Notfalltag im Rhein-Sieg-Kreis Rettungsdienste üben in Königswinter für den Ernstfall

KÖNIGSWINTER · 200 Notärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten üben beim Notfalltag der gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO) in Königswinter gemeinsam mit der Feuerwehr den Ernstfall. Die GFO stellt für drei Standorte im Rhein-Sieg-Kreis den Notarzt.

 Üben für den Ernstfall: Die Rettung eingeklemmter Personen nach einem Unfall fordert den Einsatzkräften einiges ab.

Üben für den Ernstfall: Die Rettung eingeklemmter Personen nach einem Unfall fordert den Einsatzkräften einiges ab.

Foto: Frank Homann

Mit lautem Knirschen fressen sich die beiden Messer der hydraulischen Rettungsschere in das Autoblech. Keine Minute dauert es, bis die A-Säule des Wagens, die Autodach und Karosserie im Frontbereich verbindet, durchtrennt ist. Nur wenig später kann dank des routinierten Einsatzes der Feuerwehr bereits das komplette Dach des Unfallfahrzeugs abgehoben werden – zwölf Minuten, in denen die junge Frau, die eingeklemmt im Inneren des Wagens auf Rettung hofft, allerdings durch die Hölle geht: Zum Lärm, den Schere, Spreizer, Hydraulikpumpe und Co. verursachen, gesellen sich Angst und Schmerzen.

„Die gesamte Situation ist für den Patienten extrem gespenstisch und beängstigend“, weiß Notarzt Holger Liebermann. Wie gut, dass die Mitarbeiter des Rettungsdienstes den Umgang mit Menschen in solchen Extremsituationen lernen. Wie gut auch, dass es sich bei dem Unfallszenario, das auf dem Gelände der Rettungswache in der Königswinterer Altstadt nachgestellt wurde, nur um eine Übung handelte.

Kongress zur Fortbildung

In einem Workshop, der im Rahmen des GFO-Notfalltages stattfand, wurde in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Königswinter das Zusammenspiel zwischen technischer und medizinischer Rettung eines im Auto eingeklemmten Patienten geübt. Der Veranstalter der Fortbildung, die gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO), stellt für drei Standorte im Rhein-Sieg-Kreis den Notarzt: neben Königswinter/Bad Honnef auch für Troisdorf und Sieglar. Insgesamt nutzten rund 200 Notärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten die Gelegenheit, sich bei dem eintägigen Kongress theoretisch und praktisch fortzubilden. Themen waren unter anderem Besonderheiten beim Kindernotfall und beim Palliativpatienten, geburtshilfliche Notfälle, Beatmung und Reanimation, Knochen- und Gelenkverletzungen und eben die Rettung eingeklemmter Personen.

"Größte Herausforderung für die Einsatzkräfte"

„In unserem Einsatzgebiet, in dem ja auch die Autobahn liegt, haben wir immer wieder mit schwer Eingeklemmten zu tun. Für uns Einsatzkräfte ist dies die größte Herausforderung“, so Andreas Leischner, ärztlicher Leiter des Notarztstandortes Königswinter/Bad Honnef. Rettungsdienst und Feuerwehr müssen in diesem Fall Hand in Hand arbeiten. „Ziel ist es immer, den Patienten möglichst schonend aus dem Auto zu befreien.“ In manchen Fällen ist aber auch eine schnelle Rettung, oder – wenn es ums Überleben geht – sogar eine Crashrettung notwendig. „Bei einer Crashrettung ist das Autodach innerhalb von zwei Minuten weg.“ In dem Fall müssen aber auch Verletzungen am Patienten in Kauf genommen werden. Die Entscheidung trifft in dem Fall immer der Notarzt.

Bei der Übung am Samstag demonstrierten die Königswinterer Feuerwehrleute unter Leitung von Heiko Basten zwar keine Crashrettung, wohl aber eine schnelle und eine schonende Rettung. Im ersten Fall wurde das Unfallopfer unter Einsatz einer „Rettungsboa“ aus dem Fahrzeug „herausrotiert“. Die wie eine Schwimmnudel aussehende, neongelbe „Boa“ wird dabei um Hals und Körper des Patienten geschlungen. „Auch wenn es vielleicht so aussieht: Man fühlt sich dabei nicht gewürgt, sondern regelrecht eingemummelt und gut geschützt“, so Liebermann. Vorteil auch: „Das Anlegen dauert nur Sekunden, das Ablegen geht noch schneller.“

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Die Rettung eingeklemmter Personen ist immer ein Wettlauf gegen die Zeit. Ziel und gleichzeitig größte Herausforderung ist es, den Patienten innerhalb von einer Stunde nach dem Unfallereignis sicher in der Klinik zu haben. „Diese erste Stunde hat den größten Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit“, erläutert der Notarzt. „Die 'Golden Hour' einzuhalten, funktioniert aber nur, wenn alle Rädchen perfekt ineinandergreifen. Und genau das muss immer wieder geübt werden.“

Mediziner, die die Zusatzbezeichnung „Notarzt“ tragen wollen, müssen eine umfangreiche Ausbildung durchlaufen. „Neben Fortbildungen und einer mehrmonatigen, klinischen Weiterbildung in der Intensivmedizin, Anästhesiologie oder Notfallaufnahme muss eine gewisse Anzahl an Einsätzen als Trittbrettfahrer unter Supervision eines erfahrenen Notarztes absolviert werden“, so Liebermann. Erst nach 50 lebensrettenden Einsätzen kann die Prüfung beantragt werden.

Neben dem fachlichen Können muss der angehende Notarzt vor allem eins mitbringen: unerschütterlichen Optimismus. „Notarzt zu sein, das muss man mögen. Oft ist man einem enormen Stress ausgesetzt. Aber es ist eine sehr schöne Erfahrung, Menschen in schwierigen und schlimmen Situationen Hilfe anbieten zu können. Ein geglückter Einsatz ist daher ein extrem euphorisierender Moment. Doch wenn das Gegenteil eingetreten ist, hallt das oft noch lange nach.“

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