Japanische Kalligrafien Künstlerin Kaoru Akagawa stellt in Königswinter aus

KÖNIGSWINTER · In einer außergewöhnlichen Ausstellung zeigt die japanische Künstlerin Kaoru Akagawa ihre Kalligrafien in Königswinter. Die 40 Werke beschäftigen sich mit den Themen Musik, Kapitalismus und Grenzen.

 Kaoru Akagawa vor ihren Werken „Information Bull“ und „Speculation“. Beide beschäftigen sich mit dem Thema Kapitalismus.

Kaoru Akagawa vor ihren Werken „Information Bull“ und „Speculation“. Beide beschäftigen sich mit dem Thema Kapitalismus.

Foto: Frank Homann

Ein bisschen peinlich, meint Kaoru Akagawa, sei es schon, über ihre Werke zu erzählen. „Denn was hier an der Wand hängt, ist mein Leben. Meine Seele erscheint immer auch auf dem Papier.“ „To cross borders“, zu Deutsch: „Grenzen überschreiten“, so lautet eines der zentralen Themen, denen sich die 44-Jährige Lehrmeisterin für Kana Shodo, der jahrhundertealten Tradition der Kalligrafie mit japanischen Silbenzeichen, widmet: Geboren in Kanada, aufgewachsen in New York, im Anschluss ein Studium in Japan, dann der Umzug nach Berlin und schließlich nach London – Kaoru Akagawa hat selbst gelebt, was sie in ihrer ganz eigenen künstlerischen Technik, getauft "Kana Art" oder „Kana de l'Art“, aufs Papier bannt.

Unter dem Titel „Jenseits von Zeit und Raum“ vereint sie nun in der Galerie IAC Berlin-Königswinter in Form von 40 Werken die Themen Musik, Kapitalismus und Grenzen – ohne Figuren-Spektakel und Farben-Bombast, dafür mit graziler Sinnlichkeit, ruhiger Konzentration und durchdachter Finesse, die ihresgleichen sucht.

Die Musik

Während ihrer Zeit in Berlin habe sie entdeckt, wie „neu und frisch“ die klassische Oper wirken könne, erzählt Akagawa. „Ich dachte mir: Wenn die Oper modern sein kann, dann auch Kana Shodo – sofern ich die richtige Interpretation finde.“ Ihrer Kreativität lässt sie freien Lauf: Gustav Mahlers „Symphonie der Tausend“ repräsentiert sie mit 1000 wild durcheinander geklebten Papierstreifen – einer für jeden der Tausend Musiker, die angeblich nötig sind, um der Komposition Leben einzuhauchen.

Die einzelnen Silben des Textes zu Wagners „Rheingold“, eigens auf Japanisch übersetzt, lässt sie bildlich zu Tawaraya Sotatsus berühmtem Donnergott-Gemälde verschmelzen – ohne den Pinsel abzusetzen, kreiert sie das Motiv bloß durch unterschiedlich starken Duktus. Und mit millimetergenauen Pinselschwüngen, die Noten-Silben fein arrangiert wie der Ausschlag eines musikalischen Seismographen, wird die geniale Feingliedrigkeit von Beethovens Mondscheinsonate greifbar. Ja, vergewissert Akagawa einer erstaunten Besucherin: Wer die Zeichen lesen könne, der könne das Stück grundsätzlich nachspielen – eine Meisterin, scheint sie sagen zu wollen, macht schließlich keine halben Sachen.

Der Kapitalismus

Dem „Bullenmarkt“ hält Akagawa ihren ganz eigenen goldenen Stierkopf entgegen: Geformt aus 450 Papierstreifen, mal Wirtschafts-Schlagzeilen, mal die Namen internationaler Großunternehmen, soll er die Manipulation der Börse mittels Informationen symbolisieren. Daneben „Speculation“, das die Namen von über 3000 Firmen zum süffisanten Schriftzug „¥€$!“ vermengt. Explizit anklagend ist der Kapitalismus-Zyklus aber nicht gemeint, vielmehr will er sich grundsätzlich mit der Frage nach Wohlstand befassen. „Ob Kapitalismus gut oder schlecht ist, das weiß ich selbst noch nicht endgültig“, verrät Akagawa.

Die Grenzen

In New York, erinnert sie sich, habe sie in jungen Jahren stets Diskriminierung erlebt: „'Du frisst ja nur Fisch', hat man gesagt, 'das ist eklig'“. Dabei sei es essenziell, sich in andere Kulturen einzufühlen: „Denn wenn wir die Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen entdecken, erreichen wir am Ende alle bessere Beziehungen.“

200 Papierfetzen, zu einem eng verflochtenen Netz gewoben, erstrahlen daher in „Sunset on the Seine“ als prachtvolle gelb-violette Sonne – ein bunter Streifen für jeden Übergang, jede Brücke entlang des gesamten Flusslaufs; der jeweilige Name ist in Kana, japanischen Schriftzeichen, auf dem Ryoshi-Papier vermerkt. Ein Symbol für das Durchbrechen der eigenen kulturellen und geistigen Grenzen – denn aus eigener Erfahrung schöpfend, liegt Kaoru Akagawa kaum etwas mehr am Herzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort