Rhein-Sieg-Kreis Wie Bahnhöfe nach dem Verkauf genutzt werden

Rhein-Sieg-Kreis · Von Konditorei bis Standesamt: Die Deutsche Bahn hat bereits elf Bahnhöfe im Rhein-Sieg-Kreis verkauft, an denen immer noch Züge halten. Ein Blick auf die Hintergründe solcher Verkäufe und die vielfältige anschließende Nutzung.

 Der Meckenheimer Bahnhof mit dem neuen Glaspavillon, dem Anbau links neben dem Altbau.

Der Meckenheimer Bahnhof mit dem neuen Glaspavillon, dem Anbau links neben dem Altbau.

Foto: Vogel

Vor der Abfahrt des Zuges durch den Bahnhof schlendern, beim Bäcker noch ein Brötchen holen, im Zeitschriftenladen Lesestoff besorgen und dann zum Bahnsteig gehen. Was wie ein ganz normaler Zeitvertreib vor der Zugfahrt klingt, ist in einigen Bahnhöfen in der Form nicht mehr möglich. Viele Gebäude werden mittlerweile anderweitig genutzt – als Gastronomiebetrieb, als Mobilstation oder gar als Standesamt.

Die Deutsche Bahn hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Bahnhöfe verkauft, an denen dennoch weiterhin Züge halten. So auch im Rhein-Sieg-Kreis. Seit 1999 hat die Deutsche Bahn die Bahnhöfe in Bad Honnef, Hennef, Herchen, Königswinter, Meckenheim, Rheinbach, Rhöndorf, Bornheim-Roisdorf, Bornheim-Sechtem, Troisdorf und Alfter-Witterschlick veräußert, teilt die Bahn auf Anfrage mit. Darüber hinaus werde derzeit der Verkauf von zwei Gebäuden im Kreis geprüft. Welcher weitere Bahnhof neben dem in Niederdollendorf das ist, wollte die Bahn nicht sagen.

Nutzung spielt bei Verkauf eine Rolle

„Der Verkauf erfolgt grundsätzlich nach klaren Standort-, Nutzungs- und objektspezifischen Kriterien“, sagt eine Bahnsprecherin. Stehen Mietflächen länger leer und können daher nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden und sind die Gebäude aus heutiger Sicht zu groß, werden sie veräußert.

Zunächst werde die jeweilige Kommune nach einem Kaufinteresse gefragt. Bestehe das nicht, erfolgten ein öffentliches Angebotsverfahren und der Verkauf an Dritte, heißt es von der Bahn. Bei einem Kaufinteresse spielt auch eine Rolle, wie das Gebäude künftig genutzt werden soll. Die Nutzung muss „dem Zielbild unserer Bahnhöfe als Mobilitätsdrehscheibe“ entsprechen, teilt die Bahn mit. Konkret heißt dies, dass Bahnhofsgebäude nach ihrem Kauf beispielsweise als Wohnungen, Veranstaltungsräume, Gastronomiebetriebe, Künstlerateliers oder auch als kommunale Einrichtungen wie Kindergärten, Rathäuser oder Bibliotheken genutzt werden können. Einige Beispiele aus dem Kreisgebiet:

Konditorei im Königswinterer Bahnhof

Königswinter: Der Duft von frischem Kaffee durchdringt den Raum, an der Theke stehen verschiedene Kuchen und Torten zur Auswahl. Mitte Juni hat im Königswinterer Bahnhofsgebäude Sarah's Konditorei und Café eröffnet. „Es ist sehr gut angelaufen“, sagt Aileen Schell, die gemeinsam mit ihrer Schwester Sarah und Mutter Hedwig die Konditorei betreibt. „Wir sind überrascht, dass wir so viele Gäste haben.“ Probleme mache jedoch die etwas enge Personalsituation, vor allem am Wochenende. „Es ist gar nicht so leicht, geschultes Personal zu finden“, sagt Schell.

Gänzlich zufrieden ist die Familie hingegen mit dem Standort. „Der Bahnhof hat seinen ganz eigenen Charme, vor allem dank des großen denkmalgeschützten Bleiglasfensters an der Front. Zudem haben wir viel Platz, um etwas daraus zu machen. Das gilt nicht nur für den Lokalbereich, sondern auch für die Konditorei.“ Durch die Tatsache, dass das Gebäude so lange leer gestanden habe und jetzt etwas passiert sei, bekämen sie viel positives Feedback.

Oliver Schell, Vater von Aileen und Sarah, hatte den Bahnhof 2017 der LBB-Immobilien abgekauft. Das Hennefer Unternehmen hatte das Gebäude fünf Jahre zuvor von der Stadt Königswinter erworben, der der Bahnhof seit 2004 gehörte. Fast zwei Millionen Euro, inklusive Kaufpreis, hat die Familie Schell laut Oliver Schell in das Objekt gesteckt.

Mobilstation in Niederdollendorf?

Niederdollendorf: Kein Gastronomiebetrieb, sondern eine Mobilstation mit Park-and-ride-Anlage könnte am Niederdollendorfer Bahnhof entstehen. Die Stadt will den Bahnhof kaufen, der Stadtrat hatte beschlossen, dass die Verwaltung mit der Bahn über einen Verkauf verhandeln soll und darf. „Der Termin mit der Deutschen Bahn hat bisher noch nicht stattgefunden“, sagt Stadtsprecher Carsten Herrmann.

