Weilberg im Siebengebirge Mit Motorsäge in die Felswand

KÖNIGSWINTER · Der Mann im orangefarbenen Overall, der in der Felswand am Seil hängt, lässt sich ganz langsam hinab. In seiner rechten Hand hat Ralf Ortsiefer eine kleine Motorsäge. Der Baumpfleger ist am Weilberg unter die Kletterer gegangen: Mit seinen Mitarbeitern, Arborist Jim Cole aus England und Sebastian Mittler, schneidet er den Fels frei.

Gut gesichert arbeiten die Baumpfleger an der Felswand im ehemaligen Steinbruch.

Gut gesichert arbeiten die Baumpfleger an der Felswand im ehemaligen Steinbruch.

Foto: Melsbach

Das passiert alle sieben, acht Jahre, denn der ehemalige Steinbruch wächst regelmäßig wieder zu. Büsche weg, "Vorhang auf": Nun ist wieder freie Sicht auf Säulenbasalt und Trachyt-Tuff und das komplette Theaterstück mit dem Titel: "Wie entstand einst das Siebengebirge?".

In diesem geologischen Freilichtmuseum ist der Vulkanismus nachzuvollziehen. Der typische Querschnitt eines Vulkans, der nicht ausgebrochen ist und bei dem das heiße Magma im Schlot steckenblieb, um schließlich zu Basaltsäulen abzukühlen, kann am Weilberg begutachtet werden.

Die oberste Gesteinsschicht, der Trachyt-Tuff, wurde damals "frittiert", wie die Fachleute sagen, oder rot "gebacken". Das sieht besonders imposant aus. Die Spur der Steine zieht viele Geologen an, darunter ein niederländischer Uni-Professor.

"Der rief vor kurzem schon an und wollte mit seinen Studenten die Wand freischneiden", berichtet Christoph Rüter, der Leiter der Fachabteilung Naturschutz im Amt für Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises. "Aber das ist natürlich viel zu gefährlich."

Da müssen Fachleute wie Ralf Ortsiefer ran. Ihre spezielle Seilklettertechnik wenden sie im Normalfall bei der Pflege von hohen Bäumen an. Ihr Seil sichern sie vor dem Einstieg in die Wand des Weilbergs mehrfach an den Bäumen im darüber liegenden Wald. Bahn für Bahn holzen sie anschließend, am Seil hängend, ab.

Das ist nicht ungefährlich, denn hin und wieder fallen Steine hinab. Für Sebastian Mittler ist dann auch vorzeitig Schluss, als ihm ein Stein auf den Finger prallt. Außerhalb des Steinbruchs gelangen die Männer immer wieder zum Start an der Felsoberkante. Am Fuß der Wand räumen derweil fünf Auszubildende um Forstwirtschaftsmeister Jörg Olbert vom Forstrevier Siebengebirge das geschlagene Holz.

"Außerdem stellt das Forstamt regelmäßig die Blickschneisen an den Aussichtspunkten her", erläutert Stephan Schütte, der Fachgebietsleiter Staatswald im Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft. So werden die Pflegemaßnahmen zum Gemeinschaftsprojekt der Förster und Naturschützer.

Der nackte Stein hat einen doppelten Effekt. Er ist nicht nur Spiegelbild des Geschehens vor fast 30 Millionen Jahren, sondern auch wertvoller Lebensraum. Christoph Rüter hebt die Mauereidechse und die Geburtshelferkröte hervor. "Beide Arten sind in ihrem Bestand stark gefährdet und aufgrund der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU streng geschützt."

Wächst der Felsen zu, liegt die Sonnenterrasse der Tiere im Schatten. Besonders im Herbst nutzt die Mauereidechse die letzten Sonnenstrahlen, um sich noch einmal aufzuheizen vor der Winterstarre. Rüter: "Dann sitzen sie an der Felswand wie auf einer Herdplatte." Das Siebengebirge ist die nördlichste Grenze für diese Eidechsen.

Die Geburtshelferkröte ist am Weilberg zu finden, weil hier Gestein und Gewässer zusammentreffen. In den Wäldern wäre es der Kröte zu kalt. Im Mai und Juni geben diese Lurche, die deshalb auch Glockenfrosch genannt werden, abends ihre Konzerte. Stephan Schütte: "Es ist eine moralische und ethische Aufgabe, die biologische Vielfalt zu schützen."

Und noch ein Tierpaar lebt am Weilberg. Familie Uhu. Um deren Eigenheim im östlichen Bereich nicht zu zerstören, wird dort der Bewuchs des Felsens nicht weggeschnitten. Der Vorhang bleibt zu! Und ab Januar ist dort Balz.

Vulkanisches Gestein

Der Weilberg ist vulkanischen Ursprungs. Der geologische Aufschluss zeigt den Gesteinsaufbau des gesamten Siebengebirges. Hier wurde im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts Basalt abgebaut. Der Steinbruch wurde als einer der letzten im Siebengebirge geschlossen. Am Weilberg wurde 1971 dem Siebengebirge das Europäische Diplom für geschützte Gebiete verliehen.

Die Kosten

Die Pflegemaßnahmen am ehemaligen Steinbruch am Weilberg, der geschütztes Flora-Fauna-Habitat-Gebiet ist, kosten 5500 Euro und werden zu 80 Prozent mit Landes- und EU-Mitteln gefördert. Den Rest trägt der Rhein-Sieg-Kreis. Hinzu kommen rund 3000 Euro für die Forstarbeiten, die allerdings nicht bezuschusst werden. Der Weilberg ist Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen.

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