Bericht zum Ausbruch aus der JVA Rheinbach vorgelegt Ausbrecher hatte keine Helfer

RHEINBACH · Der am 28. April aus der JVA Rheinbach geflüchtete Detlef W., der eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes verbüßte und zwei Tage später in Köln gefasst wurde, hatte offenbar keine Helfer. Seine Flucht in einer Gitterbox für Holzabfälle wurde durch Unachtsamkeit begünstigt. Zu diesem Schluss kommt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty in seinem Bericht an den Rechtsausschuss des Landtages.

In diesem Bericht, der auf Ermittlungen der Anstaltsleitung, der Polizei und der Bonner Staatsanwaltschaft beruht, schildert er Details der Flucht. Der 43-jährige W. arbeitete am Tag seiner Flucht in der Schreinerei. Die Gefangenen füllen die Holzabfälle in Gitterboxen, die grundsätzlich einsehbar sind. Teilweise werden die Seiten jedoch mit Spanplatten ausgekleidet, damit kleinere Abfälle nicht herausfallen können.

Am 28. April gegen 9.30 Uhr wurden fünf gefüllte Gitterboxen, die zuvor von zwei Gefangenen auf die Rampe gestellt worden waren, vom Schreinereibediensteten mit einem Gabelstapler auf den Traktor-Anhänger gehoben. In einer hatte sich W. versteckt. Da es sich um ein anstaltseigenes Fahrzeug und beim Fahrer um einen Bediensteten der JVA handelte, wurde die Kontrolle des Hängers an der Außenpforte nicht durch die Pfortenbediensteten, sondern vom Traktorfahrer durchgeführt. Er stieg auf den Anhänger, um ausschließen zu können, dass ein Gefangener auf dem Weg aufgesprungen war. Auf der Ladefläche konnte er die Gitterboxen von oben sehen. Danach kontrollierte er den Bereich unter dem Anhänger. Der Herzschlagdetektor kam nicht zum Einsatz, da dieser nur für anstaltsfremde Fahrzeuge genutzt wurde.

Gegen 9.45 Uhr verließ der Traktorfahrer die Anstalt und fuhr zu dem etwa zwei Kilometer entfernten holzverarbeitenden Betrieb, der die Abfälle verheizt. Der Fahrer erreichte den Betrieb nach zehn Minuten. Unterdessen fiel dem in der Halle zuständigen Bediensteten das Fehlen des Gefangenen W. auf. Vom Arbeitsablauf her ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Gefangener die Toilette aufsucht, Material holt oder Aufträge in einem anderen Bereich der Schreinerei bespricht. Das Fehlen gab daher zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anlass zur Besorgnis.

Gegen 11 Uhr begann die Suche nach dem Gefangenen in den Hallen, den Nebenräumen und im Lager der Schreinerei, ohne dass er gefunden werden konnte. Der Traktorfahrer war mittlerweile wieder in der Anstalt eingetroffen. Beim Abladen der Gitterboxen hatte er bemerkt, dass eine Box nur halb gefüllt war. Diesem Umstand hatte er aber zunächst keine Bedeutung beigemessen. Die Polizei wurde gegen 11.40 Uhr unterrichtet, die Fahndung begann. "Es ist davon auszugehen, dass der Gefangene sich in der Gitterbox neben seinem Arbeitsplatz versteckt hat, die dann aus der Anstalt transportiert wurde", schreibt der Minister. Ob er dabei Hilfe von anderen Personen erhielt, sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft. "Wir haben keine Hinweise auf fremde Hilfe, der Anfangsverdacht hat sich nicht erhärtet", sagte Staatsanwältin Monika Volkhausen dazu gestern.

Laut Bericht des Ministers konnte die Flucht gelingen, weil in der Schreinerei vor Abfahrt des Traktors zwar die Rückkehr der am Ladevorgang beteiligten Gefangenen, nicht jedoch die Vollzähligkeit der Gefangenen insgesamt überprüft worden sei, wie es das Sicherheitskonzept vorsehe. Hinzu komme der unterbliebene Einsatz des Herzschlagdetektors bei der Überprüfung von justizeigenen Fahrzeugen.

Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck hat inzwischen Maßnahmen getroffen: genereller Einsatz des Herzschlagdetektors, 24-stündige Zwischenlagerung der Gitterboxen, Reduzierung von Gefangenenbewegungen außerhalb des Betriebs, ausnahmslose Vollzähligkeitsprüfung, ausnahmslose Kontrolle ausfahrender Fahrzeuge durch Pfortenbedienstete und die Beschaffung eines Häckslers für Holzabfälle.

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