Sollte die Bahn der Stadt ein Verkaufsangebot vorlegen, müsse im Anschluss der Stadtrat den Kauf beschließen, erklärt er das Vorgehen. Zu einer möglichen Errichtung einer Mobilstation hält sich Herrmann bedeckt: „Das ist abhängig davon, ob es wirtschaftlich ist. Erst nach einem Kauf würde darüber entschieden.“

Busunternehmen im Honnefer Bahnhof

Bad Honnef: Bereits verkauft ist der Bahnhof von Bad Honnef. 2011 kaufte der Unternehmer Andreas Dietl das Bahnhofsgebäude, der dort ein Busunternehmen betreibt. Seit November 2012 gibt es auch einen Kiosk. „Der Kiosk hat sich sehr gut gemacht“, sagt Dietl. Auch sonst habe sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Verändert haben sich unter anderem die Außen-Optik und der Innenanstrich. Auch gebe es neue Bänke. In der Zukunft seien noch weitere Maßnahmen geplant. „Zur Straße hin soll die Fassade ein bisschen aufgefrischt werden“, kündigt er einen neuen Anstrich an.

Neuer Mittelpunkt in Meckenheims Altstadt

Meckenheim:2010 hatte die Stadt Meckenheim den Bahnhof von der Deutschen Bahn erworben. 2016 wiederum erstand ein Investor aus Rheinbach das Gebäude aus der Gründerzeit, das noch immer Haltepunkt der Voreifelbahn S 23 ist. Unter dem Projektnamen „Stellwerk“ will Jens Pfannkuch, Betreiber des Rheinbacher Waldhotels, mit einem Gastronomiebetrieb dort einen neuen Mittelpunkt in Meckenheims Altstadt schaffen und mit Steaks, Burgern und gutbürgerlicher Küche sowie Cocktails und Bier einen kommunikativen Treffpunkt für Jung und Alt schaffen.

Dass der Restaurantbetrieb in dem unter Denkmalschutz stehenden um 1880 erbauten Gebäude noch nicht eröffnet ist, hängt primär damit zusammen, dass sich der von der Bahn geplante Bau der Fußgängerunterführung am Bahnhof erheblich verzögert hatte. Eine Menge Arbeit steckt der künftige Betreiber in das „Stellwerk“: So ist beispielsweise ein Glaspavillon entstanden, der sich zur Stadtseite hin an das Backsteingebäude auf optisch ansprechende Art anfügt.

Die von der Bahn zugemauerten Bögen werden geöffnet und erhalten Rundbogenfenster nach altem Vorbild. Eine ganze Reihe von nicht tragenden Innenwänden sind entfernt worden. Wann die Signale am „Stellwerk“ am Meckenheimer Bahnhof auf Grün gestellt werden und der Gastronomiebetrieb beginnt, darauf wollte sich der Betreiber auf GA-Anfrage noch nicht festlegen.

Heiraten im Witterschlicker Bahnhof

Alfter-Witterschlick:Seit 2009 ist der Bahnhof an der Voreifelstrecke in Witterschlick ein beliebter Ort für Menschen, die den Bund fürs Leben eingehen möchten. Vor 15 Jahren hatte das Ehepaar Albert und Annette Söhngen den 1903 erbauten Bahnhof samt Güterhalle gekauft, seit zehn Jahren finden in der Halle Trauungen durch Standesbeamte der Gemeinde Alfter statt. Mehr als 300 waren es bislang. Alles hatte mit einem General-Anzeiger-Artikel vom 8. August 2008 begonnen. Darin ging es um besondere Orte zum Heiraten im Vorgebirge – „und Alfter hatte nur das Rathaus“, sagt Albert Söhngen. In einer E-Mail an Alfters damalige Bürgermeisterin Bärbel Steinkemper umriss das Ehepaar seine Idee, im Bahnhof eine Außenstelle des Standesamts einzurichten.

Kurze Zeit später bekamen Albert und Annette Söhngen Besuch von Mitarbeitern der Gemeinde, um das zu besprechen. Die erste Trauung fand am 17. Juli 2009 statt. Seitdem kommen Menschen aus ganz Deutschland, um sich im Witterschlicker Bahnhof das Jawort zu geben.

Wirtshaus im Hennefer Bahnhof

Hennef: Schon lange nicht mehr in Bahnbesitz ist der Bahnhof in Hennef. Ende 2005 kauften private Investoren das denkmalgeschützte Gebäude, das danach wieder in den historischen Originalzustand zurückversetzt wurde. Unter anderem wurden laut Stadt Hennef die beiden hohen Bogenfenster in die Gebäudefront eingearbeitet, die schon beim Bau des Gebäudes 1860 das auffälligste Merkmal waren. Seit 2007 bietet dort das Hennefer Wirtshaus Platz für bis zu 470 Gäste, unter anderem in zwei Biergärten.

Restaurant im Nordbahnhof

Siegburg: Ein Restaurant befindet sich inzwischen auch im Siegburger Nordbahnhof an der Kronprinzenstraße. Er war einst Station der Aggertalbahn nach Lohmar und ist eines der wenigen erhaltenen Bahnhofsgebäude an der stillgelegten Bahnstrecke. Bis 1954 hielten dort Personenzüge, dann stellte die Bundesbahn den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen ein. Der Güterverkehr rollte noch bis 1994.

Anfang der 1980er Jahre erwarben Privatleute den Komplex und bauten ihn zu einem Wohnhaus um. Später stand das Gebäude jahrelang leer. Nach gut zweijähriger Planungszeit sowie aufwendigen Um- und Ausbauarbeiten an dem denkmalgeschützten Bau eröffnete Robert Rossa im März 2018 im Nordbahnhof als Pächter ein Restaurant. „Mir gefielen die Immobilie mit ihrem ganz besonderen Charme und die Gebäudestruktur, die für sich wirkt, auf Anhieb“, sagt Rossa. „Vor allem die gebürtigen Siegburger freuen sich, dass mit dem Restaurant wieder Leben in den alten Bahnhof eingekehrt ist.“

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