Kritik an Freihandelsabkommen TTIP Eingriff in die Selbstbestimmung

BONN · DGB-Chef Ingo Degenhardt: Geplantes Freihandelsabkommen TTIP wirkt in die Kommunen hinein. Der Stadtrat trägt mit Mehrheit den Antrag des Bonner Bündnisses gegen TTIP

"Die Abkommen hebeln die kommunalen Gestaltungsspielräume aus" DGB-Vorsitzender Ingo Degenhardt

"Die Abkommen hebeln die kommunalen Gestaltungsspielräume aus" DGB-Vorsitzender Ingo Degenhardt

Foto: Barbara Frommann

Kiwis aus Neuseeland, Bananen aus Mittelamerika, Handys aus Südkorea: Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass in Geschäften jederzeit alles zu haben ist. Schon bald sollen weitere Handelsbarrieren fallen. Seit Jahren feilen die EU und die USA an einem Freihandelsabkommen. Doch TTIP (siehe Info) ist weit mehr als Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Gentechnik.

"Das ist ein massiver Eingriff in die Selbstbestimmung der Kommunen, die auch Bonner zu spüren bekommen werden. TTIP und Ceta gehen uns alle an", sagt Ingo Degenhardt, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Bonn/Rhein-Sieg.

Beide Abkommen bedrohten laut Degenhardt die Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit und "hebeln die kommunalen Gestaltungsspielräume aus". Gleiches befürchten in entsprechenden Positionspapieren auch der Deutsche Städte- und Landkreistag sowie Unternehmen und Verbände der öffentlichen Wirtschaft.

Unterstützt wird der DGB-Kreis-verband von der Stadt Bonn. Der Stadtrat trägt mit Mehrheit den Antrag des Bonner Bündnisses gegen TTIP. "Inhaltlich werden die grundsätzlichen Bemühungen zur Erreichung von Freihandelsabkommen unterstützt, solange dabei die Grundsätze der Transparenz und Beteiligung, die Unabhängigkeit deutscher und europäischer Gerichte und der kommunalen Daseinsvorsorge eingehalten werden und solange dadurch weder deutsche noch europäische Sozial-, Gesundheits-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards unterlaufen werden", heißt es in dem entsprechenden Beschluss.

"Damit ist auch die ablehnende Haltung der Bundesstadt Bonn zu den Freihandelsabkommen dokumentiert", sagt Degenhardt. Er befürchtet, dass mit dem Abkommen nicht nur Arbeitnehmerrechte in allen Bereichen massiv unterlaufen werden. "Nach dem Motto 'Privat vor Staat' würden wir keinen Einfluss mehr auf die kommunalen Dienstleistungen haben."

Jeder muss mit höheren Gebühren rechnen

Das Abkommen zwinge Kommunen, Bereiche der Daseinsvorsorge künftig aus der Hand zu geben und nicht nur europaweit, sondern transatlantisch auszuschreiben.

Als Beispiele nennt der DGB-Chef den Sektor Wasser, Müll, Abwasser und Energie: "Wenn wir das aus der Hand geben, dann haben wir auch kein Mitspracherecht mehr." Würden diese Aufgaben von einem privaten Unternehmen übernommen, hätten weder Stadt noch Politik Einfluss auf Leistungen, Ausrichtung und Preisgestaltung. "Das wäre das Ende von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Jeder von uns müsste dann mit höheren Gebühren rechnen", sagt Degenhardt. Aber auch Kunst und Bildung seien betroffen.

Besonders misstrauisch ist Degenhardt auch deshalb, weil die Verhandlungen bisher nur hinter verschlossener Tür geführt werden. "Aber das, was bisher bekannt und veröffentlicht wurde, lässt bei uns die Alarmglocken schrillen. Besonders kritisch sehen wir die beabsichtigten Regelungen zum Investitionsschutz."

Damit könnten ganz legal Standards zum Umwelt- oder Verbraucherschutz unterlaufen werden. Für Degenhardt ist es höchste Zeit, den Protest gegen die Abkommen auch auf die Straße zu bringen. Unter dem Motto "Stop TTIP & Ceta" ist für den 10. Oktober in Berlin eine bundesweite Demonstration geplant. "Da werden wir auch mit einer großen Delegation aus Bonn und der Region dabei sein."

Im vergangenen Oktober hat der DGB-Kreisverband eine Resolution unter der Überschrift "Kommunalpolitischen Gestaltungsspielraum erhalten und öffentliche Daseinsvorsorge sichern" verabschiedet und an den Oberbürgermeister sowie die Stadtratsfraktionen appelliert, das Thema aufzugreifen. "Unsere Resolution und unser Appell sind zehn Monate alt, aber das Ergebnis zählt. Der Rat hat die richtige Entscheidung getroffen", so Degenhardt.

Dafür stehen die Abkürzungen TTIP, Ceta, TisaTTIP steht für Transatlantic Tradeand Investment Partnership, ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der EU und den USA. Ziel des Vertrages ist der Abbau von Handelshemmnissen. Dadurch sollen Wachstum gefördert und Kosten für Unternehmen in der EU und den Vereinigten Staaten gesenkt werden. Umstritten ist, wie groß die wirtschaftlichen Auswirkungen sein werden und inwieweit Arbeitnehmer vom vorhergesagten Wachstum profitieren. Kritiker führen an, dass gesetzliche Standards in Umwelt-, Verbraucherschutz, Gesundheit, Arbeit und Sozialem als Handelshemmnisse eingestuft würden.Das Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz Ceta, ist ein geplantes europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen. Tisa steht als Abkürzung für Trade in Services Agreement und ist eine Vereinbarung zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. An den unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlungen sind mehr als 20 Parteien beteiligt, darunter die USA und die EU.

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