Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg Neue Ausstellung im Museum von Haus Schlesien

HEISTERBACHERROTT · Inflationsgeld, zeitgenössiche Zeitungen, aufrüttelnde Plakate: „Zwischen Revolution und Ruhrbesetzung“ heißt die aktuelle Ausstellung im Museum von Haus Schlesien in Heisterbacherrott über Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg.

 Haus Schlesien zeigt Plakate und Flugblätter, die die Bevölkerung auf emotionale Weise ansprachen.

Haus Schlesien zeigt Plakate und Flugblätter, die die Bevölkerung auf emotionale Weise ansprachen.

Foto: Frank Homann

30 Millionen Mark sollte einst die braune Lederhandtasche kosten, die in einer Vitrine im Museum von Haus Schlesien ausgestellt ist. Und das war für das Jahr 1923 noch vergleichsweise günstig.

Wer nur wenige Monate später, im November, einen Fernbrief verschicken wollte, musste für das Porto 40 Milliarden Mark auf den Tisch legen. Schuld war die Hyperinflation infolge des Ersten Weltkrieges – ein Krieg, der Europa maßgeblich verändert hat.

Die Ausstellung „Zwischen Revolution und Ruhrbesetzung – die Folgen des Ersten Weltkrieges für Schlesien“ im Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde lenkt den Fokus auf die Ereignisse und Entwicklungen der Nachkriegsjahre 1918 bis 1923 in Schlesien und zeigt die Auswirkungen nationaler und internationaler Geschehnisse auf die Region und den Alltag der dort lebenden Menschen.

Unruhige Jahre in einer Grenzregion

Als Grenzregion im Osten bekam Schlesien die Folgen des Krieges besonders zu spüren. So bekam es mit der Wiedergeburt Polens und der Neugründung der Tschechoslowakei zwei neue Nachbarn, die teils massive Gebietsansprüche stellten.

„Die Jahre 1918 bis 1923 waren für Schlesien unruhige und folgenreiche Jahre, in denen die Wurzel vieler langwieriger Konflikte und politischer wie gesellschaftlicher Besonderheiten der Region zu suchen sind“, erläutert Kuratorin Silke Findeisen.

An einem großen Tisch können Ausstellungsbesucher zusammenpuzzeln, wie Europa vor dem Ersten Weltkrieg aussah und wie sich die Grenzen danach verschoben. Vor allem aber gibt es beim Gang durch die Schau viel zu lesen: nicht nur großformatige Bild-Text-Tafeln zu verschiedenen Themenschwerpunkten, sondern auch zahlreiche Originaldokumente, die von damals erzählen.

So kann man zum Beispiel im Nachdruck der kompletten Ausgabe der Zeitung „Breslauer Neueste Nachrichten“ vom 10. November 1918 blättern. „Die Revolution in Berlin“ lautete die Schlagzeile auf der Titelseite.

Sehr viel reißerischer kamen die Plakate und Flugblätter daher, die im Vorfeld der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit Oberschlesiens zu Deutschland oder Polen im Jahr 1921 gedruckt und verteilt wurden.

Rotkäppchen und der böse polnische Wolf

Auf einem läuft das deutsche Rotkäppchen dem bösen polnischen Wolf davon, darüber der Spruch: „Mein Körbchen liegt Dir wohl im Sinn? Da ist mein liebes Schlesien drin. Untrennbar bleibt es stets bei mir, denn öd' und wild säh's aus bei Dir.“

Das Besondere an der Ausstellung: Die Geschehnisse werden nicht nur aus deutscher Sicht, sondern auch aus dem Blickwinkel Polens und Tschechiens dargestellt. Dies ist das Ergebnis der Zusammenarbeit mit mehreren polnischen und zum ersten Mal auch tschechischen Museen.

„Wir möchten nicht nur einen rein deutschen Blick auf die Geschichte richten“, so Findeisen. „Die Ereignisse waren ja für alle drei Nationen einschneidend.“ Sie freut sich besonders, „dass es erstmals auch mit einem tschechischen Partner geklappt hat“. Die Ausstellung wird auch in den Partnermuseen gezeigt, daher sind alle Erläuterungen zweisprachig.

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