohne Worte, und die Verständigung habe mit Händen und Füßen funktioniert. Die Frauen bekamen Listen mit Bildchen und den entsprechenden Wörtern und inzwischen können viele von ihnen bereits gut Deutsch sprechen. Dazu zählt auch Zuhal Sediqi (23). Sie kam im Oktober 2014 nach Hangelar. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und ihren Töchtern, von denen der vier Monate alte Säugling in Sankt Augustin geboren wurde, in der Pauluskirchstraße, und die Familie hofft nun auf eine dauerhafte Bleibe an der Ankerstraße. Ihre Patin ist Marika Roitzheim, und die spricht von einem erneuten Dasein als Oma, das sie bereichere. „Ich kann da nicht wegbleiben“, sagt Roitzheim, schnappt sich die jüngste Tochter der Familie samt Kinderwagen und geht mit ihr spazieren, um der Mutter den Rücken frei zu halten.

„Die Frauen sind sehr offen für alles“, berichten Bergman und Rohlfs. So habe eine tief verschleierte Frau sich nach kurzer Zeit die Haare abgeschnitten sowie Schwimmen und Radfahren gelernt. Die Väter seien zum Teil dazu bereit, in der Abwesenheit ihrer Frauen die Kinder zu betreuen. „Sie sehen zum einen die Notwendigkeit und erkennen zu anderen, dass das in Deutschland Normalität ist“, meint Bergmann. Auch die Helferinnen profitieren von dem, was sie tun, sind sich die beiden Frauen einig. „Sonst hätten wir sehr viele nette Menschen direkt in unserer Nachbarschaft vielleicht nie kennengelernt“, meinen sie.

Stoffreste, schöne Bettwäsche und andere schmückende Dinge werden in der Nähwerkstatt immer gebraucht. Auch alle, die nähen können und mithelfen möchten, sind im Team willkommen. Melden können sich Interessenten und Spender per E-Mail an naehwerkstatt.hangelar@gmail.com.

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