Angebote für Familien in Königswinter Vier Hebammen kündigen wegen schlechter Bezahlung

SIEBENGEBIRGE · Die vier Hebammen, die für die Stadt Königswinter Eltern nach der Geburt eines Kindes begleiten, haben gekündigt. Das gefährdet den Fortbestand des Angebots. Bad Honnef ist von dieser Entwicklung nicht betroffen.

 Unterstützung in der ersten Zeit nach der Geburt eines Kindes bieten die Frühen Hilfen an. In Königswinter fehlt nun dafür das Personal.

Unterstützung in der ersten Zeit nach der Geburt eines Kindes bieten die Frühen Hilfen an. In Königswinter fehlt nun dafür das Personal.

Foto: picture alliance / dpa

Die Fortführung der sogenannten Frühen Hilfen für Familien – Baby-Willkommensbesuch und Begleitung durch eine Familienhebamme im ersten Lebensjahr des Kindes – ist in Königswinter akut gefährdet.

Die drei freiberuflichen Besuchshebammen haben ihren Kooperationsvertrag auf Honorarbasis mit der Stadt zum 1. Februar 2019 gekündigt. Auch die ebenfalls auf Honorarbasis beschäftigte Familienhebamme hat die Vereinbarung mit der Stadt beendet – und das bereits zum 31. Dezember dieses Jahres.

Bad Honnef ist von dieser Entwicklung nicht betroffen. Dort werden die niederschwelligen Angebote und Frühen Hilfen in Kooperation mit Trägern wie dem Sozialdienst katholischer Frauen, dem „Sommerberg“ der Arbeiterwohlfahrt und anderen durchgeführt (siehe Kasten).

Mit der Nachricht zu den Frühen Hilfen in Königswinter überraschte die Verwaltung den Jugendhilfeausschuss. Über die Gründe konnte sie nur so viel sagen: Die Familienhebamme habe gekündigt, weil sie von einer anderen Kommune eine Festanstellung mit Arbeitsvertrag bekommen habe.

Hebammenberuf ist finanziell nicht attraktiv

In allen Eigenkündigungsfällen soll die Stadt nach Informationen des General-Anzeigers die finanziellen Forderungen nicht erfüllt haben. Wegen der hohen Haftpflichtversicherungsbeiträge und der vergleichsweise bescheidenen Bezahlung bei hoher Verantwortung wird das Berufsbild der Hebamme immer unattraktiver.

„Es ist sehr schwierig, neue Hebammen zu finden“, sagte Ute Berledt-Dörr, Koordinatorin für die Frühen Hilfen bei der Stadt Königswinter, im Ausschuss. Das Gremium beschloss daraufhin, im Stellenplan 2019 vorsorglich eine Stelle für eine Familienhebamme im Tätigkeitsbereich Frühe Hilfen mit Sperrvermerk einzurichten.

Die Stadt will nun versuchen, durch eine intensive Akquise für beide Projekte neue Fachkräfte zu finden, um sowohl den Willkommensbesuch als auch den Einsatz der Familienhebamme wie bisher fortzusetzen. Das könnte auch durch eine Kinderkrankenschwester geschehen. Die Verwaltung bezeichnet beide Angebote als wichtige Bausteine für die Frühen Hilfen.

Frühe Hilfen sind im Kinderschutzgesetz verankert

Diese sind seit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 gesetzlich verankert. In Königswinter war man besonders sensibilisiert, nachdem zwei Jahre zuvor die neunjährige Anna von ihren Pflegeeltern ermordet worden war. Zuständig war das Königswinterer Jugendamt, das die Verhältnisse in der Pflegefamilie zu spät erkannt hatte.

„Es ist nun eine Pflichtaufgabe, sich im Bereich der Frühen Hilfen zu engagieren. Am Ende des Tages sparen die Kommunen dadurch in anderen Budgets Geld“, sagte Dezernentin Heike Jüngling im Ausschuss. Die Frühen Hilfen seien ein Erfolgsmodell.

Der im Oktober 2013 eingeführte Baby-Willkommensbesuch wird laut Berledt-Dörr sehr gut angenommen. 2017 waren es 244 Besuche, was einer Quote von 78 Prozent entspricht. Das Angebot wurde zudem auf zugezogene Eltern mit unter einjährigen Kindern erweitert. Auch hier lag die Quote mit 19 Besuchen bei 79 Prozent. „Manche Eltern wollen sogar einen zweiten Besuch“, so Berledt-Dörr.

Für die Familienhebamme, die Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf bis zum ersten Geburtstag des Kindes begleitet, seien in den ersten neun Monaten 2018 neun Anfragen eingegangen. Sechs Begleitungen über zwei bis vier Monate seien erfolgt oder dauerten an. Im Jahr 2017 war die Familienhebamme in zwei Fällen sogar jeweils acht Monate lang im Einsatz.

Besonders Migranten besuchen das Eltern-Kind-Café

Über diese Angebote hinaus gibt es seit April 2016 das Eltern-Kind-Café freitags in der Altstadt. Die wöchentliche Besucherzahl stieg seit dem vergangenen Jahr von durchschnittlich 17 auf 26 Personen – bei einem hohen Migrantenanteil. Bis Ende September dieses Jahres wurden 788 Besucher gezählt, darunter 375 Kinder. „Es ist schön anzusehen, wie die Hilfe zur Selbsthilfe dort funktioniert“, sagte Berledt-Dörr. Das Café in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde stoße aber an seine Kapazitätsgrenzen.

Auch die ehrenamtliche Familienbegleitung durch die seit Jahresbeginn laufende Kooperation mit dem Sozialdienst katholischer Frauen Bonn/Rhein-Sieg-Kreis (SkF) mit dem Projekt „Aufwind“ lasse sich gut an. Fünf Ehrenamtliche wurden bereits qualifiziert, zwei weitere werden geschult.

Ein Erfolgsmodell seien die Frühen Hilfen auch in Bad Honnef, so Marion Kramer, bei der im städtischen Rathaus die Fäden für dieses Angebot zusammenlaufen. Pro Jahr würden im Schnitt etwa 2200 Kontakte verzeichnet. Eine feste Bank sei auch das Netzwerk Frühe Hilfen im Siebengebirge.

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