Hilfe für Übergewichtige Selbsthilfegruppe in Königswinter soll aus der Isolation führen

KÖNIGSWINTER · Das Schicksal von Martina Schmelzer teilen viele Menschen: Sie sind fettleibig, haben den Teufelskreis von Diäten und Gewichtszunahme hinter sich und treffen in der Umgebung auf wenig Verständnis. Die Königswinterin hat jetzt die Selbsthilfegruppe Adipositas gegründet.

 Gemeinsam in Bewegung kommen: Auch das ist ein Ziel der Selbsthilfegruppe Adipositas.

Gemeinsam in Bewegung kommen: Auch das ist ein Ziel der Selbsthilfegruppe Adipositas.

Foto: picture-alliance/ ZB

„Es tut weh, nur nach seinem Äußeren beurteilt zu werden.“ Martina Schmelzer aus Königswinter-Oberdollendorf erlebt das tagtäglich, die abwertenden Blicke, das Getuschel, die Vorurteile – weil sie nicht ins Idealbild passt. Die 44-Jährige leidet an Adipositas, an krankhaftem Übergewicht. „Ich habe mich lange Zeit zu Hause isoliert, weil ich mich geschämt habe“, erzählt sie. „Dabei weiß doch niemand, weshalb ich so bin wie ich bin.“

Tatsächlich sind die Ursachen für Adipositas vielschichtig. Nicht immer ist es nur falsche Ernährung und mangelnde Bewegung, auch genetische Faktoren können die Entstehung begünstigen. Und nicht zu unterschätzen für unkontrollierbares Essverlangen sind seelische Ursachen und Krankheiten.

Fettleibigkeit ist ein gewichtiges Problem in Wohlstandsländern: So ist mittlerweile mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland übergewichtig, fast ein Viertel sogar adipös, also krankhaft übergewichtig – Tendenz steigend. Ihre Fettleibigkeit treibt viele in die Einsamkeit. „Fett und faul“, so lautet die landläufige Meinung – ein Vorurteil, unter dem auch Schmelzer gelitten hat.

In der Gruppe trifft man auf Verständnis

Um aus dem Teufelskreis auszubrechen, hat sie eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Übergewicht gegründet. Die Mitglieder sind sich einig: „Über seine Probleme und Gefühle reden zu können, zu wissen, man ist nicht alleine – das erleichtert enorm“.

Einmal im Monat trifft sich die Gruppe nun um zu reden, Geselligkeit zu erleben, gemeinsam etwas zu unternehmen und auch in Bewegung zu kommen – kurzum, zu „Dingen, die der Seele gut tun“. Vor allem aber auch, um sich gegenseitig Halt zu geben und zu unterstützen.

„Ich war schon als Kind pummelig“, erinnert sich Schmelzer. Mit 16 Jahren galt sie bereits als übergewichtig. Es folgten zahlreiche Diäten und mit ihnen auch der bekannte Jo-Jo-Effekt. Der Alltag wurde immer beschwerlicher: „Man passt in keinen Stuhl mehr hinein.“

Selbstverständlichkeiten wie Schuhe zubinden oder einen heruntergefallenen Zettel aufheben waren kaum mehr möglich. Im vergangenen Jahr entschied sich die Oberdollendorferin zu einer Magenverkleinerung. 40 Kilo hat sie seitdem bereits abgenommen – und wird nun auch auf ihrer Arbeitsstelle endlich wahrgenommen.

Nach der Magenoperation ist weiter Disziplin gefragt

„Vorher hat mich keiner wirklich angeschaut“, erinnert sie sich. Das Verlangen zu essen, wird bei dem Eingriff allerdings nicht wegoperiert. „Die OP ist kein Selbstläufer“, so Schmelzer. „Man muss trotzdem weiter an seinem Gewicht arbeiten.“

Hilfe zur Selbsthilfe erhoffte sie sich durch den Besuch einer Selbsthilfegruppe im Krankenhaus in Bad Godesberg, „doch die war so überfüllt, dass es dort nicht zu einem richtigen Austausch kommen konnte“. Andere Gruppen jedoch gab es im Umkreis nicht.

„Das hat mich selbst überrascht, wo es doch so viele Betroffene gibt.“ Kurzerhand ergriff Schmelzer die Initiative und wurde selbst aktiv. Seit Januar gibt es ihre Selbsthilfegruppe nun, die offen ist für alle, die Übergewicht haben, ganz gleich woher und welchen Alters. Das Motto: „Gemeinsam sind wir stark“.

Sajeda Al Othmane ist froh, dass es die Gruppe gibt. Auch sie hatte das Übergewicht in die Isolation getrieben. „Manchmal wollte ich nur noch schreien und weinen. Ich habe mich selbst gehasst.“ Das ist vorbei – am Tisch sitzt eine selbstbewusste Frau in einem schicken Wickelkleid. Eine Magen-Operation hat sie zu einem anderen Menschen gemacht: „Ich habe endlich das Gefühl, eine Frau zu sein. Ich fühle mich wie ein Schmetterling.“

Auch Atembeschwerden und Rückenschmerzen gehören seitdem der Vergangenheit an. Doch nicht nur die Operation, auch die Erfahrung, mit ihren Problemen nicht alleine zu sein, „hat mich stark gemacht“. Ihr Wunschgewicht haben beide Frauen noch nicht erreicht, aber sie sind sich ganz sicher: „Gemeinsam schaffen wir das.“

Die Selbsthilfegruppe trifft sich an jedem vierten Dienstag im Monat im Veranstaltungshaus Schröder, Malteserstraße 19 in Oberdollendorf. Nächster Termin ist am 28. Mai. Weitere Informationen gibt es auch unter www.adipositasselbsthilfegruppe.de.

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