Sammler in Gratzfeld zeigt seine Schätze Zeitreise in die Welt der Urgroßeltern

GRATZFELD · Karl-Heinz Bluhm lädt zum Tag der offenen Tür in der Sammlerscheune ein. Auf mehr als 500 Quadratmetern hat er komplette alte Werkstätten und Ladeneinrichtungen zusammengetragen.

 Sammler Karl-Heinz Bluhm an einer mehr als 100 Jahre alten Bohrmaschine.

Sammler Karl-Heinz Bluhm an einer mehr als 100 Jahre alten Bohrmaschine.

Foto: Oschmann

Mit einer Dauerwelle wird's wohl nichts. Aber wenn am Sonntag Karl-Heinz Bluhm in seiner Oberhauer Sammlerscheune zum Tag der offenen Tür bittet, kann auch der Salon besichtigt werden, in dem es von der Trockenhaube über Brennschere, Kämme und Rasiermesser alles gibt, was der Figaro früher benötigte. Selbst die Illustrierte vom November 1963 mit dem Bericht über den Mord an John F. Kennedy liegt der „Kundin“ auf dem Schoß – eben wie beim echten Friseur.

Der Mann mit dem Sammlergen verwahrt einfach alles, was ihm in die Finger gerät. „Ich kann nichts wegwerfen. Schon immer.“ So mietete Bluhm vor 25 Jahren ein altes bäuerliches Anwesen in Gratzfeld, in dem er, nach Themen geordnet, seine Schätze unterbringt und dem Besucher eine Zeitreise durch die vergangenen 200 Jahre ermöglicht.

Zu jedem Teil hat der Königswinterer eine Geschichte auf Lager. Er kommt ins Schwärmen beim Erzählen. Zum Beispiel beim Anblick der 20 alten Motorräder, darunter sein erstes Krad, Baujahr 1953, eine BMW R 25/2 mit zwölf PS. Aber auch eine Schaufensterpuppe steht in voller Montur als Schutzmann inmitten der „Motorradabteilung“. Bluhm ist Mitglied der Veteranenfreunde Siebengebirge, die an diesem Sonntag mit ihren historischen Zweirädern anrollen – also noch mehr PS für die Fans.

Dazu passt das Ölkabinett, das Karl-Heinz Bluhm von der einstigen Eudenbacher Tankstelle hat. Überhaupt, unter all den Raritäten sind etliche Stücke mit direktem Bezug zur heimischen Wirtschaft zu entdecken. Von Kurzwaren Balensiefen aus Oberpleis hat er bei Geschäftsaufgabe Restbestände vom Stopfgarn bis zur Schere erhalten. Von Sattler Balensiefen aus Eudenbach stammt der Meisterbrief von 1937, eine große Büchse „Jedo-Caffee“ von Jean Dohle, der 1927 in Quirrenbach mit einem Lädchen den Grundstein für ein großes Handelsunternehmen legte. „Wein- und Spirituosengroßhandel Quirrenbach“ steht an einer alten Flasche.

Das Etikett einer anderen Bouteille verweist auf die Drogerie Bussen in Oberpleis. Die Utensilien der Korbflechterei, die zwei blinde Brüder in Hasenboseroth betrieben, sind ebenso wie die Brotteigknetmaschine der Bäckerei Schmitz aus Westerhausen in die Scheune gelangt. Vom alten Postamt Oberpleis hat Bluhm nicht nur den Stempel, sondern auch Fahrrad und Tasche des Briefträgers.

Viele Ausstellungsstücke aus der Landwirtschaft

Ein buntes Sammelsurium, das den Betrachter in die Welt der Groß- und Urgroßeltern versetzt. Als noch jeder ein Schwein im Stall hatte, wurde der Hausschlachter bestellt, dessen Gerätschaften ebenso zur „Einrichtung“ gehören wie eine Schusterwerkstatt mit Nähmaschinen und Leisten und allem drum und dran. Eine komplette Schreinerei, eine Sattlerei und eine Schneiderei tun sich dem Besucher auf.

Der Landwirtschaft ist ein bedeutender Anteil auf dem mehr als 500 Quadratmeter großen Museumsgelände gewidmet. Eine Hausmolkerei hat Gerätschaften wie die Zentrifuge für die Sahnegewinnung oder das Butterfässchen an Bord. Eine Imkerei steht parat, ebenso eine Feldschmiede. Taubenuhren, Eierwaage, Spinnrad, Flachsrad, Ochsenjoch oder Utensilien für den Wein- und den Tabakanbau ergänzen die Schau. Unglaublich viele Landmaschinen sind aufgebaut.

Der Haushalt ist ein Kapitel für sich. Eine „Ahnengalerie“ der Bügeleisen lässt die Mühen der Hausfrau von einst nachvollziehen, als das Eisen noch mit glühenden Kohlen gefüllt wurde oder auf einer heißen Ofenplatte auf den glättenden Auftritt vorbereitet wurde. Bügeleisen mit Spiritus-„Antrieb“ sind zu sehen oder der Krawattenbügler und die Nylonstrumpfreparaturmaschine.

Die Waschküche erinnert ebenfalls an die Strapazen der Frauen früher. Herd, Töpfe, Kaffeemühlen und -kannen samt Tropfenfänger, Bett mit Nachtgeschirr und Wärmflasche: Es ist einfach unglaublich, was der 76-Jährige zusammengetragen hat, auch Radios, Fotoapparate und Bürozubehör. 2003, als der Jäger und Sammler seine Scheune für alle öffnete, erhielt er den Umweltpreis der FDP Königswinter. Einen Traum hat Karl-Heinz Bluhm noch: ein altes Bauernhaus mit seinen Raritäten auszustatten.

Messerschleifer, Sensendengler und Blechkuchen

Der Tag der offenen Tür in der Sammlerscheune in Gratzfeld, Schwirzpohler Straße 11, findet am Sonntag, 29. Mai, ab 11 Uhr statt. Die Besucher können eine junge Garnspinnerin, einen Messerschleifer und einen Sensendengler bei der Arbeit beobachten. Ein Fahrradsammler fährt auf dem Hochrad. Es gibt Waffeln vom alten Eisen, Blechkuchen, Siedewürstchen. Musik und Planwagenfahrt vervollständigen das Programm. Besichtigungen sind auch nach Vereinbarung möglich: 01 74/9 53 62 14.

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