Thementage "Letztes Geleit" in Oberpleis Vom Klappsarg bis zum Leichenbitter

OBERPLEIS · Bestattungskulturen damals und heute, in Deutschland und der ganzen Welt sind Thema der Ausstellung „Radieschen von unten – Am Ende ist nicht Schluss“, die noch bis zum 20. November in Oberpleis zu sehen ist.

 Kulturwissenschaftlerin Hedwig Nosbers (l.) führte bei der Vernissage in die Ausstellung ein.

Kulturwissenschaftlerin Hedwig Nosbers (l.) führte bei der Vernissage in die Ausstellung ein.

Foto: Roswitha Oschmann

Auch Wolfgang Amadeus Mozart wurde vermutlich in einem Klappsarg zu Grabe getragen. „Ein aufklappbarer Boden ermöglichte es, den Leichnam ins Grab gleiten zu lassen. Dieser wiederverwendbare Sarg fand sich seit dem Spätmittelalter im Besitz vieler Kirchengemeinden. Er wurde für Familien verwendet, die sich keinen eigenen Sarg leisten konnten“, erläuterte Kulturwissenschaftlerin Hedwig Nosbers.

Bei der Vernissage zur Ausstellung „Radieschen von unten – Am Ende ist nicht Schluss“ im Oberpleiser Propst-Gerhard-Saal erfuhren die Besucher viele interessante Details zu Bestattungskulturen über die Jahrhunderte hinweg. Und auch Abbildungen eines solchen Klappsargs bis hin zum heute üblichen Sarg, den ein Bestattungsunternehmen im Original zur Verfügung gestellt hatte, sind in dieser umfangreichen Präsentation zu entdecken, die das Thema aus seinem Tabubereich herausholt.

Mozart wurde im Dezember 1791 in einem allgemeinen einfachen Grab in Wien bestattet, seine Grabstelle aber nicht gekennzeichnet. So gab es immer wieder Spekulationen über die Echtheit des Schädels, den die Internationale Stiftung Mozarteum aufbewahrt. Nosbers: „Ursprünglich wurden die Toten in Leichentücher eingenäht und ohne Sarg beerdigt. Körbe und Särge dienten nur dem Transport.“

Vorläufer aus dem Vorderen Orient

Vorläufer des Sargs entstanden vor mindestens 9.000 Jahren im Vorderen Orient. „Bis weit ins 18. Jahrhundert war es hierzulande verbreitet, Tote aus Kostengründen auf Totenbrettern aufzubahren und mit ihnen zu Grabe zu tragen: die Urform des Sargs. In Bayern entwickelte sich daraus der Brauch, diese Bretter, mit einer Widmung versehen, am Wegesrand zum Gedenken an den Verstorbenen aufzustellen“, erläuterte Nosbers, die die Ausstellung gemeinsam mit Kunsthistorikerin Anke Oedekoven gestaltete.

Erd- oder Feuerbestattung? Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 erlaubt die katholische Kirche auch das Verbrennen; der Aussegnung des Sarges folgt die Kremation. Neben dem Urnengrab gibt es auch anonyme Bestattungsflächen oder Aschestreuwiesen. Kolumbarien entstehen auch auf deutschen Friedhöfen. Und die Urne selbst? Die kann mittlerweile zum Beispiel für Fußballfans die Form eines Balls haben. Nichts für zarte Gemüter sind die Himmelsbestattungen in Tibet, wo man die Toten den Geiern überlässt. „Was barbarisch anmutet, hat religiöse Wurzeln“. so Nosbers. „So glaubt man, dass die Geier dem Körper auf dem Weg ins Jenseits zur Reinkarnation verhelfen.“

In der Ausstellung ist auch die Uhrenkette eines Witwers zu sehen – aus den Haaren seiner verstorbenen Frau geflochten. „Solche Erinnerungsstücke waren im Biedermeier weit verbreitet.“ Auch ein filigranes Haarbild ist zu sehen. Die schwarze Schleife stammt womöglich vom Brautkleid der Toten. Und überhaupt – wie ist die Leiche gekleidet? Die Ausstellung zeigt neben einem heute üblichen Totenhemd ein historisches Leichenhemd aus der Zeit um 1825.

„Der Leichenbitter ging rund.“

Nosbers: „In evangelischen Familien bestand die Tradition, dass die Paten den Jugendlichen zur Konfirmation ein Leichenhemd schenkten. Im schwarzen Anzug oder Kostüm beerdigt zu werden, ist keine alte Tradition. Früher wurden die Frauen oft im Brautkleid beigesetzt.“

Wer überbrachte die Todesnachricht, als es noch keine Handys gab? „Der Leichenbitter ging rund.“ Der Tod und berühmte Persönlichkeiten ist ein Thema. Aber auch eine unbekannte Frau, die um 1900 in Paris aus der Seine geborgen wurde, hat es zu Ruhm gebracht. Ein Mitarbeiter der Pariser Leichenschauhalle ließ, angetan von ihrer Schönheit, eine Totenmaske anfertigen.

Als Unbekannte aus der Seine trat sie literarisch mehrfach in Erscheinung. Aber da gibt es auch eine Vitrine zum Ersten Weltkrieg. Denn: „Die Soldaten haben den flapsigen Ausdruck 'Die Radieschen von unten sehen' geprägt.“ Damit war der Titel zur Ausstellung gefunden.

Die Ausstellung im Propst-Gerhard-Saal in Oberpleis, Siegburger Straße 10, ist bis zum 20. November zu sehen – und zwar dienstags von 16 bis 18 Uhr, mittwochs von 9.30 bis 11 Uhr, samstags von 16 bis 19 Uhr und sonntags von 10.30 bis 12 sowie von 15 bis 17 Uhr.

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