Ein-Seelen-Ort in Königswinter Schwirzpohl bekommt ein Ortsschild

SCHWIRZPOHL · Ein Ort, eine Straße, ein Haus, eine Bewohnerin: das ist Schwirzpohl im Königswinterer Bergbereich. Nun endlich hat es auch ein eigenes Ortsschild bekommen.

Es gibt Anlässe, die müssen gefeiert werden. Geburtstage zum Beispiel, Ehejubiläen, Geschäftseröffnungen und Schulabschlüsse. Oder aber das Aufstellen eines Ortsschildes. Jahrelang hat Marlies Schumacher um ein solches gekämpft, vor einigen Tagen nun hat die Stadt das ersehnte Schild an der Zufahrtstraße zu ihrem Haus aufgestellt. „Gelb auf grün“ ist dort zu lesen: „Schwirzpohl“. Ein Ort mit nur einer einzigen Straße und einer einzigen Einwohnerin.

Um zur „Schwirzpohler Marlies“ zu gelangen, schlägt man vom Nachbarort Gratzfeld kommend den schmalen Feldweg zwischen zwei Kuhwiesen ein, passiert das „Anlieger frei“-Schild und überquert ein Brückchen. Dort, wo man meint, „hier kommt nichts mehr“, ist man dann fast da: umgeben von dichtem Grün liegt linker Hand die Pension, die Schumacher seit rund zehn Jahren betreibt.

Marlies Schumacher ist, wie ihre zwei Geschwister und zwei ihrer drei Kinder, „in Schwirzpohl geboren und auch nie hier weggezogen“. Wenn auch das Einwohnermeldeamt etwas anderes behauptet. „Auf meiner letzten Meldebescheinigung stand: Eingezogen am 30.07.1970“, berichtet Schumacher. Geboren ist sie aber 1940. Als sie die Mitarbeiter auf den vermeintlichen Fehler aufmerksam machte, erfuhr sie, dass keine anderen Aufzeichnungen vorhanden seien. „Ich frage mich, wo ich denn dann wohl von 1940 bis 1970 gewesen bin“, schmunzelt Schumacher. Nun müsse das Standesamt entsprechende Nachforschungen einleiten.

Einst eigenständiger Ort

Vermutlich hat es mit der Historie zu tun. Tatsächlich war Schwirzpohl einst ein eigenständiger Ort, zumindest bis zur kommunalen Gebietsreform und der Eingemeindung nach Königswinter im Jahr 1969. Damals gab es hier auch ein großes, gelbes Ortsschild. „Schwirzpohl, Regierungsbezirk Köln, Siegkreis“, war darauf zu lesen. Das Schild stand jedoch nicht etwa auf der Straße, sondern war direkt am Gebäude angebracht. Und dort hat es auch die Zeiten überdauert. Als das Schild irgendwann verwittert war, fertigte Schumachers Schwager kurzerhand ein neues an.

Keine Frage, dass die „Schwirzpohler Marlies“ es auch heute noch in Ehren hält. Als „fanatische Schwirzpohlerin“ war es ihr aber eine Herzensangelegenheit, dass ihr Heimatort ein offizielles, gültiges Ortsschild erhält. Schließlich ist Schwirzpohl auf der Liste der ältesten Orte im Oberhau ganz oben mit dabei: 1306 wurde „Swyrzpul“ erstmals urkundlich erwähnt. Einen Hof hatte es damals hier gegeben – viel mehr ist in den folgenden Jahrhunderten auch nicht hinzugekommen.

Als Wilbert Fuhr von „Oberhau Aktuell“ im Zusammenhang mit den Recherchen zum 800-jährigen Ortsjubiläum von Gratzfeld auch die Historie von Schwirzpohl unter die Lupe nahm, kam Fahrt in die Sache. „Wir wenden uns an die Stadt“, beschloss Fuhr. Gesagt, getan: Innerhalb von 14 Tagen war ein Ortstermin organisiert. „Die städtischen Mitarbeiter haben sofort festgestellt, dass hier ein Schild hingehört“, berichtet Fuhr. Er freut sich, dass nach Kappesbungert ein weiterer Ort im Oberhau mit einem solchen Schild entsprechend gewürdigt wird.

Dorf ohne Menschen

Kappesbungert allerdings ist mittlerweile ein Dorf ganz ohne Menschen – ein Schicksal, das Schwirzpohl zumindest auf absehbare Zeit erspart bleibt. Denn schon bald wird sich die Einwohnerzahl hier verdreifachen: Schumachers Sohn Klaus hat angekündigt, gemeinsam mit seiner künftigen Ehefrau wieder in die Heimat zurückzukehren. „Back to the roots“, sagt er und lacht.

Zur Ortsschild-Feier am Samstag waren nicht nur Kinder und Enkelkinder erschienen, sondern auch die Dorfgemeinschaft aus dem Nachbarort. In Gratzfeld hat man schon lange ein eigenes Ortsschild – aber schließlich ist das Dorf auch 100 Jahre älter. Und hat beinah vier Dutzend Einwohner mehr.

Immerhin, der kleinste Ort ist Schwirzpohl laut Königswinterer Einwohnerstatistik vom 30. Juni 2017 nicht: neben Kappesbungert gibt es mit Hünscheiderhof noch ein weiteres Null-Seelen-Dorf. Margarethenhöhe zählt mit lediglich drei Einwohnern auch nur unwesentlich mehr, gefolgt von Schnepperoth und Elsfeld mit fünf Bewohnern.

Größter unter den insgesamt 74 Orten, die zu Königswinter zählen, ist übrigens Oberdollendorf (5138 Einwohner), dicht gefolgt von der Altstadt (5114 Einwohner). Auf Platz drei rangiert Thomasberg (4694 Einwohner), dahinter Oberpleis mit 4246 Einwohnern. Insgesamt waren in der Stadt zum Stichtag 42.757 Einwohner registriert.

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